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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Quasimodogeniti, 15.04.2007

Predigt zu Markus 16:9-20, verfasst von Wolfgang Vögele

Öffentlichkeitsarbeit für die Auferstehung

„Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. Und als diese hörten, daß er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen. Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: in meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird's ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen werden. Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber zogen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen."

Liebe Gemeinde,

ist das ein Lehrstück für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit? So wird im Markusevangelium von den Anfängen des christlichen Glaubens erzählt.

Das ist ja zur Zeit in kirchlichen Kreisen ein außerordentlich beliebtes Thema. In zuvor unbekannter Gemeinsamkeit türmt man Leuchttürme auf und knipst Scheinwerfer des Glaubens an. Die einen machen das Evangelium als Marke bekannt, und die anderen entwickeln Profilgemeinden. Das gehöre bei aller Differenzierung der Aufgabe zum Kerngeschäft der Gemeinden.

Ich bekenne freimütig: Mich beschleicht dabei immer ein merkwürdiges Gefühl. Ich finde: Leuchttürme gehören an die Küste, Profile sind für Reifen wichtiger als für Gemeinden, und Marken gehören in die Werbung oder ins Kaufhaus. Selbstverständlich hat die Wirtschaft in den Gemeinden ihren angemessenen und unverzichtbaren Ort, nämlich bei Bauprojekten, Haushaltsplänen und Sanierungsmaßnahmen, aber bei der Erfüllung ihres öffentlichen und ureigenen Auftrags verhält sich das vollständig anders.

Öffentlichkeitsarbeit kann man nun nicht nur von Marketing-, Event- und Beratungsagenturen lernen, sondern auch vom Evangelisten Markus.

Er erzählt im Stil eines Protokolls, wie sich die gute Nachricht von der Auferstehung zunächst unter den Anhängern des Jesus von Nazareth, dann in der weiteren Öffentlichkeit verbreitet. Und anders als bei den kirchlichen Strukturpapieren, die unter einem zwanghaften Optimismus leiden, scheut sich Markus nicht, von Skepsis und Zweifel zu sprechen, bevor er ein Loblied auf Glauben und Vertrauen singt.

Aber der Reihe nach: Am Anfang klappte das ganz und gar nicht mit der evangelischen Öffentlichkeitsarbeit. Am Anfang bestand - nüchtern betrachtet - die realistische Gefahr, daß die gute Nachricht von der Auferstehung im Sande verlief. Sie drohte, an einem verbreiteten Realismus, einer nüchternen und durch gar nichts zu beeindruckenden Weltsicht zu zerschellen. Tote sind tot - und damit basta.

Die erste, die scheiterte, war Maria aus Magdala, die das Grab des von ihr verehrten Lehrers besuchen wollte. Ihr erschien der Auferstandene, und Maria erzählte später offensichtlich begeistert von ihrer Vision des Auferstandenen. Aber ihr glaubte niemand, vielleicht, weil sie eine Frau war. Frauen galten damals nicht als glaubwürdige Zeuginnen. Frauen durften vor Gericht gar kein Zeugnis ablegen.

Die nächsten, die scheiterten, waren die beiden Emmausjünger. Auch sie erzählten von ihrer Vision des Auferstanden. Doch ihnen erging es nicht besser als der Magdalenerin. Auch sie stießen auf Skepsis. Tote sind tot - und damit basta.

In der nächsten Vision erschien der Auferstandene den verbliebenen elf Jüngern. Und Jesus tadelt und schilt sie erst einmal, weil sie der Frau aus Magdala und den Mitjüngern keinen Glauben geschenkt hatten.

Aus dem Abstand von 2000 Jahren beobachtet heißt das: Es wäre gut möglich gewesen, daß sich die christliche Bewegung in den ersten Jahrzehnten des ersten Jahrhunderts einfach im Sand verlaufen hätte. Gut möglich, daß die ganze Bewegung am Unglauben, am Zweifel, an der Skepsis der geflohenen und ängstlichen Jesusanhänger nach der Kreuzigung erstickt wäre.

