Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Laetare, 14.03.2010

Predigt zu Johannes 6:24-35 (37), verfasst von Else Hviid

Gleich werden wir zusammen essen, und wir freuen uns wohl alle darauf. Es ist gut, zusammen zu essen, denn darin ist Gemeinschaft und Zunkunft.

            Aber wir halten die Dinge auseinander: wir haben zusammen einen Gottesdienst hier drinnen, und nachher essen wir zusammen dort drinnen. Denn obwohl die Mahlzeit in biblischem und also christlichem Zusammenhang immer auch religiöse Bedeutung hat, so ist es doch wichtig, deutlich zu machen, dass es nicht dasselbe ist, was hier drinnen geschieht und was dort drinnen geschieht. Dass das Religiöse und das Soziale zwei Seiten unseres Daseins sind, die nicht voneinander zu trennen sind, die aber auch nicht in einen Topf zu werfen sind.

            Hat die Mahlzeit wirklich religiöse Bedeutung?

            Das Gemeinschaftsessen spielt jedenfalls eine große Rolle in unserem Leben. In unserem privaten Leben, wo wir jeder für sich manche von den besten und größten Stunden mit bestimmten Mahlzeiten verknüpfen. Es ist eine allgemeine menschliche Erfahrung, glaube ich, und deshalb nimmt das gemeinsame Essen denn auch in unserer Kulturgeschichte, in der Literatur und in der Kunst einen bedeutenden Platz ein. Aber geradezu religiöse Bedeutung? Ja, die vielen biblischen Erzählungen von Mahlzeiten wollen uns jedenfalls lehren so zu denken.

            Und es gibt ihrer viele.

            In der Bibel wird auffallend oft gegessen und getrunken, und man wird nicht fertig, die Mahlzeiten zu zählen. Mehr als 700 Hinweise auf Mahlzeiten (Verweise auf Getränke und Brot nicht mitgerechnet) zeigen, dass Essen keine periphere Beschäftigung ist.

            Im Gegenteil, gemeinsames Essen ist eine bedeutsame und bedeutungsschwere Angelegenheit.

            Zum Einen weil die Mahlzeit an sich über das ganz Konkrete und Buchstäbliche hinausweist - nämlich auf Gemeinschaft, Zukunft, Vertrauen, Freundschaft. Zum Essen einladen bedeutet nämlich auch zu Gemeinschaft und zu Freundschaft einladen. Und zugleich ruft uns die Mahlzeit in Erinnerung, dass wir unter denselben Bedingungen leben. Es gibt etwas, was wir zum Leben nötig haben, was wir uns aber nicht selbst nehmen können.

            Die Bedeutung der Mahlzeit besteht daher zum Zweiten darin, "aufzudecken", dass wir deshalb nicht nur voneinander abhängig sind; es gilt auch für uns alle, dass wir eine abhängige Menschheit sind, und angesichts dieser Tatsache bleibt hier Raum für einen göttlichen Schöpfer.

            Die Mahlzeit vermittelt in der Bibel fast immer diese Erkenntnis. Sie erzählt von Gottes Vorsehung, manchmal ist die Mahlzeit sogar das Ergebnis von Gottes wunderbarer Vorsehung, wie z.B. während der Wüstenwanderung, wo Gott zuerst für ein Festmahl mit Wachteln und dann täglich für das lebensnotwendige Manna sorgt. Gott bleibt bei seinem Volk während der Wanderung, wo sie vollig abhängig von ihm sind.

            Im Neuen Testament erzählt das Wunder von der Speisung der Fünftausend dasselbe, hier gibt Jesus mirakulös der hungrigen Menge Brot zu essen.

            Konkret ist also die Mahlzeit eine unaufhörliche Erinnerung an Gottes tägliche Vorsehung und Fürsorge für Menschen und Tiere und außerdem ein Bild für die Abhängigkeit des Geschöpfs vom Schöpfer.

            Aber - drittens -  die Mahlzeit weist noch länger in die Zukunft, und darum geht es hier bei Johannes, wo das Essen die Teilnahme am Heil Gottes in Christus ist. Hier bei Johannes sagt Jesus es so: Ich bin das Brot des Lebens, und wer es isst, hat das ewige Leben. (Am allerdeutlichsten beim Abendmahl, bei dem die Gläubigen das Brot essen als eine symbolische Teilnahme am Tod Christi, 1. Kor. 11).

            Wie? Der Evangelist Johannes, von dem man nicht sagen kann, er schreibe ganz einfach, hilft uns trotzdem auf den Weg. Man muss in der Regel nach den großen Dingen in den kleinen Worten suchen, und so ist es auch hier. Das Wort in der Mitte - und das wichtigste Wort in der ganzen Erzählung für heute - ist das Wort "geben". Die Speise, die der Menschensohn euch geben wird.

            Das ist ganz zentral - und zugleich etwas vom Schwierigsten im Christentum. Dass Gott derjenige ist, der gibt, und wir diejenigen sind, die entgegennehmen. "Warum für etwas danke sagen, was wir selbst gekauft haben," wie einer unserer Söhne sagte, als wir sie zu einem Experiment mit Tischgebeten zwingen wollten.

