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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Erntedankfest, 07.10.2012

Predigt zu 1. Timotheus 4:4-5, verfasst von Kira Busch-Wagner

 

Letzter Tag des jüdischen Laubhüttenfestes – Fest der Lese 

Predigt zum Erntedanktag -

Liebe Gemeinde,

wie viele Menschen haben den Gottesdienst und den heutigen Tag mit vorbereitet: Kinder und Jugendliche, die den Altar geschmückt haben, die Ältesten, die ihren Part im Gottesdienst übernehmen, die Frauen, die hinterher zum Kirchenkaffee einladen, die Konfirmanden, die helfen beim Opfer einsammeln und die Fürbitte mitsprechen.

Aber auch die Hausmeisterin, und all die Menschen, die uns Erntegaben für Altar und später für die Verwendung im Tafelladen brachten, die Sekretärin im Pfarramt, die Öffentlichkeitsbeauftragten der Stadt, die die Einladung zum Gottesdienst publik machten,

Soviel Handreichungen, soviel Menschen, soviel Lebenssituationen, die die einzelnen mitbringen, welch ein Segen, den sie darstellen.

Wie viel ist es, das wir mit Danksagung empfangen können, was uns geschenkt ist, was niemand von uns einfordern konnte und dennoch ist es da! Es ist sehr gut.

Wie Gott von seiner Schöpfung redet, so können auch wir hier und da und dort einstimmen: es ist gut!

Erinnern Sie sich: es  ist ja wohl eine der bekanntesten Stellen der Bibel, jenes große Schöpfungslied gleich am Anfang, das alle seine Strophen einleitet mit dem Kehrvers, „und Gott sprach“, Gott also wirksam und wirkmächtig spricht, und jede Strophe mit dem Refrain abschließt, dass das aus Gottes Wort gewordene gut ist, ja, sehr gut,  und so aus Abend und Morgen ein neuer Tag werden konnte.

Diesem großen Schöpfungslied vom Anfang der Bibel entsprach ganz eng der 104. Psalm, den wir miteinander gesprochen haben. Und eben der erste unserer beiden Verse aus dem Timotheusbrief. Er verweist zurück an diese erste Schöpfungsgeschichte: alles, was Gott geschaffen hat, ist gut.

Und man muss sich klar machen: es sind in der siebentägigen Schöpfungsgeschichte ja auch die Würmer erwähnt und alles was kreucht und fleucht und was eklig daherkommt. Und neben den handzahmen Haustieren sind auch erwähnt die wilden Tiere des Feldes, die Angst machen können und erschrecken allein schon durch Größe oder Wildheit. Auch die sind gut!

Es sind auch die Tiere erwähnt, die man gemäß der biblischen Speisegebote, der jüdischen Reinheitsregeln eben nicht zu essen hat. Und trotzdem halten die gleichen – möglicherweise sind es tatsächlich Priester – denen soviel an der Kaschruth, an den Speisegeboten liegt, am Ende fest: Auch was unrein ist, ist gut. Auch das Gewürm und die wilden Tiere. Gut ist selbst, was unrein ist. Da können wir merken, dass die Bibel mit dem „unrein“ zwar eine Tabuzone benennt, nicht aber unmoralisches damit meint, nicht ekliges abstempeln will. Was Gott geschaffen hat, ist gut. 

Doch auch wir haben da noch mal unsere Fragen.

Alles ist gut: gehören Viren und Bakterien dazu? Schmarotzer und Krankheitserreger? Vulkanausbrüche und Tsunamis?

Auch in der Bibel sehen wir, wie Menschen mit solchem Widerspruch kämpfen: Da schafft Gott Gutes – und dann steckt wortwörtlich in so vielen Dingen der Wurm. Und der Schmerz. Und die Krankheit. Und die Ausbeutung. Und die Zerstörung.

Hat Gott es gewollt? So wie er einmal zu Mose bei dessen Berufung sagt: Ich habe auch den Blinden und den Stummen und Tauben geschaffen.

Hat die Klugheit alles verhext, die manchmal so halb wahr daher reden kann, so wie es die Schlange in der Paradiesgeschichte tut?

Hat das Böse die Menschen verführt? Oder verstehen wir einfach viel zu wenig von den großen Regeln Gottes, so wie Hiob am Schluss einsieht, nicht das letzte Verständnis der Dinge zu haben und gerade dies für ihn heilsam wird?

Ist der Mensch selbst daran schuld, dass noch das Schönste immer ein bisschen vergällt ist, dass Kinder Schmerzen bereiten, das Liebe oft unerfülltes Verlagen bedeutet, dass selbst lustvolle und kreative  Arbeit zur Mühe wird, dass man so oft arbeitet ohne Erfolg – wie es Adam und Eva gesagt wird?