Im Gesangbuch heute hört sich das ganz anders an; dort singen wir fröhlich und rhythmisch in einer ganz anderen Tonart:
„Eine freudige Nachricht breitet sich aus.
Man erzählt sie weiter von Haus zu Haus.
In den Höfen auf den Gassen, auf den Plätzen, auf den Straßen,
läuft in Windeseile sie in alle Welt hinaus.
Eine freudige Nachricht breitet sich aus." (EG 649, Martin Gotthard Schneider)

Im modernen Kirchenlied verbreitet sich der Auferstehungsglaube nach der Methode des Schneeballsystems: Wenn jeder, der von der Auferstehung hört, nur zwei weiteren Menschen berichtet, dann wächst der Glaube daran in einer gigantischen Geschwindigkeit: von eins zu zwei zu vier zu acht zu sechzehn zu zweiunddreißig zu vierundsechzig zu hundertundachtundzwanzig Christen und so weiter, bis aus der kleinen Jesusbewegung eine Gemeinschaft von Kirchen und Gemeinden und Gruppen geworden ist, zu der sich weltweit mehr als eine Milliarde Menschen zählen. Sie alle bekennen sich zu dem Gott, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat.

Ganz so einfach war es dann doch nicht, und die Kirchengeschichte zeigt, daß die Ausbreitung des Christentums auch ihren Preis hatte: Das Schneeballsystem besaß Lücken, dazu kamen eine Reihe von bitteren Kirchenspaltungen und -trennungen, Häresien und rechthaberische Glaubenskämpfe, Bekenntnisstreitigkeiten und unerbittliche dogmatische Kontroversen. Sie alle erwiesen sich als Hindernisse für die Ausbreitung des Glaubens.

Aber davon konnte die ersten Christen nicht einmal im Traum etwas ahnen. Sie waren mit ganz eigenen, beschwerlichen Hindernisse konfrontiert, die sich gleich zu Anfang auftürmten. Daß ein Toter wieder unter den Lebenden wandelt - völlig unglaubhaft!

Wer die anderen Auferstehungsgeschichten aus den Evangelien kennt, der gewinnt beim Hören des Evangelienabschnitts den Eindruck, hier werde zu einem Protokoll zusammengefaßt und geordnet. Im Markusevangelium wird erzählt, daß der Auferstandene Maria Magdalena erscheint, aber nicht mehr als einen Satz lang. Aber dahinter versteckt sich mehr, die Geschichte einer anfangs von Trauer geplagten, später von Begeisterung erfassten Frau.

Ausführlicher findet sich diese Geschichte beim Evangelisten Johannes (Joh 20): Maria sucht die Grabstätte auf und entdeckt das geöffnete Grab. Zuerst meint sie, der Leichnam Jesu sei umgebettet worden. Und ihre Trauer vergrößert sich nochmals.

Deswegen spricht Maria die Person, die ihr entgegenkommt, auch zuerst als Gärtner an. Wer anders als ein Friedhofsbediensteter könnte den Grabstein von der Höhle weggerollt haben? Aber, so erzählt es Johannes, der Fremde ist nicht der Gärtner, sondern Maria erkennt ihn als ihren früheren Lehrer.

Johannes schenkt diesem einen Moment des Erkennens große Aufmerksamkeit. Maria Magdalena muß traurig und enttäuscht gewesen sein. Desto höher ist ihr Mut zu bewerten, nicht wie die anderen Jünger zu fliehen, sondern noch einmal zum Grab zu gehen und dort zu klagen und zu beten. Diese ganze Trauer, diese Enttäuschung, auch die Angst und Verzagtheit, daß der, den sie als König des Reiches Gottes verehrte, hingerichtet worden war, diese Gefühle der Traurigkeit verwandeln sich in dem Moment, da sie überrascht und überwältigt den Auferstandenen (wieder-)erkennt.

Aus Trauer, Enttäuschung, Angst und Verzagtheit werden Begeisterung, Enthusiasmus, Freude, neu erwachtes Vertrauen. Und diese Umstimmung und Umorientierung geschieht in einem einzigen Moment. Maria Magdalena wird von dieser Begegnung so sehr und so gewaltig erfaßt, daß sie davon weitererzählt.

