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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christnacht, 24.12.2011

Predigt zu Jesaja 7:10-14, verfasst von Kira Busch-Wagner

 

Das unerfragte Zeichen: Gott mit uns

Gnade sei mit euch und Friede von dem der da ist und der da war und der da kommt.

 

Wir sind am Ziel. Alle Vorbereitungen der letzten Wochen haben ihr Ende gefunden.

Geistliche Vorbereitung über die unterschiedlichen Akzentuierung der vier Adventssonntage, durch das Ökumenische Hausgebet und die Andachten, über stille Besinnung oder gar Bibellese zu Hause, über die Gedanken zu den Losungen oder im Adventskalender, im Betrachten der Kerzen am Adventskranz oder durch das Singen und Hören der vertrauten Lieder.

Zu Ende gekommen sind aber auch die Einkäufe und Vorbereitungen zum Essen, die Auswahl und das Packen der Geschenke und Päckchen, das Schmücken und Richten, das Auswählen und Aufstellen der Tannenbäume.

Ein Ende genommen haben auch die Jahresabschlüsse und Statistiken, die letzten guten Vorsätze zum Ende des Jahres: die meisten Schreibtische sind abgeräumt, die Briefe versandt, die Akten geschlossen.

Wir sind am Ziel, sind in der Heiligen Nacht: der Kalender sagt es uns und die Uhr, das Fernsehen und das Handy. Auch dass es so ruhig geworden ist auf den Straßen und Plätzen ist uns ein Zeichen, dass Fenster erleuchtet sind und vielerorts auch die Friedhöfe bedeckt von einem Lichterheer. Das Essen steht auf dem Tisch oder wenigstens die Plätzchen liegen auf den Tellern. Die Kinder sind gekommen und die Schwiegereltern. Und wir sind zusammen gekommen zum Gottesdienst, die Geburt Christi zu feiern, dass das Wort Gottes Fleisch angenommen hat.

Wir sind zusammengekommen, die biblischen Verse uns ins Gedächtnis zu rufen: von Maria und Josef, dem Kind in der Krippe, von Bethlehem, der Davidsstadt und der Verheißung von Frieden auf Erden - der Weltlage zum Trotz,

Es mag manche geben, die wollen oder können so nicht oder nicht mehr feiern, nicht oder nicht mehr das Christfest begehen, haben kein Ziel für diese Nacht und die kommenden Tage und kennen dennoch vielfach die Zeichen dieser Zeit.

Das habt zum Zeichen, verkündet nach dem Evangelium des Lukas der Engel den Hirten. Danach richtet euch, wenn ihr dem Retter, dem Christus, dem Verheißenen Gottes entgegengeht: schaut nach dem Kind in der Krippe, schaut nach einem Kind, wo es eigentlich nicht hingehört, wo es nicht zu erwarten ist. Außerhalb der Herberge, aber bewahrt und geborgen, versteckt wie weiland der kleine Mose im Schilfkörbchen, eingefriedet einstweilen vor den Gefahren der Welt. Außerhalb der Herberge, aber gewickelt in Windeln, also versorgt, gehegt, gepflegt, umgeben von Liebe und Fürsorge in all der Gefährdung und Armut, in all der Zufälligkeit von Geburtstermin und Geburtsumständen. In all dieser Eigengesetzlichkeit eines Kindes und seiner Geburt, die unvermutet einsetzen kann, bei der bis heute nicht gänzlich klar ist, welche Prozesse die Geburt nun auslösen und steuern und den Übergang von vorgeburtlichem Leben zu nachgeburtlichem in Gang setzen. Wo immer noch unbekannt ist, welche Vorgänge die Abhängigkeit vom mütterlichem Leib und Kreislauf und seiner Versorgung und aus seinem Schutz hinüberführen zu einer Abhängigkeit von den Eltern, von ihren sozialen Fähigkeiten und denen ihrer Umgebung. Eine Abhängigkeit des Neugeborenen, die in guten Fällen zur Fürsorge auffodert. Wärme, Schutz, Nahrung, Berührung zu geben. Eine Abhängigkeit, die im schlimmsten Fall aber zum Tod eines Kindes führt, wir kennen das aus den Nachrichten, wenn das Elend einer Mutter oder gar beider Eltern, Elend eines Landes, einer Region durch Krieg, Verfolgung, Hunger, Naturkatastrophen, Obdachlosigkeit oder einfach durch seelische Überforderung der Eltern dazu führt, dass ein Kind seine Geburt nur um Stunden oder Tage überlebt. All das ist klingt mit an, wenn von Schwangerschaft und Geburt die Rede ist, zumal von überraschender, unvermuteter, zumal unterwegs, ohne Herberge und Heimat.

Das Kind aber, nach dem die Hirten suchen sollen, es mag wohl unvermutet hereingekommen sein in diese Welt, aber gleichwohl sorglich aufgenommen von seinen Eltern, gewickelt in Windeln, in die schützende Krippe gelegt, vielleicht mit Sorgen, aber voll Freude also empfangen.

