Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Okuli, 11.03.2012

Predigt zu Johannes 8:42-5, verfasst von Birgitte Graakjær Hjort

 

Liebe Gemeinde,

Was für Worte, die wir heute zu hören bekommen!

Jesus sagt zu seinen Hörern: „Ihr habt den Teufel zum Vater." Und ihr seid euch überhaupt nicht im Klaren darüber! Ihr fasst euch selbst als Menschen auf, die den rechten Glauben haben. Aber ihr lebt euer Leben in Lüge. Ihr bildet euch ein, ihr hättet Gott zum Vater. Aber in Wirklichkeit habt ihr den Teufel zum Vater.

Das ist in Kurzfassung, was im Text steht. Jesus sprach zu einigen Menschen, die zum Glauben gekommen waren und deshalb ganz davon überzeugt waren, dass sie Gott gehörten. Das wird in einigen Versen vor dem Abschnitt, den wir eben gehört haben, ausdrücklich gesagt. Wenige Verse nach unserem Textabschnitt wollen Zuhörer Jesum töten! Menschen liebten ihn nicht, wenn's darauf ankam. Deshalb hätten sie in Wirklichkeit den Teufel zum Vater, sagt er zu ihnen.

Wenn ich bestimmen könnte, worüber ich predigen soll, dann hätte ich es nie gewagt, einen solchen Text für eine Predigt zu wählen. Ich hätte einen Text mit freundlicherer und erbaulicherer Botschaft gewählt. Ich hätte etwas gefunden, was Freude vermittelt und aufmuntert. Aber offenbar sollen nicht alle Predigten Freude und Aufmunterung verbreiten. Und wir sollen offenbar nicht alle Sonntage mit Samthandschuhen angefasst werden. Manchmal sollen wir herausgefordert werden. Und das ist heute der Fall.

Darum müssen wir die Frage stellen: Was kann Furchtbares geschehen, dass wir den Teufel zum Vater bekommen können? Dabei meinen wir, dass wir gute Christen sind.

Ja, das Risiko besteht, weil wir uns nicht klar machen, dass sich unser Leben auf einem Schlachtfeld abspielt. Ein Schlachtfeld ist ein Ort, an dem zwei Mächte miteinander im Kampf liegen. Wie ein Mensch zu leben, heißt wie auf einem Schlachtfeld zu leben, auf einem Schlachtfeld, auf dem das Gute und das Böse, Gott und der Teufel darum kämpfen, die Macht über uns zu gewinnen. Oder wie Martin A. Hansen es mit dem berühmten Wort aus seinem Roman „Der Lügner" ausgedrückt hat: „... das Ganze ist eine Walstatt (d.h. ein Schlachtfeld), auf der zwei Mächte kämpfen. Ein Niemandsland gibt es nicht."

Das ist der Kern der Sache! Ein Niemandsland gibt es nicht. Wir können nicht vermeiden, dort zu leben, wo sich der Kampf abspielt. Die beiden Mächte - Gott und der Teufel, das Licht und die Finsternis - ziehen und zerren an uns, jeder von seiner Seite. Wir gehören nicht nur uns selbst. Wir müssen zwischen Wahrheit und Lüge, Gott und Teufel wählen.

Das drastisch klingt dramatisch. Zwei Mächte kämpfen, um die Herrschaft über uns zu gewinnen! Einige unter uns, liebe Gemeinde, können nun sagen und mit einem gewissen Recht sagen: so zu denken, liegt ganz und gar nicht in meiner Art. Wir wollen  differenziert und diplomatisch sein als schwarz-weiß und grob-exklusiv. Es ist wider unsere Natur, die Dinge so scharf gegeneinander zu stellen.

Aber Jesus fragte seine Zuhörer nicht, was zu ihrer Art des Denkens passen könnte. Er stellte sie vor die Wahl. Entweder sie lassen ihre Wahl von der Wahrheit bestimmen oder von der Lüge. Vom Guten oder vom Bösen. Von Gott oder vom Teufel.

Aber ist es nicht ein Zeichen von Aberglauben, wenn man heutzutage vom Teufel spricht? Von Gott wollen wir gern hören. Aber mit dem Teufel will heute doch wohl niemand mehr in vollem Ernst rechnen? Ist er nicht so wie Heinzelmännchen und Kobolde und Elfen abgeschafft? Abgeschafft als Vorstellung, die ins Mittelalter gehört?

