Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Himmelfahrt, 17.05.2012

Predigt zu Offenbarung 1:4-8, verfasst von Andreas Schwarz

 

4 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind,

5 und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut

6 und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

7 Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde. Ja, Amen.

8 Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.

 

Liebe Gemeinde,

machtlose Menschen, die unter der Macht der Obrigkeit zu leiden haben, hören die befreiende Botschaft, dass sie Anteil haben an der endgültigen Macht.

Was für eine Aussicht. Die tut gut. Die beflügelt.

Die lässt über den unangenehmen Moment hinaus sehen und hoffen.

Damit die Christen in den Gemeinden das Erleiden fremder Macht ertragen und aushalten können. Irgendwann werden sie nicht mehr leiden, sondern an der Macht ihres Gottes sichtbar und spürbar teilhaben.

Macht spielt eine entscheidende Rolle in diesem Abschnitt des Sehers Johannes an die sieben Gemeinden in Kleinasien, der heutigen Türkei. Das ist römischer Einfluss- und Machtbereich.

Um Macht ist es immer gegangen.

Um Macht geht es immer wieder als Lebensziel von Menschen, als ein Motor für Engagement und Einsatz.

In diesen Wochen ist das sehr plastisch zu erleben. Die Bürger in Griechenland und Frankreich haben gewählt und über die Frage der Macht abgestimmt und entschieden.

Wer hat das Sagen, wer hat die Richtlinienkompetenz, wer besetzt die Themen und prägt die Meinungen?

Bürger in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben gewählt und es ging um die gleichen Fragen. Die USA rüsten sich längst für die nächste große Präsidentschaftswahl, um zu klären, wer dort die Macht haben soll.

Obwohl es sich um demokratische Wahlen handelt, wird die Stimme der Bürger nicht verstummen, die sich ohnmächtig vorkommen, machtlos und Mächten ausgeliefert. Wie erst, wo es demokratische Strukturen beim Zugang zur Macht nicht gibt? Wo Menschen entmündigt sind und der Willkür der Herrschenden ausgesetzt sind.

Erst recht da, wo es überhaupt gar nicht mehr um den Zusammenhang von Macht und Verantwortung geht, sondern von Macht und Gewalt.

Wenn Männer Frauen vergewaltigen, Erwachsene Kinder missbrauchen, Einheimische Fremde verprügeln, Junge Alte beiseite schieben, Erfolgreiche Gescheitere verurteilen, Gesunde nicht mehr die Last der Kranken tragen wollen.

Wer hat Macht und wie wird sie ausgeübt?

Christliche Kirche, christliche Gemeinden sehen und erfahren sich ganz grundsätzlich als machtlos in einer machtbesessenen Welt. Oft genug, wie zur Zeit des Sehers Johannes, leiden sie unter der Macht der Obrigkeit.

Schauen sie auf ihren Herrn und Meister Jesus Christus, dann überrascht sie das nicht. Er hat sich als Mensch auf Erden machtlos gezeigt, keine Gewalt gegen irgendjemanden ausgeübt.

In seiner Nachfolge akzeptieren wir Christen Machtlosigkeit; es gehört zum Glauben an ihn dazu, wir wissen das.

Und doch fallen wir auch in der Kirche in machtvolle Verhaltensmuster, nutzen das aus, was wir haben, bzw. was man uns anvertraut hat. An Sitzordnungen, Rednerlisten, Kleidungen ist auch in der Kirche so manches zu sehen und zu hören, was an Macht erinnert.

Fast erweckt es den Eindruck, Machtausübung sei da am gefährlichsten, wo sie in der Hand derer ist, die behaupten, machtlos zu sein.

Es gibt einen bösen Spruch dazu, der lautet: Wollt ihr einen Tyrannen, so gebt einem Pietisten Macht.

Jemandem also, für den der Glaube und die Jesusfrömmigkeit eine ganz besonders große Rolle spielen. Der wird also unter dem Vorzeichen göttlicher Liebe ein umso strengeres Regiment führen.

Die Sehnsucht nach Macht ist auch in der Kirche und ihren Gemeinden zuhause. Das darf uns nicht wundern, denn Christen sind Menschen, wie alle anderen auch.

Und in einer Atmosphäre der Machtlosigkeit gedeiht die Sehnsucht besonders gut.

Es ist die Sehnsucht auf den größeren und mächtigeren Herrn, der auf dem Thron sitzt, von dem der Seher den bedrängten Gemeinden erzählt.

Am Ende wird er sich durchsetzen, denn er ist der Herr über alle Herren, über alle Könige und Herrscher. Irgendwann wird er sichtbar kommen und zeigen, dass alle, die jetzt und hier Macht haben, sie ausnutzen und mit Gewalt und Unterdrückung verbinden, sie verlieren werden, abgeben müssen an den, der seine Macht in Gnade und Frieden einfließen lässt.

Das ist eine Sehnsucht, ein Traum, eine Hoffnung, irgendwann nicht mehr machtlos zu sein, irgendwann nicht mehr an rücksichtlose Mächtige ausgeliefert zu sein. Das ist Inhalt christlicher Zukunftshoffnung, dafür steht der Herr der Kirche, Jesus Christus ein. So bezeugt und verkündigt es Johannes, der Seher.

