Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Lätare, 03.04.2011

Predigt zu Johannes 6:1-15, verfasst von Christian Grund Sørensen


Vielleicht lädt Gott uns ein, uns das entgehen zu lassen, was wir in Händen haben. Unsere Hände zu öffnen und das herzugeben, was uns Zuversicht und Leben gibt. Vielleicht stehen Sie oder ich eines Tages so da, wie der kleine Junge in der Wüste am anderen Ufer des Sees von Tiberias.

Vielleicht fühlen wir uns gerade weit weg von zu Hause, in der einen oder anderen Weise. Und dann hören wir, sehen wir, dass Bedarf besteht just für das besondere Vermögen, die besondere Sicherheit oder Zuversicht, die Sie oder ich haben. Und wir schaffen es, Vertrauen und Glauben wachsen zu lassen und unsere Marschverpflegung zur Verfügung zu stellen, sie Gott zu überlassen.

Das war nämlich das, was der kleine Junge im Text des heutigen Evangeliums tat. Er war Jesus gefolgt, zusammen mit der großen Menschenmenge, am Ufer des Sees entlang. Wie vom Rattenfänger zu Hameln war die Menge von Jesus angezogen worden, und sie sollten nicht enttäuscht werden. Es waren um die fünftausend Mann, ohne Frauen und Kinder, fügt Matthäus in seinem Evangelium hinzu.

Sie hatten sich um Jesus und sein Wort gesammelt, wie Mücken sich sammeln um ein Licht in einer Sommernacht. Sie waren so vertieft in das Wort des Lebens, dass sie die Zeit und den Ort vergaßen, und sogar ihren leeren Magen. Und hier ist nun völlig klar, dass von Dänen nicht die Rede gewesen sein kann: Man sagt, in Dänemark könne es keine Revolution geben, weil die Zeit zwischen den Mahlzeiten dafür nicht reicht.

Aber an jenem Tag auf dem Berg, am gegenüberliegenden Ufer des Sees von Tiberias, geschah eine Revolution. Eine Revolution in den Herzen vieler Menschen. Sie vergaßen Zeit und Ort. Sie saßen nicht in der Kirche und zählten die Birnen in den Kronleuchtern, bis schließlich die Zeit für den Kirchkaffee da ist. Sie waren gebannt von der guten Botschaft. Seltsamerweise hören wir im Text nichts darüber, wovon Jesus sprach. Aber sie begegneten Gott...

Es ging allmählich auf den Abend zu. Und es stellte sich heraus, dass die Jünger nicht viel anders waren als viele von uns Kirchenmenschen heute. Während Jesus dabei war, Leben und Sinn zu schaffen unter den Vielen, begannen die Jünger, sich Sorgen zu machen: Was sollen wir jetzt tun? Woher sollen wir zu essen bekommen? Es gibt hier weder einen Supermarkt noch McDonalds. „Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll!"

Ja, all die praktischen Sorgen können uns vollends vom Wesentlichen ablenken. Es ist, als ob wir ein Echo hören könnten von Martha und Maria und von Jesu Wort, das sie und uns konfrontiert: „Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt: das soll nicht von ihr genommen werden."

Und während sie sich sorgen und durcheinanderreden, müssen die Jünger feststellen, dass alles, was sie haben, das Pausenbrot eines kleinen Jungen ist. Fünf kleine Gerstenbrote und zwei Fische. Das war nicht viel, aber das war genug. Genug, wenn es gesegnet und geheiligt wurde durch die Hand des lebendigen Gottes.

Wir kennen ja den Fortgang der Geschichte und finden es ganz logisch, dass Gott ein gewöhnliches Schulpausenbrot ausreichend sein ließ für Tausende. So dass alle satt wurden und noch zwölf Körbe mit Brotstücken übrig blieben.

Ganz logisch, denn wenn Gott wirklich Gott ist, dann wird er weder durch die Naturgesetze eingeschränkt noch durch Erwartungen und vorgefasste Meinungen. „Denn bei Gott sind alle Dinge möglich" (Mt. 19,26).

Der Text des heutigen Sonntags handelt davon, dass Jesus die Jünger das Pausenbrot eines kleinen Jungen nehmen ließ. Sie nahmen es ihm nicht gewaltsam ab - so ist Gott nicht -, sondern sie nahmen es an, als Gabe.

Am Morgen hatte die Mutter des Jungen oder der Vater ihm Proviant für den Tag unterwegs mitgegeben. Mit Fürsorge und Liebe. Der Junge aber sah mit den Augen des Herzens, und er wagte es, die Gabe, die er selbst bekommen hatte und die er selbst hätte genießen können, abzugeben an Jesus.