Ja, wenn wir uns unter dem Teufel eine Person mit langem, buschigem Schwanz vorstellen - wie wir den Teufel oft auf Gemälden gesehen haben - oft auch mit einem Pferdefuß oder mit Hörnern an der Stirn, ja, dann sagt das eher etwas über die Fantasie des Künstlers aus als darüber, was uns die Bibel lehrt. Dann würden wir den Teufel schon von weitem wiedererkennen. Aber dazu ist der Teufel allzu raffiniert.

Der Teufel ist eine Macht. Eine böse Macht in der Welt. Und wenn wir ihm begegnen, kommt er nicht vornehm daher mit einer Visitenkarte in der Hand, auf der „der Teufel" stünde. Er ist eine unsichtbare Macht.

Der Teufel tritt nicht in einer Gestalt auf, die wir unmittelbar wiedererkennen. Der Teufel ist nämlich Experte in Sachen Verkleidung. Er besitzt unglaublich viele Masken, die er wechselweise aufzusetzen liebt. Er kommt also in der Regel in einer Gestalt, die wir nicht unmittelbar als den Bösen wiedererkennen. Und obgleich die meisten von uns die Bezeichnung „Teufel" nicht gebrauchen, so wissen wir doch sehr wohl, dass es Bosheit, sogar massive Bosheit in der Welt gibt.

In der Erzählung von Adam und Eva im Paradies tritt der Teufel in Gestalt einer Schlange auf. Und als Jesus 40 Tage lang in der Wüste war, kam der Teufel in Gestalt einer äußerst geschickt argumentierenden Person, einer Person, die sich auf die Bibel verstand und die ihre Sache zu vertreten im Stande war.

Es wäre weitaus leichter und ungefährlicher gewesen, wenn der Böse immer dasselbe Aussehen hätte. Aber er wechselt sein Aussehen und seine Strategie. Wie aber haben wir dann überhaupt auch nur die geringste Chance, ihn wiederzuerkennen? Wie können wir ihn identifizieren?

Der Böse hat eine bestimmte Art und Weise, wie er sich die Herrschaft über uns erkämpft. Er versucht, uns in Zweifel zu stürzen an dem, was Gott gesagt hat.

„Hat Gott tatsächlich gesagt, dass ihr nicht essen sollt von allen Bäumen im Garten?", fragte er Eva. So arbeitet der Böse. Er lässt uns zweifeln, ob das, was Gott gesagt hat, nun auch tatsächlich so ernst zu nehmen ist. Darum sagte Jesus: „Wer von Gott ist, der hört Gottes Worte."

Zwei Dinge sind es, die zeigen, wem wir zugehören - ob es Gott ist oder der Teufel. Eines ist, wem wir zuhören. Etwas Anderes ist es, wie wir handeln. Wenn wir Gott gehören, ist es ganz entscheidend, dass wir auch auf das hören, was er gesagt hat.

Oder wir können etwas aus der Bibel hören oder in der Bibel lesen, ohne dass uns die Worte irgendetwas sagen würden. Entweder scheint es reines Geschwätz zu sein, und man kann nicht verstehen, was gemeint ist. Oder aber es macht den Eindruck, in einer grauen Vorzeit gesagt zu sein, die so gar nicht zu der unsrigen passt. Wir ziehen also die Gardinen vor und sorgen dafür, dass die Worte einfach nicht zu uns gelangen. „Wer von Gott ist, der hört Gottes Worte", sagte Jesus.

Es kann aber auch sein, dass wir auf das hören, was Jesus uns gelehrt hat, dass wir aber nicht willens sind, auch nur irgendetwas in unserem Leben auf der Grundlage dessen, was wir hören, zu ändern. Wir führen unser Leben, und niemand soll hier kommen und es in Frage stellen. Wir können einfach unseren Lebensstil nicht wirklich verändern. Etwa unsere Kost- oder Lebensgewohnheiten umstellen, so dass wir an dem großen Klimawandel nicht mitwirken, der zu Lasten der Ärmsten auf der Welt geht. Oder mehr für Andere sein, die unsere Hilfe und Gegenwart brauchen.

