Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres, 16.11.2008

Predigt zu 2. Korinther 5:1-10, verfasst von Christine Hubka

Wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.
Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden,
weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben.
Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat.
So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn.
Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen.
Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse. 2. Kor 5, 1 - 10

Ein Kind wird geboren.
Ängstlich schaut die Mutter zur Hebamme:
Ist mein Kind gesund?
Hat es alles:
2 Hände, 10 Finger, 2 Füße, 10 Zehen?
Alles bestens.
Das Baby schreit.
Die Mutter drückt es glücklich an sich.

Mein Körper ist alles, was ich mitbringe,
wenn es ins Leben geht.

Diesen Körper, so singt der Psalm,
hat Gott mir gegeben:
Du hast meine Nieren bereitet
und hast mich gebildet im Mutterleib (Ps 139)

Die hebräische Bibel  weiß:
Mein Körper ist alles, was ich habe,
wenn ich mit Gott kommunizieren will.

Meine Stimme ruft zu Gott.
Meine Hände strecken sich Gott entgegen.
Meine Füße gehen zu dem Ort,
wo Gottes Wort gelehrt wird.

Mein Körper zeigt mir aber auch
die Grenzen meiner Möglichkeiten
Gott zu erfahren:

Paulus schreibt:
wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.

Meine Augen können Gott nicht sehen.
Meine Ohren können Gottes Stimme nicht hören.
Und auch wenn Gottes Hand mich leitet,
kann ich sie doch nicht auf meiner Schulter spüren.

Paulus schreibt:
Wir ... wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn

Mit der Zeit
Macht unser Körper es uns immer schwerer,
mit den Menschen und mit Gott zu kommunizieren.
Gottes Stimme hab ich nie gehört.
Eines Tages werde ich auch nur noch leise,
die Stimme der Menschen hören.
Vielleicht sogar zu leise,
um sie zu verstehen.
Die Weg dorthin, wo Gottes Wort ausgerichtet wird,
wird immer beschwerlicher.
Und eines Tages kann der  eine oder die andere,
die Sonntag für Sonntag den Gottesdienst
mit gefeiert haben,
nicht mehr hierher kommen.

Wie gut,
wenn dann die, deren Füße es vermögen,
zu ihnen gehen -
ins Senioren Heim und Gottes Wort
und die Gemeinschaft der Heiligen
dort hinein tragen.
Wie gut,
wenn es einen Telefondienst gibt,
und die angerufen werden von ihrer Gemeinde,
die sonst niemand mehr anruft.

Auch Paulus erlebt,
wie sein Körper das Leben vor Gott und mit Gott
immer beschwerlicher werden lässt.
Er leidet an einer unheilbaren Krankheit.
Auf sein Gebet, dass er geheilt wird,
erfährt er die Antwort:
Lass dir an meiner Gnade genug sein. (2. Kor 12,19)
Es gibt Tage, an denen reicht es ihm.
Da mag er nicht mehr.

Unter uns wird abwehrend reagiert,
wenn jemand sagt:
Ich kann nicht mehr.
Ich mag nicht mehr.
Es ist genug.

Anders Paulus.
Er schreibt:
Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn,

Wir sind getrost ...
Was ist es,
das ihm angesichts der körperlichen Beschwerden
und Angesichts des Todes getröstet
in die Zukunft schauen lässt?

Es ist das Vertrauen,
dass Gott,
der uns als leibliche Wesen erschaffen hat,
uns nicht ohne Leib in der Ewigkeit sein lässt.

Ich bin ja nichts ohne diesen Leib.
Ohne die Schrammen und Narben.
Ohne die Verbiegungen und Verletzungen.
Ohne die Falten und Eigenheiten.
Sie alle gehören zu mir.
Sie alle sind ja da,
weil ich lebe. Weil ich Erfahrungen gemacht habe.
Falls es das gäbe
einen Menschen ohne Falten im Gesicht,
hätte dieser Mensch in seinem Leben
nie gelacht oder geweint,
nie ins helle Licht geschaut
oder etwas ekelhaft gefunden.
Dieser Mensch hätte sich nie gefreut
und nicht einmal in seinem Leben getrauert.

Der auferstandene Jesus
trägt die Wunden der Kreuzigung an sich.
Nur daran erkennen ihn
seine Jüngerinnen und Jünger.
Nur dadurch wird Jesus erkennbar,
als der, der er gewesen ist.
Als der, der er immer sein wird.

Paulus malt ein Bild
von der Verwandlung des Leibes.
Er erinnert daran,
dass Gott, der uns diesen irdischen Leib gegeben hat, uns einen neuen Leib geben wird,
wenn dieser irdische ausgedient hat.
Wenn dieser irdische so baufällig geworden ist,
dass er uns nicht mehr dienen kann.
Beim Leben nicht und beim Glauben nicht.

Und Paulus fürchtet - wie jede Kreatur,
wie jeder Mensch, den Moment,
wenn wir diesen Leib loslassen müssen.
Er träumt davon, er wünscht sich,
dass der neue Leib einfach drüber gezogen wird
über den alten.
Wie ein schöner neuer Umhang über ein altes Kleid.

Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben.

Und er weiß, dass das nicht möglich ist.
Er weiß, dass wir alle durch diesen Vorgang
des Ausziehens hindurch müssen.
Auch Paulus hat Angst davor.

Aber weil Gott uns dieses Wunderwerk,
unseren Leib mit allen seinen Funktionen,
gegeben hat,
ist es eine Ehre ,
so zu leben, als wären wir schon ganz
in Gottes Nähe.

Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen.

Was für ein Gedanke:
Es ist mir eine Ehre,
dem, der ein ganzes Leben lang
meine körperlichen Funktionen aufrecht erhält,
bis zu dem Tag zu gefallen,
an dem er mir einen neuen Körper schenkt,
der es mir möglich macht,
Gott zu schauen.

Ja, und ganz zuletzt kommt noch die Sache
mit dem Richterstuhl:

Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.

Merkt ihr es auch?
Dieser Satz, klingt ganz anders -
Gar nicht wie eine Drohung,
wenn man ihn im Zusammenhang hört.

Er klingt für mich so,
als gäbe es - wie sonst auch im Leben -
einen Rechenschaftsbericht.
Einen Rückblick über das,
was ich mit dem Geschenk meines irdischen Leibes,
mit diesem wunderbaren Werkzeug,
so alles gemacht habe.
Wofür habe ich ihn verwendet?

Was habe ich mit den Hände getan,
die alle zehn Finger zum greifen, schlagen, streicheln zur Verfügung hatten?
Hat es dem entsprochen,
der sie mir im Mutterleib modelliert hat?
Was hat der Mund geredet,
der ein Wunderwerk ist an feinmotorischen Möglichkeiten?
Hat es dem entsprochen,
der jede einzelne Muskelfaser gewebt hat?

Mein Körper ist alles, was ich mitbringe,
wenn es ins Leben geht.

Aber wenn das Leben vorbei ist,
wird Gott einen neuen Leib schenken.
Das ist die Botschaft des Neuen Testamentes.

Dafür sei Gott Lob und Preis in Ewigkeit.



Pfr. Dr. Christine Hubka
Wien
www.pauluskirche.at
E-Mail: pauluskirche@evang.at

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