Als sie dastanden und die Brote einpackten an diesem besonderen Morgen, werden sie sich kaum vorgestellt haben, dass ausgerechnet diese fünf Brote und zwei Fische von Gott gebraucht und 2000 Jahre später diskutiert werden würden. Dann hätten sie sich vielleicht mehr Mühe damit gemacht und noch etwas Leckeres dazugelegt...

Der Junge jedenfalls wurde satt, obwohl er gab.

Was sollen aber nun wir mit dem heutigen Evangelium anfangen? Nicht einmal das größte Maxi-Menü, das wir heute kaufen können, ist mit dem Wunder vergleichbar, das da geschehen ist. Hier gab es nicht alles für einen, sondern in Hülle und Fülle für viele.

Ich glaube, Gott gibt uns hier eine wichtige Lektion zu lernen auf. Darüber nämlich, das loszulassen, woran wir uns krampfhaft festhalten in unserem Leben. Und darüber, es Gott zu überlassen und Ihn es segnen zu lassen.

Als Pastor sitze ich im Vorstand eines der hiesigen Missionshäuser. Das Gebäude ist alt, inzwischen gut 100 Jahre alt, und das Geld war schon immer knapp. Kürzlich sprachen wir darüber, dass das Haus ein ästhetisches Update nötig hat. Im großen Saal blättert allmählich die Farbe von den Wänden. Aber woher soll das Geld dafür kommen?

Während wir das Problem diskutierten, erzählten Vorstandsmitglieder, wie es bei der letzten Renovierung des Hauses war. Es seien 2.000 Kronen in der Kasse gewesen, als man anfing. Dann habe man für 100.000 Kronen renoviert, und am Ende habe man noch eine von Rücklage 20.000 Kronen gehabt.

Von 2000 auf 20.000 Kronen. Zwölf Körbe voll.

Ich konnte es nicht lassen zu fragen, ob wir dann dieses Mal nicht den ganzen Schuppen renovieren sollten, damit wir vielleicht auch noch zu einem kleinen Guthaben kommen könnten...

Gott hat Macht - dies ist die Erkenntnis, die Jesus uns ein Stück weit erschließt. Nun gut, das ist nicht immer so einfach. Das wissen wir alle, und Jesus ja auch. Aber Gott ist imstande, das anzunehmen, was wir Ihm geben. Es zu segnen und es ausreichend sein zu lassen, so dass genug da ist.

Vielleicht sieht es nach nichts Besonderem aus. Jesus ist nicht der große Zauberer, dessen Abrakadabra einen ganzen Berg von Brot und Fisch herbeizaubert. Aber das Brot, das von Hand zu Hand weitergereicht wurde -unmerklich, unsichtbar und unbegreiflich wurde es zu einer Quelle der Fülle.

Gott kann segnen, was wir Ihm geben. „Lass dein Brot über das Wasser fahren; denn du wirst es finden nach langer Zeit", schreibt der Prediger (11,1). Das ist wie das Wort Jesu: „Wer sein Leben zu erhalten sucht, der wird es verlieren; und wer es verlieren wird, der wird es gewinnen." (Lukas 17,33).

Jesus kann die schmuddeligen Kohlenstücke nehmen, die wir in Händen halten. Und wenn Er sie in seine Hände mit den Nägelmalen nimmt, können sie sich verwandeln in Diamanten.

Es geht um mehr als um Butterbrotsdose und Einkaufstasche. Es geht um unsere Zeit, unser Engagement, unser Geld, unsere Zukunftsträume und all unsere vielen Möglichkeiten und Besitztümer. Sie gehören uns, und wie der verlorene Sohn dürfen wir mit den Talenten umgehen, wie wir wollen. Aber wenn wir wollen, können wir sie in Jesu Hände legen und Ihn bitten, sie zu segnen.

Heute bekommen wir einen Einblick in die Wirklichkeit Gottes. Speise für 5.000 Mann, ohne Frauen und Kinder (die ja immerhin auch eine Art Menschen sind...), - das ist kein Problem für Gott. Ein größeres Problem ist es da schon, dass wir bereit werden, Gott unser Proviantpaket zu geben.

Vielleicht lädt Gott uns heute ein, dass wir uns das entgehen lassen, was wir in Händen haben. Die steifen Finger zu lösen und das wegzugeben, was uns Zuversicht und Leben gibt. Vielleicht stehen Sie oder ich eines Tages so da, wie der kleine Junge in der Wüste am anderen Ufer des Sees von Tiberias.

Mit einer Gabe in unseren Händen, und wir können wählen, ob wir sie mit anderen teilen oder ob wir sie für uns selbst behalten.

Amen



Pastor Christian Grund Sørensen
Nørager
E-Mail: cgs@km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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