Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

5. Sonntag nach Epiphanias, 06.02.2011

Predigt zu Jesaja 40:12-25, verfasst von Jorg Christian Salzmann


                                                                                      I

Die neuen Kleider des Kaisers sind da - glaubt er jedenfalls. Die schlauen Schneider haben ihm weisgemacht, dass er die eleganteste Mode überhaupt trägt. Zwar könne jemand, der zu dumm ist, sie nicht sehen, aber der Kaiser sehe ja selbst, wie schön ihre Arbeit geworden sei. Alle nun müssen sie sagen, wie wunderbar die Kleider sind, und jeder denkt, dass es ja auch so sein muss, weil alle es sagen. Erst als ein Kind ruft: „Aber er ist ja ganz nackt!", da ist der Bann gebrochen.

Von solch durchschlagender Wirkung müssen die Worte des Propheten gewesen sein. Alle glaubten sie, dass die Götter Babylons die größte Macht haben. Ja, Israel hatte es selbst erlebt, so meinten sie, wie sein eigener Gott im Krieg versagte und sie in die Gefangenschaft mussten. Groß sind die Götter Babylons, prächtig anzusehen, ehrfurchtgebietend stehen sie da in ihren Tempeln. Das macht schon was her! Da kommt der Prophet und beschreibt einfach nur, wie die Götterbilder gemacht werden. Verschiedene Handwerker machen sich an die Arbeit, werkeln, gießen, feilen und feilschen. Wenn es zur Luxusvariante nicht reicht, dann muss eben ein Holzklotz her, nur wackeln sollte das gute Stück nicht. Gutes Handwerk eben, aber mehr auch nicht. Von Menschen gemacht - und keine göttliche Macht!

Trotzdem, unverfroren muss man schon sein, so etwas mitten im Land der babylonischen Götter zu sagen. Und es ist eine starke Botschaft, wenn nun noch behauptet wird: Der Gott der Verlierer, der Gott Israels, ist der eigentliche Gott; er hat die wahre Macht, ja er hat sogar unermessliche Macht. So hoch thront er über der Erde, dass die Menschen nur ein Ameisengewimmel sind für ihn; ein göttlicher Atemzug, und schon sind ihre Mächtigen entwurzelt.

Unverfroren ist die Behauptung in Babylon, dass der Gott Israels alle Macht hat und die babylonischen Götter nichts tun können; und doch ist das die lebensrettende Erkenntnis für Israel.


II

Die Götter sind machtlos; unser Gott hingegen hat alle Macht. Das sind zwei Seiten einer Medaille, deren einer wir uns jetzt zuwenden wollen: die Machtlosigkeit der Götter.

Mit fremden Göttern und ihren Bildern haben wir in unserm Alltag nicht mehr so viel zu tun; aber an ihre Stelle sind, so können wir sagen, moderne Götter getreten. Die allerdings scheinen gar nicht so machtlos.

Gehen wir einmal durch unsere Straßen. Da finden wir überall Bilder, die uns einladen in die Tempel des Gottes „Geld und Konsum". Zu Scharen folgen die Menschen dieser Einladung, und wir selber laufen wohl auch mit. Hell ist es in so einem Konsumtempel und warm, Musik ertönt, und an allen Ecken wird dir das Glück versprochen: Kauf mich, dann wirst du wieder jung; gib Geld aus, dann hast du Erfolg; reih dich ein, dann gehörst du dazu. Wenn du ein Handy brauchst, dann nicht irgendeins, sondern genau dieses, sonst bist du out. Kauf ein, das Glück ist dein. - Ein machtloser Gott?

Noch mächtiger will uns ein anderer Gott scheinen: der Mensch selbst. Es scheint erfolgversprechend zu sein, das Wörtchen „Ich" möglichst viel in der Werbung auftauchen zu lassen. Es dreht sich alles um dich. Du musst gesund bleiben und kannst so viel dafür tun. Es wird Zeit, dass du nicht immer nur an andere denkst. Erst komme ich; das gönne ich mir.

Oder anders, wir glauben, dass der Mensch alles kann: die Natur beherrschen, das Leben verlängern, das Morgen absichern, das Leben in den Griff kriegen, die heile Welt gestalten. - Der Mensch, ein machtloser Gott?

