Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Exaudi, 12.05.2013

Predigt zu Johannes 15:26-16,3 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Birgitte Graakjær Hjort



Zu allererst sei gesagt: die heutige Predigt wird anders sein als die meisten. Die meisten Predigten zielen direkt auf uns, die hier sitzen und Zuhörer sind. Sie handeln von Dingen, die mit unsrem Leben zu tun haben. Und so soll es ja auch sein. Aber es gibt keine Regel ohne Ausnahme. Und heute haben wir eine Ausnahme.

Die Predigt handelt von andren Menschen als uns. Menschen, die ganz woanders wohnen und unter völlig anderen Bedingungen leben, als wir uns vorzustellen vermögen. Heute soll es um die verfolgten Christen gehen. „Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit," haben wir eben gehört. „Gut, dass wir nicht gelebt haben, als das aktuell war", ist vielleicht unser erster Gedanke. Aber das ist verkehrt! Denn wir leben in einer solchen Zeit. Bloß geschieht es nicht hier bei uns. Auf globaler Ebene aber hat es nie so viele Christen gegeben, die verfolgt werden, wie es heute der Fall ist. Deshalb sollten wir etwas darüber wissen. Und dazu soll die Predigt heute beitragen. Deshalb wollen wir mit einem Bericht aus Nigeria beginnen.

Er war mit seiner Frau auf dem Heimweg vom Markt, als sie sich ihrem Anwesen näherten. Plötzlich hörten sie Rufe. Laute Schreie und trampelnde Schritte einer Schar von Rebellen. Als sie näher kamen, konnten sie sehen schwarzen Rauch zum Himmel aufsteigen sehen. Sie hörten ein Geräusch, wie wenn ein riesiges Feuer knistert. Sie liefen in Richtung auf ihr Haus zu, und sie sahen, wie Flammen an den Mauern züngelten, das Haus brannte. Sie blieben völlig erstarrt stehen. Wie versteinert. Bevor sie jedoch umkehren und fliehen konnten, hatten die Unruhestifter sie entdeckt und waren auf sie zugelaufen. Sie hatten allerlei Waffen bei sich. Einige hatten Steine, die sie nach ihnen werfen wollten. Andere hatten Messer und Knüppel. „Kennst du Gott?" warfen sie dem Mann an den Kopf. „Ja", antwortete er vorsichtig, mit bebender Stimme und starr vor Schreck. Und dann schlugen sie auf seine Frau ein.

So erzählt ein Mann mittleren Alters, ein Nigerianer, in einem Interview über Christenverfolgungen. Dieser nigerianische Mann und seine Frau wurden Opfer religiöser Unruhestifter. Und er hatte noch Glück, als er selbst und auch seine Frau mit dem Leben davonkamen.

Denn am selben Tag wurden in dem Gebiet, wo sie wohnten, 10 Kirchen in Brand gesteckt. 36 Wohnhäuser brannten ab. Und 147 Geschäfte, die Christen gehörten.

„Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit", sagte Jesus im heutigen Evangelium. Er sagte es, damit wir darauf vorbereitet wären, dass wir so etwas erleben können.

Es gibt internationale Organisationen, die für verfolgte Christen und unter ihnen arbeiten. Sie haben Berichte erstellt, die besagen, dass es weltweit 50 Länder gibt, in denen Christen verfolgt werden. Und in 20 davon handelt es sich um Verfolgungen von größeren Gruppen.

Nordkorea führt die Liste dieser Länder an. Hier ist es verboten, Kirchen zu bauen. Und es ist verboten, sich zu Gottesdiensten zu versammeln. Wenn Christen im Besitz von Bibeln gefunden werden, werden sie, wie zahlreiche Beispiele belegen, gefoltert, diskriminiert oder ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis geworfen. Man hat Christen in Straflager gesperrt oder sogar hingerichtet.

Wir wollen versuchen, diese Informationen auf dänische bzw. deutsche Verhätlnisse zu übertragen. Wir wollen uns vorstellen, was es bedeuten würde, wenn WIR unter derartigen Verhältnissen zu leben hätten.

Es würde bedeuten, dass wir nächstes Mal, wenn wir zu einer Veranstaltung in der Kirche oder im Gemeindehaus erscheinen, Gefahr laufen würden, dass Politzeibeamte in der Tür stehen und uns in Gefangenenlager schicken würden. Und wir würden nicht wissen, wen man von uns umbringen oder foltern würde.