Aber allzu menschliche Machtphantasien werden hier doch nicht bestätigt. Macht ist nicht gleich Macht. Und die ewige Zukunft ist nicht das Produkt menschlicher Sehnsucht. Sie wird anders sein, als es die jetzt Machtvollen und Herrschen meinen, richtig. Aber sie wird auch anders sein, als es die jetzt Machtlosen, die Unterdrückten ersehnen.

Es ist eine umfassende Macht.

Eine Macht, die jetzt herrscht, die gewesen ist und die kommen wird.

Zu allen Zeiten hat Gott, der Herr, auf dem Thron gesessen. Er hat Himmel und Erde geschaffen und sich seinen Menschen persönlich zugewendet. Er hat ihnen Wege in die Freiheit geöffnet und Vertrauen ermöglicht.

Er hat seinen Sohn als Mensch zur Welt kommen lassen, um seiner Liebe eine Gestalt und ein Gesicht zu geben. Um die Sünde der Menschen auf ewig zu tragen, hat dieser sein Sohn Jesus Christus, den Tod am Kreuz auf sich genommen. Die Beziehung zu Gott ist durch sein Tun geregelt, ist gut, ist für immer geklärt. In seiner Gnade, Barmherzigkeit und Güte hat er Frieden geschaffen und den Menschen geschenkt.

Das ist eine Macht, die nichts mit Gewalt zu tun hat, schon gar nicht mit militärischer.

Es ist eine Macht, die sich Menschen persönlich zuwendet, die jeweils einzelnes Leben befreit und in eine ganz neue Dimension stellt.

Menschen, die in einer persönlichen Beziehung zu Gott leben, werden Könige und Priester.

Obwohl davon mit menschlichen Augen nichts zu sehen. Aber sie sind wert geachtet, sie sind geadelt, gekrönt mit göttlicher Zuwendung.

Aus aller Distanz und Ferne rücken sie ganz nah an Gott heran - Gott rückt an sie heran, sie gehören zu seinem Hofstaat, zu seiner Familie, sind Bewohner seines Hauses, sitzen sozusagen mit ihm an einem Tisch. Sie hören, was er sagt, sie sagen ihm, was sie auf dem Herzen haben. „Wie die Kinder ihren lieben Vater", formuliert Martin Luther.

Das ist seine Macht und so zeigt sie sich: unbedeutende, unwichtige, machtlose Menschen holt er ganz nah an sich heran und stattet sie mit einer Würde aus, die es so und hier für sie sonst gar nicht gibt. Ob es Maria war - die Mutter Jesu, die einfachen Fischer - die Jünger Jesu, die Christen der bedrängten Gemeinden der ersten Jahrhunderte oder wir heute.

Dafür loben und preisen Menschen ihren Gott, unseren Gott. Auch und gerade dann, wenn im alltäglichen Leben wenig davon zu spüren ist.

Aber je mehr sie darunter leiden, je schwerer das tägliche Leben auszuhalten ist, umso bedeutsamer wird der Blick nach vorn, nach oben.

Denn der, der schon immer die Macht hatte und der sie auch jetzt hat, auch wenn das äußerlich nicht sichtbar ist, der kommt. Der wird seine Macht aus der Unsichtbarkeit heraus in die Sichtbarkeit führen. Er wird das für alle erkennbar und offensichtlich machen, woran wir jetzt glauben, worauf wir jetzt hoffen.

Alle werden es sehen.

Nicht nur wir, die wir davon leben und uns darauf freuen, sondern auch die, die ihm seinen Platz auf dem Thron nicht zusprechen wollten, die ihn lieber los sein wollten, der ihnen gleichgültig war - oder ist. Ernüchternd und entlarvend wird diese Sichtbarkeit sein. Die Folgen ihrer Ablehnung Jesu werden sie sehen und erleiden und beweinen.

Ob das mit zur Sehnsucht nach Macht bei den machtlosen Christen gehört: die Erfahrung, dass Dinge sich umwenden, dass oben unten und unten oben wird?

Aber mit der Freude an Vergeltung wäre man aus dem Bereich göttlicher Macht, der es um Liebe geht, um Gnade und Frieden, schon wieder heraus.

Darum gilt auch hier: seine Verheißung, nicht unsere Sehnsucht wird erfüllt.

Irdische Macht erhalten wir nicht, wir können das Himmelfahrtsfest nicht gegen den volkstümlichen Vatertag mit Gewalt durchsetzen, genauso wenig wie das Reformationsfest gegen Halloween. Aber mit dem Himmelfahrtsfest bestätigt Jesus Christus, dass sein Auftreten keine vorübergehende Erscheinung war. Und wer ihm vertraut, auch und gerade in bedrängten Zeiten, der erhält einen sichern Blick auf ihn, der nicht nur da war, sondern der lebt und der wiederkommen wird. Er wird erfüllen, was er versprochen hat: Leben und Freiheit in Ewigkeit. Damit dieser Blick Kraft schenkt und Hoffnung gibt, darum hat es Johannes den sieben Gemeinden in Asien geschrieben. Und darum lesen und hören wir es heute.

Zu Stärkung unseres Glaubens an Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.



Pfarrer Andreas Schwarz
Pforzheim
E-Mail: p.andreas.schwarz@googlemail.com

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