Und wenn es auch den Hirten eine Unzeit sei, da sie doch des Nachts angetroffen werden, bei den Hürden auf dem Feld, mitten zwischen den Tieren ihrer Herden - wie die überraschten Eltern, so sollten auch sie sich ihren Zeitplan jetzt neu vorgeben lassen, um das Kind zu empfangen, seine Abhängigkeit, sein Ausgeliefertsein an diese Welt sehen, mitempfinden und zugleich sich mitfreuen. Die Hirten sollen eben jetzt, zu dieser unvermuteten Zeit, sich trösten und aufrichten lassen: Christus, der Retter, ist da.

Das habt zum Zeichen: Kind, Krippe und Windeln, unerwartet neues Leben; und gegen die Haltung, es geschehe zur Unzeit, ein freudiger, ein liebender Empfang

Die Predigtordnung in den deutschsprachigen evangelischen Kirchen erinnert uns mit ihrem biblischen Abschnitt für die Nacht, für den Scheitelpunkt, wo die Zeit der Erwartung sich wendet zum Feiertag, zum Christfest, zur wochenlangen Festzeit, Predigt und Predigtordnung erinnern an eine weitere Zeichengeschichte. Eine, die auch unerwartet auftaucht und umsomehr auf guten Empfang harrt. Eine die unvorhergesehen geschieht und und unerwartet Rettung verheißt. Lassen Sie uns hören auf Verse aus den ersten Kapiteln des Jesajabuches.

Aus dem 7. Kapitel, die Verse 10-14. ....(Verlesung des Abschnitts)

Manche Stichworte sind uns aus den Weihnachtsgeschichten vertraut, sowohl denen nach Lukas, als auch denen nach Matthäus. Da gibt es den Zusammenhang mit dem Geschlecht Davids, dem eben die Könige Judas, unter ihnen auch Ahas, angehören. Da gibt es die Jungfrau, das Mädchen, die junge Frau - ihre einstweilen noch ganz unvermutete Schwangerschaft - die bevorstehende Geburt eines Sohnes, eines Hoffnungsträgers, eines, der Zukunft und Leben kommender Generationen verheißt - und was ihm namentlich zugeschrieben wird und mit seinem Erscheinen stets aufs Neue präsent ist: Immanuel - Gott mit uns! Nicht König, Ritter, Teufel, Tod. - Gott ist mit uns, Gott sei mit uns, Gott war mit uns und wird es sein! Alles zugleich: Immanuel.

Im Grundsatz ist es eine alltägliche Sache, dass Frauen schwanger, dass Kinder geboren werden. In der besonderen Situation des Ahas wird's zur hoffnungsvollen, tragfähigen Verheißung. Denn hinter dem König liegt ein Krieg, ein Bruderkrieg. Er als Herrscher des jüdischen Südreichs hat einen Angriff des Nordens, einen Angriff Israels gegen Juda ,abwehren müssen. Die Verwandten des Nordens hatten sich zudem mit Syrien verbündet, den mächtigen Nachbarn. Sollte er, Ahas, jetzt nicht gleichziehen und gleichfalls einen großen Bruder, einen mächtigen Verbündeten sich an die Seite holen, sollte er nicht die Eskalation eine Stufe weitertreiben mit der Hoffnung auf Sieg?

Da kommt - auf Gottes Geheiß - dem König Ahas Jesaja entgegen - wir können es nachlesen wenige Zeilen vor unserem Predigtabschnitt. Jesaja mit seinem kleinen Sohn Schaar Jaschub an der Seite, ein Kind mit dem sprechenden Namen „Es bleibt ein Rest". Der Prophet widerspricht den Ängsten des Königs, widerspricht einer möglichen Verzweiflung und Ausweglosigkeit, er widerspricht aber auch den Kriegs- und Machtgelüsten, den Eroberungs- und Expansionsgedanken. Der Prophet warnt vor den Plänen, vor der Eskalation, vor der Versuchung der Stärke, dem Wunsch nach Macht und noch mehr Macht. Er bietet statt dessen ein Zeichen an, ein Zeichen Gottes selbst. Lass es dir von Gott geben, fordert Jesaja den König auf. Doch Ahas wehrt ab. Oberflächlich betrachtet hält er sich an die Etikette, antwortet in religiöser Korrektheit, so, wie es sich normalerweise gehört, und er sagt: „So fordernd darf ich mich Gott nicht nähern." - Mag sein, dass das normalerweise richtig ist. Aber jetzt ist die Situation nicht normal, Ahas ist in Bedrängnis. Und Jesaja will ihm sagen: Gott hat sich schon deiner Not angenommen. Gott schaut schon auf sein Volk. Gott ist schon dabei. Gott sendet mich, den Propheten, Jesaja. ill der König das gar nicht haben? Will er lieber seinen eigenen Phantasien nachjagen, seinen Wünschen und Machtgelüsten? Unterschätzt Ahas die Rettung von Gott her? Auf alle Fälle unterschätzt er den Ernst und die Qualität des Prophetenworts. Viel schlimmer noch: er unterschätzt die Freude, die aus dem Prophetenwort spricht, das Vertrauen in Gott und in Gottes Zuwendung. Lass dir doch ein Zeichen geben - es steht dir gänzlich offen - sei's von oben aus der Höhe, sei's aus der Tiefe der Erde. Ahas windet sich. Will er also lieber die Kontrolle behalten? Will er lieber eigenständig, das heißt dann hier. eigenmächtig handeln? Er mag sich von Gott nichts zeigen, nichts sagen lassen. Da verweist ihn der Prophet ungefragt: auf die junge Frau und das Kind, auf Schwangerschaft und Geburt, auf Immanuel und Gottes Gegenwart.

