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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Osternacht und Ostersonntag, 12.04.2009

Predigt zu Markus 16:1-8, verfasst von Peter Lind

Es ist Ostern, und das ist unbegreiflich.

            Es ist in dem Sinne unbegreiflich, dass wir - gleichwie Millionen von Christen überall in der Welt - heute hier in der Kirche zum Ostergottesdienst versammelt sind, um zu feiern, dass Jesus Christus aus dem Grab auferstanden ist am Morgen des ersten Tages der Woche vor fast zweitausend Jahren.

            Es ist unfassbar, weil es nicht zu begreifen ist, dass solch ein Ostergottesdienst überhaupt machbar ist.

Erstens - und natürlich in erster Linie - ist es unfassbar, dass wir uns auf der Grundlage des konkreten, historischen Ereignisses versammeln können, dass Jesus nach seinem Tod am Kreuz und nach seinem Begräbnis am Karfreitag am dritten Tag wieder lebendig wurde und aus dem Grab auferstand. Alles menschliche Wissen und alle menschliche Erfahrung besagt, dass das nicht geschehen kann. Ein Mensch, der gestorben und schon so lange tot gewesen ist, kann nicht wieder lebendig werden. Das ist unmöglich. Und dennoch versammeln wir uns, weil es damals geschah.

Zweitens ist es unfassbar, dass diese Botschaft von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi hier und heute über Tausende von Kilometern und Jahren zu uns gelangt ist. Es ist eine Botschaft von etwas, das nicht geschehen kann, und dennoch hat sie sich von dem leeren Grab am Ostermorgen über die ganze Welt verbreitet. Obwohl es in dem Bericht des Markusevangeliums deutlich hervorgehoben wird, dass bereits die ersten Glieder in der Kette versagten; - die drei schockierten Frauen sagten niemandem etwas trotz der klaren Aufforderung des Engels. Dennoch ist die Botschaft erzählt worden; sie ist gehört worden, und sie ist weitererzählt worden. Von Volk zu Volk; von Generation zu Generation: "Jesus Christus ist auferstanden von den Toten!" hat sie immer wieder gelautet - bis hin zu uns.

Und drittens ist es unfassbar, dass wir daran glauben; - dass wir heute aus dem Grunde hierher in die Kirche gekommen sind, dass wir die frohe und triumphierende Botschaft von der Auferstehung Jesu feiern wollen, die wir gehört haben und an die wir glauben. Dass es nicht nur heute geschieht, sondern dass wir in die Kirche kommen zum Gottesdienst, zur Taufe, Konfirmation, Trauung, Beerdigung - letzten Endes, weil wir daran glauben, dass "Christ erstanden ist von den Toten!"

            Wie ist das möglich?

            Auf gewisse Weise ist es vergeblich, die beiden ersten Punkte erklären zu wollen, d.h. die Auferstehung und die Überlieferung der Botschaft darüber. Ungeachtet dessen, welcher Meinung man sein mag, so ist es eine Tatsache, dass die christliche Botschaft von Jesus Christus verkündet wird. Der dritte Punkt aber handelt von uns selbst, und obgleich es bestimmt nicht besonders leicht ist, seinen Glauben zu erklären, und obgleich es einem erlaubt sein sollte, seinen Glauben in Frieden zu haben, so ist der Versuch einer Antwort dennoch eine spannende Sache - und es ist und bleibt eine Frage, die man als Christ in gewissem Umfang in diesen und in kommenden Zeiten notwendigerweise zu beanworten haben wird: "Wie kannst du an die Auferstehung Jesu glauben?"

            In den vergangenen Jahren ist Religion in der öffentlichen Diskussion ein oft behandeltes Thema gewesen. Im Zusammenhang mit dem großen Interesse am islamischen Fundamentalismus seit dem Terrorangriff in den USA im Jahre 2001 hat man den Einfluss der Religion, und zwar vor allem den negativen Einfluss, auf die Gesellschaft diskutiert. Das hat dazu geführt, dass es heute unter dänischen Politikern eine weit verbreitete Auffassung gibt, wonach die Religion keine Rolle im öffenlichen Raum zu spielen habe. Es sei allzu gefährlich, sagen sie und denken mit Besorgnis daran, wie kräftig man auf die zwölf Mohammedkarikaturen in der Zeitung "Jyllandsposten" reagiert hat. Die große Schreckensvision ist die islamische Scharia, wo die Gesellschaft nach religiösen Gesetzen gelenkt wird.

            Neben dieser politischen Entwicklung hat es hier in Dänemark mehrere Beispiele dafür gegeben, dass die Haltung der Medien zum Christentum und zur Kirche weitaus kritischer und herablasssender als zuvor geworden ist. Man lässt sich im Großen und Ganzen keine Gelegenheit entgehen, die Kirche und alles, was dazugehört, anzugreifen und oft versucht man, die betreffende Angelegenheit so weit aufzublasen, dass sie keinen Halt mehr in der Wirklichkeit hat.

            Man kann geradezu paranoide Gefühle bekommen, denn oft wirkt es so, wie wenn viele dieser Artikel in den Zeitungen und viele Beiträge in den aktuellen Fernsehsendungen Teil eines größeren Versuchs sind, die Kirche nach Kräften zu bekämpfen und das Christentum lächerlich zu machen.

            Mir graut z.B. schon vor den jährlich wiederkehrenden Äußerungen über die Konfirmanden, deren Saison jetzt bald beginnt. Es geht im Großen und Ganzen immer darum, dass die jungen Menschen nur konfirmiert werden wollen wegen des Festes und der Geschenke, obwohl die jungen Menschen bestimmt bedeutend mehr darüber zu sagen haben als abgedroschene Floskeln diesesr Art.

