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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

14. Sonntag nach Trinitatis, 24.08.2008

Predigt zu 1. Thessalonicher 5:14-24, verfasst von Matthias Burger

Liebe Gemeinde,

kennen Sie das auch? Der Termin für den Urlaub steht schon lange fest, und je näher der Tag der Abreise rückt, desto mehr fällt Ihnen ein, was noch zu erledigen ist: die restlichen Lebensmittel im Kühlschrank wollen versorgt, Wäsche noch gewaschen und getrocknet werden. Am besten auch noch ein bißchen aufräumen, denn alles soll ja ordentlich sein, bevor die Reise beginnt.

Viele erstellen dabei eine Liste, was noch zu tun ist. „nicht vergessen - Ausrufezeichen" könnte die Überschrift sein. Wenn der Tag kommt, sollte alles erledigt, das Leben geordnet sein.

Ja, wenn der Tag kommt. Die Christen in Thessalonich glaubten, dass der Tag kurz bevor steht, der große Tag, wenn Jesus kommt. Dann ist nicht nur Urlaub, sondern Friede für immer, unendliche Freude, keinen Tränen, nur Lachen. Das wird ein großen Festmahl.

Auch Paulus glaubte, dass er den Tag der Wiederkunft Christi noch in seinem irdischen Leben sehen wird. Die Naherwartung war stark in den ersten christlichen Gemeinden. Was ist noch zu tun?

Paulus erstellt auch eine Liste. Es soll ja alles gut sein, glaubwürdig, in der Gemeinde, in unserem Leben, alles geordnet, wenn der Tag kommt. Und Paulus schreibt seinen geliebten Glaubens-geschwistern: 

14 Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann.
15 Seht zu, daß keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann.
16 Seid allezeit fröhlich,
17 betet ohne Unterlaß,
18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.
19 Den Geist dämpft nicht.
20 Prophetische Rede verachtet nicht.
21 Prüft aber alles, und das Gute behaltet.
22 Meidet das Böse in jeder Gestalt.
23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.
24 Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun. 

Also, das ist noch zu tun. Aber - wann kommt Jesus? Aus der Gemeinde in Thessalonich waren schon Christen gestorben, die eigentlich die Wiederkunft noch zu ihren Lebzeiten erwartet haben. Doch wir können gewiss sein: der Tag kommt, und die Aufgabe bleibt bestehen: Richtet Euer Leben nach diesem Tag aus! Und das heißt, mit den Worten Luthers: ihr sollt nicht untätig sein im Warten, ein Apfelbäumchen kann gerne noch gepflanzt werden.

Das gilt auch heute, in einer Zeit, in der die Erwartung, dass Jesus bald zurückkehren wird, nicht sehr ausgeprägt ist. Viel zu oft wurde in der Geschichte das nahe Ende gepredigt, selbst der Vater der Pietisten, Albrecht Bengel, hat sich verrechnet, und Jesus ist immer noch nicht wiedergekommen. Wir können im Gegensatz zu den ersten Christen zweitausend Jahre zurückblicken und können lernen: Gott ist und bleibt Herr über Raum und Zeit. Seid wachsam, aber wisst, dass ihr die Stunde nicht kennt.

Doch für jedes einzelne Leben trifft zu: das Ende kommt gewiss, jeder von uns wird sein ganz persönliches Ende erleben. Insofern passen die Ermahnungen des Paulus auch heute: „seid dankbar", „seid allezeit fröhlich", „meidet das Böse". Wer wollte diesen Ermahnungen, oder besser: diesen guten Wünschen widersprechen? So kann Leben gelingen!

Unser Ende kommt, ganz gewiss. Und in jedem Fall sind wir aufgefordert, endzeitlich zu leben, also in dem Wissen, dass unsere Zeit, dass überhaupt alle Zeit, begrenzt ist.

Was würden Sie tun, wenn Sie noch zwei Monate zu leben hätten?

Wiederum könnten wir eine Liste erstellen. Und wenn wir sie nähmen und mit der des Paulus vergleichen würden? Vielleicht wären sie gar nicht so unterschiedlich. Wir würden merken, was in unserem Leben wirklich wichtig ist, und wahrscheinliche wäre ein Luxusauto nicht dabei.

„Seid allezeit fröhlich" sagt Paulus. Warum ist das so schwer? Weil wir oft in den Sorgen des Alltags versinken, weil wir den Horizont unseres Lebens aus den Augen verlieren. Was sind schon die Sorgen des Alltags im Angesicht des Todes, und des ewigen Lebens?

„Der Tag kommt": Liebe Gemeinde, das soll keine Drohung sein, die uns in Stress versetzt, so, wie es vielleicht die Abreise in der Urlaub tut. „Der Tag kommt": das soll unseren Blick heben, uns selbst herausnehmen aus den Sorgen des Alltags, damit wir sehen lernen, was wirklich wichtig ist im Leben. Wir brauchen einen Wegweiser, damit wir lernen: Zeit haben in der Zeitlosigkeit der Gegenwart ist eine Gabe, zuhören können in der Welt voller Geräusche ist eine Gabe, ebenso dankbar sein, gute Worte finden. „Der Tag kommt": Leben wir endzeitlich wie die ersten Christen, und richten wir die Gegenwart danach aus, dann werden wir sehen: die Fröhlichkeit des Himmels ereignet sich schon hier und jetzt. Amen.



Dr. Matthias Burger
Kusterdingen
E-Mail: email@matthiasburger.de

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