Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Jubilate, 21.04.2013

Predigt zu Genesis (1. Buch Mose) 1:1-4a.26-31a; 2,1-4a, verfasst von Th.-M. Robscheit


 

 

Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

unser heutiger Predigttext stammt aus dem sogenannten ersten Schöpfungsbericht, jener Beschreibung von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen. Er gehört für mich zu den interessantesten und vielschichtigsten Texten der Bibel. Das Weltbild der vom Chaos umgebenen geschaffenen Ordnung in der Käseglocke ist keineswegs naiv oder lächerlich, wie so oft kolportiert. Dieser Schöpfungsbericht ist in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft entstanden; in Anlehnung an den babylonischen Schöpfungsmythos, enuma elisch, wurden grundlegende theologische Aussagen getroffen. Diese sind so umfangreich, dass der Rahmen einer jeden Predigt gesprengt wird. Das Augenmerk soll heute deswegen auf der Rolle des Menschen liegen.

Hören wir zunächst auf die entsprechenden Textausschnitte: Gen. 1,1-4a.26-31a; 2,1-4a

Der Mensch, Frau und Mann, sind Ebenbild Gottes. Das ist nicht nur eine Aufwertung des Menschen gegenüber dem babylonischen Menschenbild, sondern auch Aufgabe. Wie verhält sich das Gegenüber Gottes? Wie soll es sich verhalten, muss man wohl besser fragen. Und: ist jeder Mensch Gottes Ebenbild? Oder kann man das verlieren? Was ist mit denen1, die in Boston die Bomben haben explodieren lassen?

"Jedes Mal, wenn Bomben gegen unschuldige Zivilisten eingesetzt werden, handelt es sich um einen Akt von Terror.", so der amerikanische Präsident Obama2. Man kann wohl davon ausgehen, dass ihm die Ambivalenz der Aussage durchaus bewusst ist. Noch vor wenigen Wochen3 war in den USA heftig darüber diskutiert worden, ob der Einsatz von Drohnen zum Töten von Menschen, die für terrorverdächtig gehalten werden -d.h. die im rechtlichen Sinne als unschuldig zu gelten haben- legal sei oder nicht. Die Position Obamas für deren Einsatz ist hinlänglich bekannt. Ist es auch ein Akt des Terrors, wenn in bei der Bombardierung eines Hauses in Afghanistan durch die NATO zehn Kinder und eine Frau4 sterben. Oder ist deren Tod gerechtfertigt, weil auch Talibankämpfer umkamen?

 

Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde..., das hört sich angesichts der Realität menschlichen Handelns wie Hohn an. Den Tod Unbeteiligter in Kauf zu nehmen oder gar bewusst herbeizuführen! So was würde Gott niemals fordern oder gar selber tun! Ach nein? Das Alte Testament spricht da eine andere Sprache. Was ist mit den Kindern aus Sodom und Gomorra? Ganz zu schweigen von dem Gemetzel, das mit der Einwanderung Israels in das besiedelte Palästina verbunden war? In Jericho5 beispielsweise wurden alle außer Rahab, die kollaboriert hatte, und ihre Familie umgebracht.

Dann war da ja auch noch die Sintflut! Mord und Totschlag & Gottes Strafe, auch da sind Unschuldige betroffen!

Ungeachtet der Brutalität dieser Geschichte, stellt sie aber auch einen Wendepunkt im Verhältnis von Gott und Mensch dar. Als die Fluten zurück gegangen sind, gereut es Gott, was er getan hat. Es tut ihm leid. Gott akzeptiert, dass der Mensch sich immer auch zum Falschen entscheiden kann. „Das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf", heißt das im Text. Gott akzeptiert das, das heißt nicht, dass er es toleriert oder gar gut findet. Er schließt mit dem Menschen einen Bund und beauftragt ihn erneut, auf der Erde zu herrschen. Während die einzelnen Schöpfungswerke in unserem Predigttext noch kommentiert werden mit „es war sehr gut", fehlt das nach der Sintflut. „Willkommen in der Realität!", möchte man rufen. Statt der paradiesischen Zustände wird auch das Morden mit in den Blick genommen (& natürlich verboten); auch ist das Töten von Tieren zum Essen jetzt erlaubt. Doch trotz der menschlichen Unzulänglichkeiten bleibt die Ebenbildlichkeit des Menschen bestehen! Das wird extra betont.

Liebe Gemeinde, Sie, ich, alle Menschen sind Gottes Ebenbild. Damit kommen wir wieder zu der Frage vom Anfang: Wie verhält sich das Ebenbild Gottes? Es ist ein Gegenüber, kein Diener, der nur stumm Befehle ausführt und sich dann darauf berufen darf! Es ist leichter und bequemer, Gott, die Umständen oder Verhältnissen vorzuschieben um Verantwortung abzulehnen. Wie oft wurde in der Geschichte Gottes angeblicher Wille beschworen, um Unheil zu bringen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Gott gefallen hätte, die Bewohner auch nur einer einzigen Stadt auszulöschen!

Wie verhält sich das Ebenbild Gottes? Immer weniger Menschen treten auf, entscheiden und verantworten das auch. Im Alltag erleben wir viel zu oft, dass Leute sich hinter Gremien oder Sachzwängen verstecken. Doch das hat nichts mit Gottes Auftrag an uns zu tun: Wir Menschen sind für diese Erde verantwortlich, sollen die Schöpfung bewahren. Das heißt tätig, aktiv zu sein!

Für jeden Einzelnen kann diese Aufgabe ganz unterschiedlich sein: Den Einen stellt Gott vor Probleme im Umweltschutz: Bewahrung der Schöpfung kann heißen, sich für Artenvielfalt einzusetzen und Totholz und Brennnessel im Garten zu tolerieren. Dem Nächsten werden größere Aufgaben zugemutet: Herbst sind GKR Wahlen, bist Du bereit, zu kandidieren und in das Wohlergehen Deiner Kirchengemeinde zu investieren, damit Gottes Liebe in Deine Stadt strahlt? Wieder andere sehen das Leid des Nachbarn: Wie verhältst Du Dich dann? Wirst Du ihm zum Nächsten? Wieder ein Anderer wird vor die schwere Entscheidung gestellt, eine friedlose Welt etwas friedlicher zu gestalten: "Jedes Mal, wenn Bomben gegen unschuldige Zivilisten eingesetzt werden, handelt es sich um einen Akt von Terror." - was bedeutet dieser Satz für einen militärisch Verantwortlichen?

Unzulänglich wie wir alle sind, hat Gott uns in eine unfertige Welt gestellt und Verantwortung übertragen. Wir erleben das Chaos nach der Sintflut; aber wir wissen auch um die Zeit davor; tragen die Sehnsucht nach einer heilen Welt wie einen Wegweiser in uns und den Segen Gottes der uns leitet: geht und herrscht über Fische, Vögel und Vieh, über die ganze Erde, die sich danach sehnt, das alles sehr gut ist.

Und der Friede Gottes, der größer ist als alle menschliche Vernunft sei über Euch und bleibe über Euch. Amen.

 



Pfarrer Th.-M. Robscheit
Kapellendorf
E-Mail: thm@robscheit.de

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