Der Herr selbst gibt dir ein Zeichen. Er ist bei dir und mitten unter uns. Er spricht vom Leben und nicht vom Tod. Er zeigt auf eine Ordnung, den Verlauf der Schwangerschaft, ein Vorgang, der so vertraut ist und doch ohne menschliches Zutun sich sein Ziel sucht. Gott lässt sich ein auf das Kind in seiner Bedürftigkeit, seiner Schwäche und rechnet mit Freude, mit herzlichem Empfang, mit Willkommen: Gott unter uns - Immanuel, mit uns, für uns, an unserer Seite. Uns ist ein Kind geboren.

So vieles, selbst in einer säkularisierten, von materiellen Gütern bestimmten Welt, zeigt uns das Weihnachtsfest an. Ich habe eingangs davon gesprochen. Wieviele Zeichen könnten wir in all unseren Vorbereitungen finden! Denn noch die Geschenke können von Gottes Gaben erzählen, das Essen von der Fülle des Segens, die holzgeschnitzten oder hausgebastelten Krippen von Gottes Gegenwart unter uns, der Weihnachtsbaum mit seinem Grün vom Leben und seine Zweige in Kreuzform vom Fortgang der Jesusgeschichte, vom Elend am Kreuz, dessen Gott sich annimmt. All das kann uns zum Zeichen werden. Es steht uns offen, wie Ahas das Zeichen offenstand. Wir müssen es nur wählen.

Und wieviel haben wir vernommen in den Adventstagen aus dem Buch des Propheten Jesaja, vom Licht, das in die Welt gekommen ist, von der Tochter Zion, die sich freut, von den Wächtern auf den Zinnen Jerusalems, die Ausschau halten nach dem kommenden Herrn; von den Himmeln, die den Gerechten, den Knecht Gottes herabtauen mögen, vom Volk, das sich von Gott das eine wünscht, dass er den Himmel aufreißt und die Erde erreiche; und dass wir selbst aufgerufen sind: Mache dich auf, werde Licht. Dein Licht kommt.

Auch heute nacht erreichen uns Worte aus dem Buch des Jesaja, sprechen vom Kind, vom Immanuel, sprechen davon, dass Gott mit uns ist und nehmen uns hinein in eine Schule des Glaubens. Eine Schule des Glaubens für den Moment der Bedrängnis, wie er dem ängstlich-machthungrigen Ahas widerfuhr, für die Tage der Freude, wenn wir dem Leben selbst gegenüberstehen wie einem neugeborenen Kind, das wir willkommen heißen.. Eine Schule des Glaubens, wo wir lernen können von unserer eigenen Freude, von unserem Staunen, unserer Gewissheit. Wo wir uns erleben, wie es Außenstehenden bei Schwangerschaft und Geburt ergeht: staunden, bewegt, ein bisschen hilflos, ohne Einfluss und doch emotional mit dabei. Die Schule des Glaubens aber zeigt uns auch, dass wir gefragt sind nach der Welt in die das Kind kommt, nach dem Willkommen, das ihm bereitet wird.

Die Evangelisten haben diese Schule des Glaubens auch durchlaufen. Vom Kind in der Krippe, vom verheißenen Retter konnten sie nicht anders erzählen als wie Alumni, wie solche, die von ihrer Schule geprägt sind und stolz darauf. Die nun ihre Lektionen voll Freude weitergeben, am Christus Gottes, anwenden können, was sie gelernt haben: Das habt zum Zeichen, selbst wenn ihr nicht einmal danach fragt. Ein Kind in der Krippe, ein Kind der jungen, unvermutet schwangeren Frau. Das habt zum Zeichen und erkennt den, in dem Gott mitten unter uns ist, ja, uns zur Seite steht, damit Friede werde, Macht und Ohnmacht unwichtig, Krieg und Tod abgelöst werden durch das Leben. Von dem, der da ist und der da war und der da kommt.

 



Pfarrerin Kira Busch-Wagner
Ettlingen/ Baden
E-Mail: Paulusgemeinde.Ettlingen@kbz.ekiba.de

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