            Es ist ebenso fast unmöglich, z.B. den Konfirmanden (und auch ihren Eltern) beizubringen, dass Glaube nicht etwas ist, was sie leisten sollen, sondern etwas, was sie entgegenehmen sollen. Wie es nachgerade auch schwer ist, dafür zu argumentieren, dass es ja gerade das Feine an der Oblate ist, dass sie so klein ist - und trocken, wenn man doch anderwärts einen großen Happen selbstgebackenes, saftiges Brot bekommt. Es liegt doch eine Pointe darin, dass wir gerade so wenig essen, dass niemand daran zweifeln kann, dass die Nahrung, die wir bei der Mahlzeit empfangen, weder unserer eigenen Erfindungsgabe und Kochkunst noch dem Bisschen Wasser und Mehl, aus dem die Oblate gemacht ist, zu verdanken ist und schon gar nicht dem kleinen Schluck "israelischen Kirchenweins" - sondern dass die Speise von IHM kommt, der uns seinen Leib und sein Blut gibt und uns damit sättigt.

            Diese genuin religiöse Mahlzeit gibt in all ihrer Kleinheit und Einfachheit nur Raum, dass dasjenige, was man nicht versteht oder selbst bewerkstelligen kann, dennoch stattfinden kann. Eine religiöse Mahlzeit, die selbstverständlich zum Verwechseln einer sozialen Mahlzeit gleicht, einem sozialen Ereignis, denn es sind ja auch andere dabei.

            Man spricht von einem Abendmahl aus "Qualitätszutaten". Ein ordentliches Brot - aus lange aufgegangenem Teig und saftig -, das sich brechen lässt, so wie Jesus es tat, und dazu ordentlichen Wein - und einen ordentlichen Schluck davon. Es muss zu schmecken sein, man muss daran kauen können, und es muss im Magen zu merken sein. Und das klingt ja alles sehr gut und verkauft sich auch gut.

            Wir sollen Gott huldigen und Sinnlichkeit in die Kirche bringen, heißt es, und das tut man dann. Gründonnerstag lädt man im ganzen Land zu einer Ostermahlzeit ein - mancherorts in der Kirche - zu gebratenem Lammfleisch, Brot, Oliven und gutem Wein.

            Kritiker nennen die Tendenz "Emmery-Christentum" oder Lebensstilchristentum, und ich selbst neige zu der Auffassung, dass man hier eher einem kleinbürgerlichen, ästhetischen Ideal von Speisen huldigt als dem Gott, von dessen Vorsehung und Fürsorge unser Leben abhängt.

            Nicht dass ich prüde wäre und etwas gegen gutes Essen und gegen Sinnlichkeit einzuwenden hätte. Ich backe selbst ein recht gutes, saftiges Brot, mit Teig, der lange aufgeht, und serviere es gern.

            Aber für den Gottesdienst und für die - religiöse Mahlzeit, die wir ab und zu hier einnehmen, sollen unser saftiges Brot, unser Einfallsreichtum und unsere Freigebigkeit und unsere Kochkunst es nicht schwerer machen, als es sowieso schon ist, Gottes Vorsehung in den Blick zu bekommen. Alle diese sonst so guten Dinge sollen nicht im Wege stehen, wenn es darum geht, dass die Mahlzeit auf Gemeinschaft und Zukunft hinweist, auf die Abhängigkeit des Geschöpfs vom Schöpfer, auf die Speise, die der Menschensohn uns geben will.

            Eine Mahlzeit ist mehr als nur Essen, ein Brot ist mehr als nur Brot. Ja, so denken wir in einem christlichen Zusammenhang. Helmut Friis bringt es sehr schön in seiner Nachdichtung des Vaterunsers zum Ausdruck in seinem Buch Die goldene Stadt.

            Über die fünfte Bitte, Unser tägliches Brot gib uns heute, schreibt er:

            "Gib uns - wir haben das Leben nicht, indem wir es nehmen, sondern indem wir es entgegennehmen; wir können die Sonne, die Sprache, das Lächeln, das Vertrauen, die Umarmung nicht nehmen.

            Heute - und nur für heute, nicht auch für morgen, in Scheuer und Scheune.

            Unser tagliches - d.h. notwendiges und nichts darüberhinaus. Wir wollen "unbekümmert" leben, direkt aus der Lebenslinie zu Dir, so dass deine Gaben Dich nicht verbergen (wie als Israel sich ungläubig sichern wollte, womit das Manna verdarb). Wir wollen sagen können "Gott befohlen".

            Brot - das lebensnotwendige, nicht das möglicherweise oder teilweise notwendige oder unnötige. Das Brot ist das Licht des Lebens, Brot ist Korn, Sprache, Antwort, Entgegenkommen von Pflanzen, Farben und Gesichtern. Brot ist das lebendige Brot."

            Hat die Mahlzeit religiöse Bedeutung? Ja, die Mahlzeit hat eine soziale Bedeutung, die alle kennen und schätzen. Und sie hat eine religiöse Bedeutung, die darüber hinausgeht. Und das macht weder die Mahlzeit noch das Leben als solches kleiner, sondern im Gegenteil größer.

            Im Brot wird die Erde mit dem Himmel verbunden, wird physisches Bedürfnis mit geistlichem Dank für das Geschenk des Brotes verbunden. Im täglichen Brot wird das Leben gefeiert, denn darin ist Ewigkeit. Das bedeutet, dass unser natürliches Leben so, wie es ist, gut ist. Es ist Segen darin, wir sollen es leben und ihm nicht versagen.

Amen



Pastorin Else Hviid
London
E-Mail: ehviid@googlemail.com

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


(zurück zum Seitenanfang)