Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Sonntag nach Trinitatis, 01.07.2007

Predigt zu Johannes 8:3-11, verfasst von Rainer Kopisch

Liebe Gemeinde!

Das Interesse daran, was andere Menschen in ihren Beziehungen im Bereich von Erotik und Sexualität miteinander tun, scheint groß zu sein. Zeitschriften verdienen ihr Geld mit Berichten darüber. Sogar in Tageszeitungen finden wir Kontaktanzeigen, die Menschen sexuelle Kontakte anbieten.
Im Internet ist zu lesen:
In einem Bericht der Berliner Morgenpost über eine Veranstaltung im Zentrum der Liebe auf dem Kölner Kirchentag erfahren wir, dass dort lebhaft gestritten wurde um die Frage, ob Pornografie oder ein "One-Night-Stand" Sünde sind. Sex ohne Bindung zum Partner lasse sich nicht mit dem christlichen Glauben vereinbaren, sagte der Baptist Michael Rohde.
Ein One-Night-Stand sei zu respektieren, wenn er partnerschaftlich ausgehandelt wird, hielt der evangelische Theologe Harald Schroeter-Wittke dagegen.
Wir sind jetzt nah an der Geschichte, die Sie gleich zu hören bekommen.

Ich möchte jetzt den Predigttext Johannes 8: 3-11 Abschnitt für Abschnitt vorlesen und Sie bitten, auf Ihre Einfälle und Gefühle  zu achten. Seien Sie offen sich selbst gegenüber und hören Sie dabei auf die Stimme ihres Herzens.

„Joh. 8,3-11 nach Möglichkeit meditativ - nicht suggestiv lesen."

Ein Pfarrer, der eine Predigt zu dieser Geschichte vorbereitete, träumte, dass ihn eine Bischöfin in den Arm nimmt. Er fühlt dabei eine innige Geborgenheit, die ihn mit großem Glücksgefühl und vollkommener Freude erfüllt. Da er gelernt hat, mit Träumen umzugehen, weiß er, dass sein Traum etwas mit dem Predigttext zu hat und lässt sich von seinen Einfällen leiten.
Eines der großen Wünsche fast jedes Menschen seit der unfreiwilligen Aufgabe seiner embryonalen Geborgenheit bei der Mutter ist das Wiedererleben einer solch innigen Beziehung.
Die irrige Annahme, es könnte wieder so ein intimes inniges Einssein in einer Beziehung geben, kann für Menschen in Paarbeziehungen zum Verhängnis werden. Wenn sie feststellen, dass ihre Träume und Wünsche von ihrem Partner oder von ihrer Partnerin nicht erfüllt werden, sind sie enttäuscht. Den Grund für diese Enttäuschung suchen sie in der Regel nicht bei sich selbst. Sie geben die Hoffnung nicht auf, es müsse doch jemanden geben, der ihre Wünsche erfüllt.   

Das Problem kann noch größer werden durch eine andere für das spätere Erwachsenenleben gefährliche kindliche Erfahrung. Manchmal gibt es eine so enge Beziehung von Kindern und Eltern, die Kinder nicht rechtzeitig in die Eigenverantwortung führt, das heißt nicht erwachsen werden lässt. Diese Kinder haben es später schwer, als Erwachsene Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Sie neigen dazu, andere für ihre persönlichen Schwierigkeiten und Probleme verantwortlich zu machen und persönlich zu treffende Entscheidungen anderen zu überlassen.

Hanna Wolff schrieb 1978 in ihrem Aufsehen erregenden Buch, Jesus als Psychotherapeut, Jesu Menschenbehandlung als Modell moderner Psychotherapie, auf Seite 69: „Der Mut zur Selbstbegegnung, den Jesus als Therapeut fordert, ist dem Kern nach die spontane innere Zustimmung zu dem Spiegel seiner selbst, den das Unbewußte einem vorhält."
Sie leitet aus den Berichten der Evangelien über Jesu Umgang mit Menschen Regeln für den therapeutischen Umgang mit Patienten ab. Hier also die Notwendigkeit, Ängste in Kauf zu nehmen und einen mutigen Blick in den Spiegel zu tun, der da vorgehalten wird.

