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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Palmarum, 28.03.2010

Predigt zu Markus 14:3-9, verfasst von Margrethe Dahlerup Koch

Wonach riecht Glaube?

            Ja, nicht nach allzu viel. Jedenfalls nicht in unserem Teil der christlichen Kirche, wo wir im Großen und Ganzen alle anderen Sinne gebrauchen, nur nicht den Geruchssinn, wenn wir Gottesdienst halten. Unsere Augen und Ohren gebrauchen wir. Hier gibt es Musik und Wörter und Bilder. Beim Abendmahl benutzen wir den Geschmackssinn, und wenn wir um den silberenen Becher greifen oder wenn ein Mensch getauft wird und das Wasser über seinen Kopf gegossen wird, wird unser Gefühlssinn aktiviert.

            Aber die Nase halten wir meist zurück, wenn wir hier zu Lande in der Kirche sind. Weihrauch und ähnliches, deren sich andere christliche Gemeinschaften bedienen, ist kein Teil unserer Form des Gottesdienstes.

            Und eine solche geruchfreie Religion passt ja sehr gut in die heutige Zeit, wo es Leute gibt, die meinen, man sollte die Religion aus dem öffentlichen Raum heraushalten. Denn wenn es überhaupt etwas gibt, was aufdringlich und öffentlich ist, dann sind es Gerüche. Man kann etwas übersehen oder überhören, aber man kann nicht so tun, als ob ein Geruch nicht da wäre. Wenn einem etwas unter die Nase gerieben wird, kann man nicht so tun, als wäre nichts. Kopftücher, Kreuze und Kalotten in der Öffenlichkeit kann man verbieten. Aber für Gerüche kann meine nicht so einfach Grenzen setzen.

            Deshalb ist es eine Frau mit einem äußerst aufdringlichen Benehmen, der wir im heutigen Evangelium begegnen. Sie hält ihren Glauben nicht im Rahmen des Hausfriedens und also außerhalb der Öffentlichkeit. Nein, denn ihren Glauben kann man von weitem riechen. Und er duftet nach Nardenöl.

            Nardenöl ist ein Parfum. Das allfeinste Parfum, das es übrhaupt gibt.

            Es hat einen königlichen Duft, denn Nardenöl verwendet man, wenn man einen neuen König zu salben hat.

            Der Glaube der Frau an Jesus riecht also danach, dass sie glaubt, er sei König.

            Aber er duftet auch nach etwas Anderem. Denn Nardenöl verwendet man nicht nur für königliche Salbungen. Es wir auch von der Braut am Hochzeitstag verwendet. Sie braucht es nicht für sich, sonder für ihren Bräutigam. Nardenöl ist auch das Öl, das junge, unverheiratete Mädchen jener Zeit in Krügen sammeln - als eine Art Aussteuer. Denn mit dem angenehm duftenden Öl werden sie vor der Hochzeitsnacht ihren Bräutigam salben.

            Wenn eine Frau einen Mann mit Nardenöl salbt, ist das m.a.W. ein normalerweise recht privater Teil eines Hochzeitsrituals.

            Nardenöl hat einen starken und durchdringenden Duft von Liebe und Hingabe.

            Deshalb ist es ein ziemlich peinlicher Auftritt, wenn die Frau dort mitten im Herrenfrühstück bei Simon Jesus salbt. Es duftet weithin nach einer Intimität, die nicht in die Öffentlichkeit gehört. Die Leute sind wegen der Frau und ihrer offenkundigen Werbung und Liebeserklärung zu Jesus peinlich berührt.

            Und wenn etwas peinlich ist, ja, dann reden wir ganz schnell von etwas anderem. In diesem Fall greifen Leute zu dem naheliegenden Thema, das nicht riecht: nämlich Geld.

            "Dieses Öl hätte man verkaufen und das Geld den Armen geben können."

            Aber Jesus antwortet: "Die Armen - die habt ihr allezeit bei euch." "Allezeit" - weil die moralische Empörung und die soziale Indignation eigentlich nicht tiefer stecken als der Griff in die eigene Tasche oder Geldbörse, der der erste Schritt ist, um etwas gegem soziales Unrecht zu tun.

            "Die Armen - sie sind immer da und werden immer da sein, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun," sagt Jesus, "aber mich habt ihr nicht allezeit."

            Dies hat die Frau verstanden, und dies veranlasst sie zu ihrem Handeln. Etwas muss getan werden. Hier und jetzt. Koste es, was es wolle. Die Tat der Liebe kann nicht auf eine andere Gelegenheit warten oder in kaltes Bargeld umgetauscht werden.