            Vor einiger Zeit ging es in der öffentlichen Diskussion um das ganz Grundlegende im christlichen Glauben, nämlich um die Auferstehung. Es begann damit, dass ein amerikanischer Filmregisseur unter großer Anteilnahme der Medien behauptete, er habe in Jerusalem ein Grab mit Särgen gefunden, die nicht nur Jesus enthalten sollten, sondern die ganze "Familie Jesus", Vater Mutter und Kind - das behauptete er wirklich!

            In diesem Zusammenhang erklärte ein Professor der theologischen Fakultät der Universität Aarhus, dass eine solcher Fund seinen Glauben nicht im Geringsten würde erschüttern können, weil er die Auferstehung Jesu symbolisch auffasse. Aber anstatt entweder an der ursprünglichen Sache - diverse phantasievolle, romanarige Behauptungen über Jesus, seine Frau, Kinder und ihr Familiengrab betreffend - festzuhalten oder eine interessante Debatte darüber zu führen, inwieweit und wie man die Auferstehung interpretieren könne, entwickelte sich das Ganze sehr schnell zu einer Lächerlichmachung der Gläubigen.

            In einem Leitartikel in einer der größten Zeitungen Dänemarks warf man z.B. vor zwei Jahren die Frage auf: "Sind wir wirklich nicht weiter gekommen?", indem man sich darüber wunderte, dass "eine solche Diskussion überhaupt stattfinden und obendrein im Jahre 2007 ernst genommen werden kann". Denn gewiss habe man "als Gläubiger das Recht, sich zu diesen Berichten als den schönen Mythen, die sie sind, zu verhalten, aber es sind eben Mythen", und die könne man nicht zu Wirklichkeit machen, stellte man am Schluss dieses Leitartikels fest.

            Wenn der betreffende Verfasser des Leitartikels an die Auferstehung Jesu als einen Mythos glauben will, dann ist das so gesehen seine Sache. Wenn der Professor der Theologie an die Auferstehung als ein Symbol glauben will, so ist das auch seine Sache. Wir haben die Freiheit zu glauben, was wir wollen - und womit wir uns begnügen wollen.

            Aber als der Evangelist Markus seinerzeit seinen Bericht über die Auferstehung Jesu schrieb, war das weder als ein Mythos noch als ein Symbol gemeint; es war die Beschreibung der puren Wirklichkeit. Es war eine Botschaft, die zur christlichen Kirche wurde.

            In der Kirche geht es immer um die Auferstehung Jesu am Ostermorgen. Das Fundament des christlichen Glaubens ist immer das Ereignis, das an jenem Morgen, am ersten Tag der Woche stattfand. Im Laufe des Jahres kann man bei Gottesdiensten und bei den verschiedenen kirchlichen Handlungen sehr unterschiedliche Anlässe haben, über das Evangelium zu sprechen. Zahllose Themen, existenzielle, ethische, kulturelle, politische und viele andere mehr, lassen sich im Lichte der Verkündigung Jesu untersuchen. Die Grundlage derartiger Untersuchungen ist immer die Auferstehung Jesu, aber dies Fundamentale kann manchmal ein wenig in den Hintergrund gedrängt werden, teils weil es so einleuchtend ist und teils weil auch so viel Anderes dazu zu sagen ist. Aber heute, am Ostersonntag, geht es um die Auferstehung und nur um sie. Wir werden ganz konkret vor das leere Grab gestellt - bitteschön! Und das ist die Wirklichkeit. Die Botschaft des Engels, dass er auferstanden ist und dass die Jünger ihn in Galiläa sehen werden, ist es auch. Der Schrecken und die Furcht der Frauen, etwas zu sagen, ist es auch. Unser Ostergottesdienst ist es auch.

            Der Bericht vom leeren Grab und von der Botschaft von der Auferstehung Jesu ist kein schöner Mythos - er ist nicht Abenteuer und nicht Fantasy. Es handelt sich nicht um ein Symbol, denn ein Symbol ist doch nicht etwas an sich; es verweist vielmehr auf etwas Konkretes und Wirkliches. Der Glaube ist nicht eine Wirklichkeit, die wir durch diverse nüchterne Erklärungen versuchsweise selbst kreieren könnten, weil wir nicht zu akzeptieren wagen, dass Gottes Wirklichkeit größer sein sollte als unser Versand.

            Unsere Wirklichkeit als Christen ist, dass das Grab am Ostermorgen leer ist. Unser Glaube als Christen ist, all unsere Hoffnung und all unser Vertrauen darauf zu setzen, dass die Botschaft wahr ist, dass Jesus Christus auferstanden ist von den Toten. Dass das vielleicht in jeder Hinsicht unfassbar ist. Dass es aber dennoch eine Wirklichkeit ist, auf die wir unser Leben und unsere gesamte Existenz bauen. Eine Wirklichkeit, an die wir als eine Realität in der Welt und in unserem Leben glauben.  Dass es eine Wirklichkeit ist, die Gott uns dadurch schenkt, dass unser gekreuzigter und auferstandener Herr, Jesus Christus, uns mitten in unserem Leben und unserer Welt - mitten in unserer Wirklichkeit - als ein großer und entscheidender Teil von ihr begegnet. Amen.



Pastor Peter Lind
Middelfart (Dänemark)
E-Mail: pli(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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