Es wäre auch äußerst gefährlich, zu einem Gottesdienst zu erscheinen. Eíne Sache wäre es, dass wir keinen großen und schönen kirchlichen Raum hätten und kein Personal für die Arbeit in diesem Zusammenhang. Es würde sicher auch ohne gehen! Der Gottesdienst könnte etwa in privater Ugebung in der guten Stube bei dir zu Hause oder bei mir oder in einem Keller in deinem oder meinem Haus stattfinden. Es wäre eine Hausgemeinde. Keine Glocken würden läuten. Es gäbe keine Orgelmusik. Und laut zu singen würden wir nicht wagen, um nicht entdeckt zu werden. Wir würden auch nicht alle um 10 Uhr kommen. So manche würden so unbemerkt wie möglich schon om 8 Uhr morgens dasein, und die nächsten dann eine halbe Stunde später und so weiter. Und es wäre völlig ausgeschlossen, dass wir nach dem Gottesdienst im Freien auf dem Bürgersteig stehen und gemütlich miteinander reden würden. Denn wir wären gezwungen, so diskret wie möglich zu sein, um nicht entdeckt zu werden. Und ich möchte jetzt nur fragen: Wer von uns würde überhaupt kommen? Und wer von uns würde Stube oder Keller für den Gottesdienst zur Verfügung stellen?

Wir können auch versuchen, von der Lage in demjenigen Land auszugehen, das auf der Liste der Länder, in denen Christen verfolgt werden, an zweiter Stelle steht. Das ist der Iran. Wären die Verhältnisse in Dänemark so wie im Iran, dann hätten wir den Schia-Islam als offizielle Religion im Lande. Das dänische Grundgesetz, das wir jedes Jahr mit Freuden feiern, könnten wir total vergessen. Es mag sein, dass wir meinen, wir lebten in einem sehr säkularisierten Land. Aber unsre Gesetze ruhen trotz allem auf dem Fundament der Zehn Gebote. Und das ist ein weitaus größeres Gut, als wir uns oft klarmachen.

Alle Gesetzte hätten mir einer schiitischen Koranauslegung übereinzustimmen. Und das hieße, alle Rechtsstreite würden nach islamischem Gesetz zu entscheiden sein.

Offiziell wären wir als Christen anerkannt. In Wirklichkeit aber würden wir in der Gefahr schweben, verhaftet zu werden, ohne einen Grund zu erfahren. Wir würden wegen unseres Glaubens Schikanen und Diskrimination ausgeliefert sein. Und diejenigen, die in unserem Land wohnen und Moslems sind, dürften nicht zum Christentum oder zu einer andren Religion übertreten. Wenn sie es tun und wenn es entdeckt wird, würden sie hingerichtet werden. Wir würden dann z.B. unsre Kinder nicht in aller Öffentlichkeit taufen können. Das würde nur heimlich und im Verborgenen geschehen können. Wir würden unsere junge Menschen nicht konfirmieren, weil es eine allzu große Gefahr mit sich brächte.

Und wenn wir unser Fernsehen anmachen würden, würden alle Sendungen von der Regierung kontrolliert sein. Men würde Feldzüge gegen Christen und andere Minderheitsreligionen veranstalten. Und wenn wir zu Gottesdiensten zusammenkämen, würde hier in der Kirche der Geheimdienst dabei sein und alles überwachen, was hier gesagt und getan wird.

Ich könnte den Rest meiner Predigt so aufgebaut haben, dass wir uns jeweils ein Land vornehmen und damit vergleichen, wie es bei uns sein würde, wenn wir unter denselben Bedingungn leben würden. Denn es ist auch schlimm in Afghanistan, in Tschtschenien und weitgehend auch in Ägypten, vor allem in Bezug auf die koptischen Christen, wie auch in bestimmten Provinzen und Dörfern Vietnams.

WARUM geschehen solche Dinge? WARUM werden Christen verfolgt? Über das hinaus, was nach den Worten Jesu geschehen wird: was kann diese Zustände sonst noch erklären? In unsrer Gegenwart gibt es viele Gegenden in der Welt, in denen gleichsam die Christen an der Reihe sind, in der Schusslinie zu stehen. Es kann beispielsweise der Fall sein, weil einige Moslems das Christentum mit dem ganzen westlichen Machtapparat verbinden, der jahrhundertelang besonders Asien und Afrika ausgeplündert und regiert hat. Und das ist - historisch betrachtet - ja nicht grundlos. Aber es bedeutet, dass es heutzutage religiöse Gruppen gibt, die den Westen als ihren großen Feind und die Christen als die Alliierten des Westens betrachten.

An gewissen Orten wird diese Sehweise vielleicht noch dadurch intensiviert, dass viele Christen sozial besser gestellt sind als die meisten anderen Menschen. Daraus sind von unten her in der Bevölkerung Eifersucht und Wut entstanden. Und darunter haben die Christen zu leiden.