Jetzt sind wir mitten in unserer Geschichte. Jesus bringt die Schriftgelehrten und Pharisäer zur eigenen Betroffenheit. Sie schauen in ihr Herz und gehen, einer nach dem anderen, die Ältesten zuerst.
Früher als Kind hat mich die Frage beschäftigt: Was malt Jesus für Zeichen in den Sand? Mein Vater, der auch Pfarrer war, konnte sie mir nicht beantworten. Ich gebe zu, ich wüsste es nach wie vor gern. Zweifellos bringt das Zeichnen Jesu auf die Erde ordnende Ruhe in den höchst dramatischen Ablauf. Und es gibt den Rahmen für den großen Satz: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie."
Jesus bringt in dieser Geschichte Menschen durch das, was er tut und sagt, zur Begegnung mit sich selbst. Ihnen wird plötzlich bewusst, was wirklich in ihrem Inneren vor sich geht. Sie werden aufmerksam auf die Beweggründe ihres Tuns. Sie übernehmen die persönliche Verantwortung für ihr Inneres und ziehen persönliche Konsequenzen in ihrem Handeln.

 Als Jesus sich der Frau zuwendet, ist er seelsorgerlich liebevoll. Er hilft der Ehebrecherin, die schon den sicheren Tod und das qualvolle Sterben vor Augen hatte, sich mit der Situation vertraut zu machen. Durch seine behutsamen Fragen führt  er sie in die neue Wirklichkeit: Niemand hat sie verdammt. Jesus schließt sich den Männern, die mit den Füßen abgestimmt haben, offenbar an: „So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr."
Johannes berichtet im Anfang des Kapitels fünf von einer Krankenheilung am Sabbat. Jesus hatte einen Kranken, der 38 Jahre lang gelähmt war, geheilt. Im Nachgespräch zu dieser Heilung sagte Jesus zu dem Gesunden: „Siehe du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre." Es geht Jesus über die offensichtliche Heilung hinaus um das Heil eines Menschen, um das Heil-Sein, das die Gottesbeziehung einschließt.
Die Schriftgelehrten und Pharisäer sind von Jesus in einen solchen Heilungsprozess geführt worden und wie zur Bestätigung einzeln weggegangenen.
Die Ehebrecherin ist durch Jesu Wirken befreit, wir könnten auch sagen erlöst worden.
Ein Weg in einen Heilungsprozess mit guten eigenverantwortlichen Entscheidungen und zu einer ungestörten Gottesbeziehung ist ihr von Jesus eröffnet.

Jetzt möchte ich noch einmal zurückkommen auf die Zusammenhänge von unerfüllten Wünschen und Problemen in Beziehungen.
Da es zwei verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Familien sind, deren Träume und Wünsche zusammenkommen, sind in der Regel Enttäuschungen nötig, um wirklich zusammenzufinden. Das bedeutet, die eigene Täuschung als Täuschung anzuerkennen und sich um der gewollten Partnerschaft willen von unerfüllbaren Wünschen zu verabschieden. Dieser Abschied kann sehr schmerzhaft sein. Die Liebe gibt uns die Kraft und den Mut dazu. Die Mühe wird belohnt. Die Liebe zum geliebten Menschen findet neuen Raum.

Heute aber möchte ich Sie daran erinnern, dass Jesus Christus mitten unter uns und bei Ihnen ist.
Seine Kraft zum Heil und zum Segen ist gegenwärtig. Er wird Ihnen seine Kraft in Ihr Herz geben. Seien Sie offen und achten Sie auf die kleinen Zeichen seiner heilsamen Gegenwart in Ihrem Alltag.

Amen



Pfarrer i.R. Rainer Kopisch
Braunschweig
E-Mail: Rainer.Kopisch@gmx.de

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