Worauf könnte der Prophet seinen Finger legen, um zu zeigen, dass auch unsere Götter wie Geld und Konsum oder der Mensch als Gott eigentlich keine Macht haben? Unsere Welt wird doch beherrscht von ihnen, jedenfalls zu großen Teilen.

Der Spott des Propheten könnte zum Beispiel Menschen treffen, die so tun, als seien sie immer noch jung, und doch findet sich kaum noch etwas an ihnen, das nicht künstlich nachgebessert, aufgehellt oder gar ersetzt ist. Oder er könnte einen Werbespot drehen mit der todtraurigen Miene eines Menschen in Nahaufnahme, der doch angeblich alles hat. Ja, er könnte uns schließlich auch einfach einen Menschen zeigen, den mitten im Leben ein Herzschlag ereilt und der stirbt; da bleibt nichts mehr übrig von seinem gottgleichen Wesen.


III

Unser Gott dagegen hat alle Macht; der Prophet wird nicht müde, das zu besingen. Ja, Gott selbst lässt durch ihn sagen: Mit wem wollt ihr mich denn vergleichen, dem ich gleich sein sollte? Die Menschen im babylonischen Exil werden daran erinnert, was sie längst schon wissen: Dieser ihr Gott ist der Schöpfer aller Welt, und seine Macht ist unermesslich groß.

Das steht für sie allerdings in merkwürdigem Kontrast zu ihrer Lage. Sie sind immer noch in der Verbannung, den Krieg haben sie verloren, der Tempel in Jerusalem ist weit weg, und zerstört ist er auch. Warum zeigt sich Gott nicht in seiner Macht? Kann man das denn wirklich glauben, dass er die Welt in seinen Händen hält, wenn es so aussieht in der Welt?

Man könnte ja glauben, dass es Gott egal ist, wie es uns geht. So weit oben thront er über uns, dass ihn das Gewimmel da unten gar nicht weiter interessiert. Wie soll man da noch das Lob des Schöpfers singen?

Das geht eigentlich nur, wenn man sich ganz sicher sein kann: Gott ist auf meiner Seite; er meint es gut mit mir, er meint es gut mit uns. Genau das bekommt Israel im Anschluss an unser Predigtwort zu hören, und genau das müssen wir mithören, wenn wir von Gott in seiner Erhabenheit und Macht erfahren. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden und die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, das ist das Ziel der großen Worte von der Macht Gottes.

Genau dann also, wenn wir merken, dass wir so gar nicht gottgleich sind, genau in unserer Ohnmacht erreicht uns das Wort von Gottes Macht als Trostwort, weil Gott für uns ist. Er hat sich Israel versprochen, daran lässt er sein Volk erinnern; er hat sich uns versprochen durch Jesus Christus.

Die Machtlosigkeit von Jesus am Kreuz scheint der Macht Gottes zu widersprechen, so wie die Lage der Israeliten damals in Babylon alles andere als hoffnungsvoll aussah. Seine Treue zu uns aber ist stärker als der Tod. So ließ er Israel damals sagen: Ich richte euch wieder auf. Und so lässt er uns die Versöhnung verkünden: Der Tod, in den Jesus ging, das ist eigentlich unser Tod, und so hat er uns frei gemacht für ein Leben mit Gott.


IV

Golden glänzen die Götzen, unermesslich scheint die Macht des Geldes und die Macht der Menschen. Gott allein aber hat die wahre Macht, daran hat er uns heute erinnert. Er thront erhaben im Himmel, während die irdischen Mächte am Ende nackt dastehen werden, wie Trug und Augenwischerei. Der lebendige Gott aber ist auf unserer Seite, der auferstandene Herr nimmt uns auf in das Leben der Ewigkeit. So hören wir den Propheten rufen und lassen uns erinnern: Wisst ihr denn nicht, habt ihr nicht gehört? Die Götzen können nichts ausrichten, sie sind nur Menschenwerk. Wisst ihr denn nicht, habt ihr nicht gehört? Von Anbeginn der Erde ist es so: Der Herr hat die Macht. Diese unermessliche Macht aber hat sich dir versprochen, sie will das Leben und nicht den Tod. Wisst ihr nicht, habt ihr nicht gehört? Von Anfang an ist's euch verkündigt. Hört ihr's? Amen, ja Herr, wir hören dich.



Prof. Dr. Jorg Christian Salzmann
Oberursel
E-Mail: dr.jchr@jmsalzmann.de

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