Es existiert also nicht nur eine Erklärung dafür, dass die Christen verfolgt werden. Aber dafür gibt es ein Ergebnis, und das ist furchterregend. Nämlich dass die Christen heute die größte Gruppe von Menschen sind, die ihrer Religion wegen verfolgt werden. Es sind in den vergangenen 100 Jahren mehr Christen wegen ihres Glaubens umgebracht worden als in den 19 Jahrhunderten davor insgesamt. Und mit einer Entwicklung, die allein in Nordafrika und im Nahen Osten in den letzten paar Jahren zu beobachten war, geht die Entwicklung in eine Richtung. Und das ist der falsche Weg. Die Zahl der verfolgten Christen wächst ständig. Deshalb sind wir genötigt, davon Kenntnis zu nehmen, auch wenn wir meinen, es sei furchtbar und unerträglich. Und obwohl es ein milder Frühlingstag ist, an dem die Sonne scheint und ihr Licht alles durchdringt und wir lieber von der Zeit der Blüte hören wollen, die nahe ist, oder von etwas anderem milden. Ja, sicherlich, aber es muss auf ein andermal warten. Denn wir würden die verfolgten Christen Stich lassen, wenn wir ihre Leiden mit Schweigen übergehen würden!

Aber was sollen wir tun angesichts der Verfolgungen unserer christlichen Brüder und Schwestern in der Welt? Wir wohnen ja nicht in Nordkorea oder im Iran, und wir haben keinen Einfluss auf die dortigen Verhältnisse.

Nein, aber etwas können wir tun. Als erstes können wir Gott DANK sagen für unsere Lebensbedingungen. Und wir können uns weiterhin darin üben, unsere Freimütigkeit zu aktivieren und ein wenig öfter anderen erzählen, dass wir an Gott glauben und Freude haben an unserer Kirche. Oder uns kein Dasein vorstellen können, in dem wir nicht täglich zu ihm beten. Wir verlieren dadurch doch nicht unsere Arbeit. Wir kommen auch nicht ins Gefängnis und werden nicht körperlich misshandelt. Lasst uns aufhören, uns mit unserem Christentum zu verstecken. Lasst uns frei und offen von unserem Glauben sprechen. Wir sterben ja nicht daran! Es kann doch höchstens das passieren, dass manche Menschen uns mit einem höhnischen Achselzucken begegnen oder herablassend fragen: „Du bist doch nicht etwa fromm oder gar fanatisch?" Und das ist doch im Grunde nicht gar so schlimm. Es sind unbedeutende Kleinigkeiten im Vergleich mit dem, was Christen in der Welt leiden müssen.

Wir können auch für unsere Mitchristen beten, die verfolgt werden. Wir können es im Kirchengebet tun, wenn wir für die Kirche in der ganzen Welt beten, und wir können es jeweils persönlich tun.

Die letzte Frage, die noch offen ist und gleichsam noch in der Luft hängt, ist die: Ist es der Mühe wert, Jesus Christus zu folgen und sein Zeuge zu sein, wenn es sich doch zu so großer Gefahr entwickeln kann? Wäre es nicht klüger und sicherer, sich vom christlichen Glauben weit fernzuhalten? Dann würden wir kein Risiko eingehen.

Niemand von uns, die hier sitzen und sich nicht in dieser Gefahr befunden haben, ist der Rechte, diese Frage zu beantworten. Aber ein Mensch, der selbst wegen seines Glaubens umgebracht worden ist, hatte eine Antwort gegeben. Denn er konnte einige Briefe schreiben, während er auf seine Hinrichtung wartete. Es ist Ignatius - ein Bischhof der frühen Kirche. Er schrieb, selbst wenn der Preis hoch sei, so sei er doch nicht zu hoch. Denn alles erdenkliche Mobbing und alle Verfolgung, Gewalt, Schikane, Diskrimination, Entwürdigung, Gefängnis und Tod sind immer noch ein niedriger Pris dafür, ihm zuzugehören, der uns eine Ewigheit in Freude im Reich Gottes schenken kann - Jesus Christus. Nichts ist wichtiger als zu ihm zu gelangen. Denn er ist es, der uns den Eingang in das Reich Gottes öffnet.

Ignatius formulierte es auf diese Weise, als man ihn nach Rom brachte, wo er vor die Löwen geworfen wurde. „Kein Wesen, weder sichtbar noch unsichtbar, soll verhindern, dass ich zu Jesus Christus gelange. Lass nur Feuer und Kreuz, Scharen von wilden Tieren über mich kommen. Lass meine Knochen gebrochen, zermalmt, verstreut werden. Lass meine Glieder zerhackt werden. Lass den ganzen Leib zerrissen werden. Lass die bösen Plagen des Teufels über mich kommen. Wenn ich nur zu Jesus Christus komme."

Amen

 



Pastorin Birgitte Graakjær Hjort
DK-8200 Århus N
E-Mail: bgh@christianskirken.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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