Wir möchten gern Gott gehören. Nur sollte das nicht allzu mühsam sein. Es sollte nicht allzu große Konsequenzen haben, die unsere eigenen Pläne durchkreuzen könnten. „Hat Gott tatsächlich gesagt, dass ihr nicht essen sollt von allen Bäumen im Garten?", fragte der Teufel Eva im Paradies. Und seitdem hat der Teufel oft die Frage gestellt: „Ist Gott wirklich so streng, dass es etwas gibt, dessen ihr euch enthalten sollt? Stimmt das denn? Er ist doch sonst ein so liebevoller Gott." Wir möchten es gern ein wenig mehr auf die leichte Schulter nehmen können oder es etwas verändern und verdrehen. Jesus sagte: „Wer von Gott ist, der hört Gottes Worte." Und, wenn wir Gottes Worte hören, dann führt das zum Handeln für unsere Mitmenschen. Gottes Wort schickt uns immer hinaus zu anderen Menschen, damit wir etwas für sie sind. Also: Ob Gott oder Teufel, ob das Gute oder das Böse, die Nächstenliebe oder Selbstzufriedenheit unser Leben leiten kann, das zeigt sich darin, ob wir auf das hören, was Jesus gesagt hat, und ob wir davon unser Handeln bestimmen lassen.

 

Wo enden wir nun heute? Ist das Ergebnis, dass wir in Furcht leben sollen und in innerer Unruhe? Können wir riskieren, den Teufel zum Vater zu haben, obwohl wir selbst etwas ganz anderes glaubten? Oder warum forderte Jesus uns so sehr heraus? Ist in dem Bericht des heutigen Tages überhaupt etwas vom Evangelium verborgen? Oder haben wir, als wir den Text für heute gehört hatten, ein ganz falsches Lied angestimmt, als wir sangen: „Gelobt sei Gott für  seine frohe Botschaft"?

Es IST ein Evangelium darin, auch heute am dritten Sonntag der Fastenzeit (Okuli). Es besteht darin, dass auch in Jesu eigenem Leben ein Kampf stattfand. Aber der Ausgang des Kampfes zeigte, dass da nicht von einem Kampf zweier gleichwertiger Partner die Rede war. Es war ein ungleicher Kampf. Denn Jesus war stärker als der Teufel.

Und das hat Bedeutung für unser Leben: Der Kampf, der zwischen Gott und dem Teufel stattfindet, ist ein Kampf, dessen Ausgang wir von vornherein kennen, wenn wir uns an Jesus Christus halten. Denn dort, wo er ist, und dort, wo er mitkämpft, sind wir auf dem Wege zum Sieg über den Teufel. Darum singen wir auch „groß ist wohl Gottes Feind, größer aber ist Gott" (Kaj Munk, Den Danske Salmebog, 634, http://www.dendanskesalmebogonline.dk/salme/634) in einem unserer Lieder.  In dem Lied wird deutlich, wie sehr wir hin- und hergerissen werden. Aber: Es ist kein Kampf zwischen gleichwertigen Partnern.

Und wir kämpfen nicht allein. Wir dürfen uns auf die Seite Jesu stellen und ihn für uns und mit uns kämpfen lassen.

Wenn wir also herausgefordert werden sollen, dann um zu vermeiden, dass wir uns selbst in den Schlaf lullen, als wäre Frieden und keine Gefahr und als würde alles schon irgendwie seinen Lauf nehmen, so dass wir uns einfach nur dahintragen lassen könnten. Nein, wir leben in einem Kampf. Wir müssen ein ums andere Mal Entscheidungen treffen. In der Fastenzeit stehen wir vor dem Ernst des Kampfes.

Und die Freude besteht darin, dass die beiden Mächte nicht gleich stark und mächtig sind. Jesus Christus ist stärker als der Teufel. Und Jesus Christus spricht noch immer zu uns. Er lädt uns ein, zu ihm zu kommen und ihm zuzuhören. Und er tut das auch in diesem Gottesdienst. Durch die Predigt. Durch das Abendmahl. Und durch die Taufe. Und wenn wir ihm an dem Ort zuhören, an dem er spricht, dann gehören wir mit IHM zusammen, der von den beiden Mächten der Stärkere ist: Jesus Christus.

Amen



Pastorin Birgitte Graakjær Hjort
DK-8200 Århus N
E-Mail: bgh@christianskirken.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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