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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Exaudi, 16.05.2010

Predigt zu Epheser 3:14-21, verfasst von Michael Nitzke

14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater,15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden,16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,17 dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.18 So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist,19 auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.20 Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt,21 dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Liebe Gemeinde,

für viele von Ihnen ist es ein beruhigendes Gefühl wieder in Ihrer Kirche sitzen zu können. Es ist ein vertrautes Gefühl. Viele von Ihnen haben auch so ungefähr Ihren Platz an dem Sie immer sitzen. Obwohl schon lange keine Messingschilder mehr den Familiennamen verkünden gibt es doch so etwas wie ein Heimatgefühl in einer bestimmten Kirchenbank. Schön wieder da zu sein.

Ich sage das deshalb, weil es einem in der letzten Zeit passieren konnte, dass man in der Kirche keinen Platz bekommen hat.

Ja durch die Feier der Konfirmationen, gab es in vielen Kirchen das für uns heute seltene Gefühl, dass es schwer ist einen Platz in der Kirche zu bekommen. Und da viele das wissen, haben Sie auch gerne den Platz den Konfirmationsfamilien überlassen und sind zu Hause geblieben.

Aber dadurch haben Sie eine kleine Geste des Glaubens nicht sehen können, die doch so selten ist in unserer Kirche.

Ich rede vom Knien. Paulus tut es auch im Predigttext:

14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater,15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden

Diesen christlichen Brauch erleben wir also nur selten in unserer Kirche. Und er ist scheinbar so ungewöhnlich, dass wir ihn mit den Konfirmanden auch extra geübt haben.

Vor einer Konfirmation treffen wir uns immer zur sogenannten Knieprobe. Natürlich wird dabei auch noch anderes geübt. Wo man steht, wann man dran ist, aber das Knien hat doch dieser ganzen Angelegenheit den Namen gegeben. Sicherlich auch deshalb weil eben dieser Brau so ungewöhnlich ist.

Wir können das Knien wohl nicht aus uns heraus. Da gibt es ja auch verschiedene Möglichkeiten: Sitzt man auf den Fersen, oder ist der Körper aufgerichtet und nur die Knie sind gebeugt? Ich empfehle immer das letztere. Es erfordert vielleicht mehr Anstrengung, aber darum geht es ja auch beim Knien. Aus unserer Bequemlichkeit sollen wir in eine andere Position gebracht werden, wir sollen uns kleiner machen als wir sind vor der Größe Gottes. Und wenn wir dann kleiner sind merken wir, dass es gar nicht so einfach ist, wieder die alte Größe anzunehmen. Ja, auch für die sportlichen Jugendlichen ist es ein schwieriger Akt aus der knienden Position wieder in die aufrechte zu kommen. So ungewohnt ist uns diese Haltung.

Und bis man die neue erworbene Fähigkeit das nächste Mal wieder braucht, bis dahin dauert es bei den Konfirmanden sicherlich noch etwas, denn da fällt mir als Anlass nur die Hochzeit ein.

Auch dabei fallen Menschen auf die Knie. Sie machen sich klein vor der Größe Gottes. Denn darum geht es nicht etwa um eine Knien vor dem Pastor, wie mancher vermuten könnte, der sich nicht auskennt. Denn von den wenigen Anlässen bei denen ein evangelischer Christ offiziell kniet hat der Pastor noch mindestens einen mehr: nämlich die Ordination, die Unterordnung unter die Gebote Gottes und die Einfügung in die Ordnungen seiner Kirche.

Es ist also Gott und seine Gemeinschaft vor der wir uns kleiner machen.

Das Beugen der Knie war in biblischen Zeiten wie auch das Niederfallen ein Zeichen der Huldigung und Unterwürfigkeit.

Und dies tun wir nur Gott gegenüber, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden.

Im Protestantismus wird also relativ wenig gekniet. In anderen Konfessionen wird dieser Brauch häufiger geübt. Am besten erkennen wir das bei unseren katholischen Schwestern und Brüdern. Und es gibt bei ökumenischen Begegnungen auch oft eine Unsicherheit. Darf ich den nun als Evangelischer auch knien oder wird es gar von mir erwartet. Oder soll ich nicht lieber stehen bleiben, um zu zeigen, dass ich evangelisch bin.