Damit erfüllt sie einen Auftrag des Auferstandenen, der mit ihr zwar gesprochen hatte. Er hatte sich zu erkennen gegeben, aber zugleich hatte er ihr die Berührung seines Auferstehungsleibs nicht gestattet hatte. Dieses Verbot sehe ich als ein Zeichen dafür, daß zwischen der Wirklichkeit der Welt und der Wirklichkeit der Auferstehung damals und heute immer noch eine Grenze besteht, die nicht überschritten werden kann. Sicher ist die Erzählung von Marias Begegnung mit dem Auferstandenen kein historischer Bericht. Aber genau so sicher spiegelt er eine Erfahrung wieder, welche vor allem die Frauen in Jesu Umkreis nach der Kreuzigung gemacht hatten. In Visionen erschien ihnen der, der gekreuzigt worden war. Offensichtlich lebte er auf eine besondere Weise weiter.

Diejenigen Jesusanhänger, denen der Auferstandene nicht in solchen Visionen erschien, mochten das nicht glauben. Und ich gestehe, ich habe für solchen Unglauben, Zweifel und Skepsis eine gewisse Sympathie.

Die verbliebenen elf Jünger Jesu werden zwar gescholten, aber ich mag die Berechtigung dieser Schelte nicht völlig einzusehen. Aber Jesus bleibt, als er den verbliebenen elf Jüngern erscheint , nicht bei seiner Schelte. Ihm gelingt es, die Skepsis seiner Jünger zur Begeisterung umzudrehen. Er sagt: Gebt diese Botschaft weiter, die ich euch verkündet habe. So wichtig ist diese Botschaft, daß sie nicht nur den Menschen gilt, sondern ausdrücklich „aller Kreatur", der gesamten Schöpfung. Genauso wie bei Paulus die gesamte Schöpfung „seufzt", so empfängt sie auch die gute Nachricht von der Auferstehung und der Erlösung.

Und diese Botschaft bleibt kein bloßes Wort: Mit der guten Nachricht verbinden sich Kraft und Energie, Hoffnung und Liebe. Die gute Nachricht ist mit Zeichen und Wundern verknüpft. Kraft und Hoffnung und Liebe sind so stark, daß sie in Krankenheilungen und anderen Wundertaten Gestalt gewinnen.

Dem Glauben, liebe Gemeinde, eignet eine verändernde, stärkende, Hoffnung machende Kraft, die nicht unterschätzt werden darf. Sie ist heute ebenso wirksam wie vor 2000 Jahren. Glaube - das ist der Wechsel von der Trauer über den Tod des Gekreuzigten hinein in die Begeisterung über die Auferstehung. Gott triumphiert über den Tod. Diesem Glauben haftet nichts Statisches, Feststehendes an, er geht nicht darin auf, daß der Glaubende bestimmte Sätze für unumstößlich wahr hält. Glaube ist eine Begeisterung, die in Bewegung setzt und in Bewegung hält, eine Hoffnung, die über den Tod hinausreicht, eine Haltung, welche sich mit der Härte und der Unumstößlichkeit der Fakten nicht abfindet, sondern stets damit rechnet, daß der barmherzige Gott den Menschen, die an ihn glauben - und nicht nur ihnen - beisteht.

Er steht ihnen genauso bei, wie er den Gekreuzigten vom Tode wieder erweckte. Das ist die entscheidende Botschaft. Manchmal ist das schwierig zu glauben, und die Botschaft stößt häufig auf Zweifel und Skepsis. Aber beim Evangelisten Markus läßt sich lernen, wie sich diese gute Nachricht mit Gottes Hilfe durchsetzt. Das ist die Kraft, aus der christliche Gemeinden leben und weben. Das ist die Kraft, die sie am Leben erhält. Amen.



PD Dr. Wolfgang Vögele
http://www.christuskirche-karlsruhe.de
E-Mail: wolfgang.voegele@aktivanet.de

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