            Der Glaube der Frau duftet. Nach Nardenöl. Nach Liebe und Hingabe.

            Und Jesus beantwortet und verteidigt ihren Glauben: "Sie hat getan, was sie konnte."

            Die anderen - die Männer rund um den Tisch - denken eifrig aus, was die Frau hätte tun sollen und können.

            Jesus antwortet ihnen: "Sie hat getan, was sie konnte." Und der Glaube soll weder weniger noch mehr als dies tun. Das ist alles. Und es ist genug.

            "Überall, wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat." So beendet Jesus die Diskussion, und damit zeigt er plötzlich auf uns, die wir heute hier sitzen und die Geschichte wieder hören. Auf sonderbare Weise werden wir durch diesen Satz in das Evangelium hineingenommen. Und die Frau, die anonyme Frau, von der wir im Markusevangelium weder vorher oder nachher etwas hören, wird plötzlich neben uns gesetzt - als ein zu allen Zeiten gültiges Bild dessen, was der Glaube ist, und was er tut.

            "Sie hat getan, was sie konnte," - das ist es, was man zu ihrem Gedächtnis sagen soll. Nicht große, wunderbare und phantastische Taten, - ihre Tat änderte gar nichts. Sie bewirkte kein Wunder und sie verhinderte nichts. Aber der Frau soll um des einen Willen gedacht werden: dass sie treu war - dass sie tat, was sie tun konnte.

            Heute ist Palmarum. Die stille Woche mit ihrem Leiden, Verrat, Leugnung und Tod beginnt heute. Jesus ist auf dem Weg zum Grab. Nichts kann das verhindern. Von jetzt an breitet sich die Finsternis aus, um am Sonnabend alles einzuhüllen, an dem merkwürdigsten Tag des ganzen Kirchenjahres, an dem Jesus weg ist, tot und begraben, niedergefahren in die Finsternis und in das Grauen des Totenreichs und der Hölle.

            Aber vor all dem Furchtbaren tut die Frau, was sie kann. Sie kann Leiden und Tod nicht verhindern, aber sie kann die Taten der Liebe tun.

            Die Frau, die tut, was sie kann, als sie Jesus salbt und ihm ihre Liebe und Hingabe zeigt, - sie kommt den Frauen zuvor, die nächsten Sonntag, am Ostermorgen, zum Grab gehen, um Jesu Leiche zu salben.

            Auch die Frauen haben getan, was sie konnten. Nach aller Grausamkeit, Demütigung und Leiden herrscht das Schweigen des Todes. Und sie haben getan, was sie konnten: Sie haben den Toten in ein Tuch gewickelt und ihn begraben. Sie haben an der Liebe und Fürsorge für den Toten festgehalten. Am Ostermorgen sind sie unterwegs zu dem Grab mit ihren Ölkrügen, um die letzte Liebestat an ihm zu tun.

            Aber da ist keine Leiche zu salben.

            Denn Gott hat auch getan, was er kann.

            Jesus konnte nicht im Grab gehalten werden. Er konnte nicht weggesteckt und vergessen werden. Die Geschichte von ihm geht noch immer um und hat Gültigkeit. Denn die Liebe, mit der er liebte, - die Liebe, die sich selbst hingab, koste es, was es wolle, - die Liebe, Jesus war stärker als der Tod. Und deshalb gedenken wir auch immer noch der Frau und ihrer Liebentat.

            Wie riecht Glaube?

            Jedenfalls nicht muffig und altgeworden. Jedenfalls nicht steril und wie gescheuert und schön, korrekt. Denn der Glaube ist Glaube an ihn, der sich selbst hingegeben hat, koste es, was es wolle, und der Grenzen, Gesetze, Höllentore und Gräber gesprengt hat, damit zu sehen, zu hören, zu schmecken und zu riechen war, dass Gott so ist und dass Gott so handelt.

            Wie riecht also der Glaube? Vielleicht wie ein Frühlingsmorgen, an dem der Duft von Blumen, regennasser Erde und von der leisen Spur von Salz, den der Südwestwind vom Meer mitbringt, einen die Luft verschwenderisch genießen lässt, und man es nicht für sich behalten kann, sondern es dem nächsten Menschen, dem man begegnet, sagen muss: "Mmmh, kannst du es riechen? Jetzt kommt der Frühling."

Amen



Pastorin Margrethe Dahlerup Koch
Tim (Dänemark)
E-Mail: mdk@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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