Es ist sicherlich kein  Ruhmesblatt möglichst wenig zu knien. Denken wir einmal an die Menschen, die ihren evangelischen Glauben in Zeiten der Verfolgungen lange bewahrt haben. An die Christen in Russland und anderswo. Sie haben oft nicht  verstanden, warum wir uns so wenig herablassen. Und neben anderen Punkten ist auch dies sicherlich ein Grund, warum sich viele von ihnen anderen christlichen Gemeinschaften zugewandt haben. Denn Sie kennen auch den Brauch, beim Abendmahl niederzuknien, wie er auch noch heute bei manchen evangelischen Gemeinden bewahrt wird.

Und bei solchen Auseinandersetzungen, bei denen uns selbst ein Spiegel vorgehalten wird, fragen wir uns dann, warum wir dies und jenes tun oder lassen. Wollen wir nicht unterwürfig sein?

Diese Frage ist vielleicht auch zu pauschal.

Man muss wissen wann! Und warum? Dann ist manches was man vielleicht sonst erst üben muss auf einmal die selbstverständlichste Sache der Welt.

So wie der  Kniefall des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, der damit Anfang der siebziger Jahre

vor dem Warschauer Ghetto, das tat, was knien bedeutet: sich selbst kleiner machen.

Er fiel auf die Knie vor denen, an denen das Volk, das er vertrat, schuldig wurde. Das war weiß Gott nicht selbstverständlich aber sicherlich nicht geübt.

Wenn wir als Christen Knien, dann tun wir das auch im Bewusstsein unserer eigenen Schuld und wir tun es vor dem, der die Macht hat unsere Schuld von uns zu nehmen.

Wenn ich mich niederknie, drücke ich aus, dass ich dankbar bin. Viele halten dass aber für einen alten vergessenen Brauch. Doch ein Brauch gibt auch Halt, er gibt mir den nötigen Rahmen, um meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Und dieser Rahmen, hilft auch anderen sie besser zu verstehen. Knien ist ein Zeichensprache, und sie wirkt über alle Grenzen hinweg. So kann auch aus einem alten Brauch etwas ganz neues werden, wie Brands Geste zeigte. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden."

Knien ist auch ein etwas ganz besonderes, ein sparsames Zeichen, gerade weil es ein seltenes Zeichen ist. Vor wem ich knie ist meine Entscheidung. Dieses Entscheidung treffe ich in meiner eigenen Freiheit. Wer mich auf die Knie zwingen will, tut mit Gewalt an. Wenn ich freiwillig auf die Knie gehe, dann zeige ich auch Größe, obwohl ich mich äußerlich klein gemacht habe. Und da ich vor Gott Knie zeigt er mir damit auch, dass er mir dieses Größe ermöglicht hat.

Wer kniet zeigt innere Stärke. Jesus kniet in Gethsemane nieder (Lk 22,41), er ist allein gelassen von seinen Freunden, und fürchtet sich, aber dennoch hat er die Stärke zu sagen, „doch nicht, was ich will, sondern was du willst!" (Mk 14,6).

Dietrich Bonhoeffer betet direkt vor seiner Hinrichtung und kniet dazu nieder. Der KZ-Arzt von Flossenbürg schrieb sich später von der Seele, welche innere Stärke er bei diesem Mann erlebt hat, den er zuvor nicht kannte. „Die hingebungsvolle und erhörungsgewisse Art des Gebets dieses außerordentlich sympathischen Mannes hat mich auf das tiefste erschüttert." (Eberhard Bethge, Dietrich Bonhoeffer, München 1967, S. 1038)

Liebe Gemeinde, ich will nun nicht das Knien wieder in jedem Gottesdienst einführen, wichtig ist ja nicht das äußerliche, sondern das, was damit gemeint ist, wichtig ist, was in unserem Herzen vorgeht. SO sagt es auch der Text, wichtig ist: dass  Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe  eingewurzelt und gegründet seid.