Die Fragen, die die Bibel in diese Weise stellt und bedenkt reichen ja tief in unser Alltagsleben.  Warum tragen mich meine Beine nicht mehr? Warum muss ich unter zunehmender Blindheit leiden? Warum habe ich keine Kinder bekommen können?

Alles, was Gott geschaffen hat ist gut?

Machen wir uns klar: der Satz wird ja nicht in ein philosophisches Kolleg hineingesprochen, in einen kühlen Vorlesungssaal. Der platzt in eine heiße Auseinandersetzung hinein. Da behaupten nämlich genügend Leute: Man muss sich eigentlich distanzieren von der Schöpfung. Muss asketisch leben. Das wahre Leben, das Heil, es liegt doch ganz jenseits von Essen und Trinken, von Lust und Liebe, von Leib und Gliedern, von all den Dingen, die zu dieser Erde gehören und auf dieser Erde sind! Der Timotheusbrief spricht zu Gemeinden, in deren Umgebung sehr viele die Welt aufteilen, in Edles und Unedles, Höheres und Niedriges, Vornehmes und Banausisches, in Göttliches und Irdisches. .

Dem setzt der Timotheusbrief entgegen: Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut. Nichts ist verwerflich was mit Danksagung empfangen wird.

Man stelle sich vor: diesen Vers als roten Faden, als Leitlinie der Kirche in so vielen Diskussion der Gegenwart und Vergangenheit. Angesichts von (so genannter) Rassentrennung bis ins Kirchenschiff hinein, angesichts von Erbfeindlehren. Bei der Diskussion um das Verhältnis von Männern und Frauen, zu unterschiedlich gelebter Sexualität, zum Miteinander der Generationen, beim Umgang mit Natur, mit Landschaften, mit Tieren, mit ....

Alles, was Gott geschaffen hat ist gut – man stelle sich vor, in all diesen Diskussionszusammenhängen hätte man ausdrücklich den Satz aus dem Timotheusbrief bedacht – hätte manches nicht einen andere Stimmlage erhalten, eine andere Richtung, ein gewisses Umdenken unter den verschiedenen Positionen?

Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, DENN es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.

Heilig – das lasse ich meine Konfirmanden und Schulkinder unter den Reli-Vokabeln übersetzen mit: was zu Gott gehört. Heilig ist, was zu Gott gehört, was mit Gott in Verbindung steht.

Die Schöpfung, so sieht es unser Brief, steht mit Gott in Verbindung, weil sie aus seinem Wort hervorging. Und weil sie mit unseren Worten, weil sie im Gebet Gott neu immer anvertraut wird.

Unsere Worte können dem Wort Gottes korrespondieren, ihm entsprechen. Wir können die Welt, die Schöpfung heiligen, Gott anbefehlen, Gott zugehörig machen in unseren Worten. Im Gebet.

Und das fängt damit an, wie wir von Gottes Schöpfung reden. Auch von uns selbst. Wie reden wir von unserem Leib und unseren Gliedern, von Haut und Knochen? Wie reden wir von unserer Lust und unserer Liebe? Wie reden wir von uns bei Essen und Trinken? Bleiben wir da auf der Spur des Timotheusbriefs, reden gut davon, freuen uns dran, genießen's, sind dankbar und geben jedes Stücklein davon Gott im Gebet zurück? Oder liegen wir doch eher auf der Linie der Gegner des Timotheus, und hätten am liebsten alles los, alles weniger, alles enger und lustloser, hätten's gern dünner, straffer, geübter, exerzierter, gestylter, unterdrückter, disziplinierter?

Wie reden wir von unserem Alter, von unserer Jugend, wie reden wir von Herkommen und Zukunft, von Eltern und Kindern, von Zeitgenossen und Mitmenschen?

Was Gott geschaffen hat, ist gut. Es wird geheiligt durch das Wort, das eben diesen Menschen, dieses Alter, diesen Körper, diese Ideen hervorgebracht hat. Es wird geheiligt durch unsere Antwort, nämlich in guter Weise über Alter, Körper, Dasein, unser Können und was wir vermögen, unsere Grenzen und unser Versagen zu sprechen. Bene-dicere, Gutes sagen, so heißt das im Lateinischen  – wir übersetzen es mit dem so hochkarätigen „segnen“. Unsere Kirchenväter und Mütter wussten schon was sie taten, waren mit Ihrem Latein nicht am Ende, sondern haben es uns weitergegeben. Bene dicere – Gutes sagen – Gott anvertrauen – segnen - das trägt uns der Timotheusbrief auf als unseren Beitrag zur Gottes Schöpfung, unseren Beitrag zum Erntedank.

Amen



Pfarrerin Kira Busch-Wagner
Ettlingen
E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

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