Auch das Herz ist nur ein Symbol. Doch mit unseren Maßstäben können wir nicht ermessen, was Gottes Liebe ausmacht. Paulus versucht das deutlich zu machen, er kennt unseren Vorstellungshorizont und bewusst greift er auf, was wir verstehen: So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist,19 auch die  Liebe Christi erkennen, aber können wir sie wirklich erkennen? Der Text sagt es, Gottes Liebe ist eine Liebe, die alle Erkenntnis übertrifft. Doch auch wenn wir sie nicht verstehen, sollen wir Anteil haben an ihr, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.

So können wir seine Liebe nur annehmen und für sie dankbar sein. Und unserer Dankbarkeit mit dem Gebet Ausdruck geben.

So ist auch der Teil des Epheserbriefes, der heute unser Predigttext ist, selbst ein Gebet.

Ein Gebet kann man nicht analysieren, man kann es nicht predigen, aber man kann es verinnerlichen, damit es dann wieder aus uns heraussprudelt, dass wir gar nicht anders können als beten und danken und für andere beten.

Die Situation zwischen Himmelfahrt und Pfingsten zeigt uns besonders worum es geht. Nämlich um die Angst zu überwinden, auf sich allein gestellt zu sein. Die Jünger nach der Himmelfahrt hatten diese Angst und zogen sich in Ihrer Häuser zurück, das ein Pfingsttag kam, war ihnen noch nicht bewusst.

Erinnerten sie sich vielleicht doch an das, was Jesus gesagt hatte: Wenn aber der  Tröster kommen wird,  den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. (Joh 15,26) Wir haben diese Worte in der Evangelienlesung gehört.

Die Erinnerung und die Hoffnung auf diesen Tröster ist auch in unserer Zeit das wichtigste. Denn auch wir scheinen uns manchmal in unsere Häuser zurückzuziehen und vergangenen Zeiten nachzutrauern.

Darum brauchen wir Ermutigung zum Glauben und auch Ermutigung, den Glauben zu artikulieren. Und diese Ermutigung erhalten wir durch das Beten.

Und Paulus zeigt uns in seinem brieflichen Gebet wie Beten geschehen kann. Er betet für andere, für die Gemeinde, an die er schreibt.

Eine Gemeinde die sicherlich genauso zwischen Ostern und Pfingsten stand wie viele Kirchen und Gemeinden heute auch. Die Auferstehungsfreude wird langsam zur Normalität und das was noch kommen soll ist noch nicht zu erkennen.

Wenn Pfingsten als Geburtstag der Kirche verstanden wird, dann heißt das, das wir noch viel vorzubereiten haben für das Geburtstagsfest.

Gemeinsam Kirche werden. Zu einer Gemeinschaft derer werden, die sich vor Gott kleiner machen. In der Liebe Gottes Wege zur Gemeinsamkeit suchen.

Solche Gemeinsamkeit ist heute wichtiger denn je, denn Kirche hat viele Spielarten.

Und so wie man erkennt, dass manche öfter knien und manche nicht so oft knien, so erkennen wir, dass manche verschiedene Wege gehen um zum Glauben und zu Gott zu kommen.

Wichtig ist, dass wir Raum finden gemeinsam diese Wege zu gehen, dass in der Breite, Höhe und Tiefe genug Raum ist für den anderen. Und noch wichtiger ist, dass wir wissen und nicht vergessen, dass wir in diesen Raum gemeinsam gehören.

Denn was uns verbindet ist der Glauben an die Liebe, an die Vergebung und die Auferstehung.

Dieser Glaube lässt uns beten, beten für uns, die wir lernen müssen mit anderen zusammenzuleben, beten für unsere Konfirmanden, die ihren Weg zum Glauben finden müssen, für Paare die vor dem Altar knien und für die Menschen die den Weg ins Reich Gottes schon angetreten haben.

Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt,21 dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Amen.



Pfarrer Michael Nitzke
Dortmund
E-Mail: michael.nitzke@philippusdo.de

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