Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 07.07.2013

Predigt zu Jesaja 43:1-7, verfasst von Tom Kleffmann


 

Gnade sei mit euch, und Friede von Gott, unsern Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Ich sehne mich nach einer klaren, eindeutigen Erfahrung Gottes. Um die Gewissheit, dass ich es wirklich mit Gott zu tun habe und nicht nur mit eigenen Gedanken. Ich vermute, es geht vielen so.

Sicher gibt es auch die neuen, lauten Atheisten, die sich über die Dummheit religiöser Sehnsucht lustig machen. In meinen Augen sind die nicht erwachsen - sonst würden sie doch wenigstens die Sehnsucht nach dem Sinn kennen, nach dem einen Geheimnis der Welt.

Von uns Christen aber sehnen sich viele nach einer klaren, eindeutigen Erfahrung Gottes. Heute - wo der Himmel nicht mehr oben und die Hölle nicht mehr unten ist. Wo wir es nicht mehr kindlich unmittelbar verstehen können: Die Geburt des Sohnes Gottes von der Jungfrau Maria. Die Wunder seiner Beglaubigung. Und die Auferstehung von den Toten? Das Sitzen zur Rechten des Vaters? Das Kommen zu richten die Lebenden und die Toten? Um hier die Wahrheit Gottes zu verstehen, müssen wir übersetzen. Unterscheiden: die vergangene Sprachform von der Wahrheit Gottes selbst. Aber wo fängt das an und wo hört das auf? Zerinnt dann nicht alles? Gott selber müßte es uns verstehen lassen! Wir sehnen uns nach der eindeutigen Erfahrung Gottes.

Was in unserer Kirche gelehrt und gepredigt wird, hilft da oft nicht weiter. Die Hilflosigkeit gegenüber der Aufgabe, das menschliche Wort Gottes zu sagen, das Leben und Tod und Sinn entscheidende Wort - die Hilflosigkeit schlägt ja nicht selten um in Anbiederei. Statt um Gott zu ringen, um das wahre Leben, um die Ewigkeit, sucht die Predigt den Beifall. Was die Leute sowieso für moralisch fortschrittlich halten, wird religiös aufgepustet. Solidarität zum Beispiel, oder Toleranz. Nichts gegen Solidarität. Aber dafür braucht die Kirche kein Mensch. Darauf lebt und stirbt keiner. Wenns nur ein religiöser Anstrich unserer fortschrittlichen Moral und schönen Kultur sein soll - darauf können wir auch getrost verzichten.

Nicht dass ich mich hier heute als großen Bewahrer der Lehre aufspielen möchte. Die wahre Lehre festzuhalten - wenn das so einfach ginge. Es geht auch garnicht um konservativ oder liberal. Kirchlich mit Konservativismus oder Liberalität kokettieren - das bringt auch niemanden weiter. Es geht um die Wahrheit. Um die Wahrheit, die wir uns nicht selber geben können. Es geht darum, ob Gott zu dir spricht. - - -

Der Text, den ich heute zu predigen habe, verspricht, die Sehnsucht zu erfüllen: daß Gott zu dir spricht.

Ich lese aus Jesaja, 43. Kapitel. [Lesung Jes. 43,1-7]

Über die Fremdheit von 2500 Jahren hinweg ist das der Anspruch: daß Gott zu dir spricht. Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn Gott dich bei deinem Namen ruft, wenn er dich selbst kennt und erinnert und du zu ihm gehörst und er bei dir ist, dann hat er dich erlöst: erlöst von der Angst zu vergehen. Erlöst von der Sorge um dich selbst. Wenn du ins Feuer gehst sollst du nicht brennen. Erlöst aus deiner Verlassenheit. Erlöst von Gottes Ferne und seinem Schweigen, das tödlich ist, weil es unser Leben in Sinnlosigkeit zurückläßt. Denn was soll unser Leben hier, 70, 80, 90 Jahre, wenn Gott schweigt?

Aber hier, jetzt, spricht Gott: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Das ist der Anspruch: Gott selbst spricht durch den Menschen - zu dir. - - -

Aber: sprach er nicht hebräisch? Ist das nicht eine Übersetzung? Zu wem spricht denn der Prophet? Zu Israel? Oder zu mir und zu dir? So müssen wir ja fragen: sind wir Christen da angesprochen, in deutscher Sprache, jetzt? Gilt das jetzt: dass Gott spricht? Oder ist, so gesehen, der Text nicht gerade ein Beispiel dafür, daß unser historisches Fragen Gott ungewiss macht?

Natürlich hat dieser Prophet vor 2500 Jahren hebräisch geredet. Im Namen Gottes redet er zum Volk Israel. Denen, die seit Jahrzehnten im Exil in Babylon lebten, unendlich weit weg vom Heiligtum in Jerusalem, spricht der Prophet die Wende Gottes des Herrn zu - in Gottes Namen die Erlösung von aller Furcht und Verlassenheit. Im Jahr 539 vor Christus besiegen die Truppen des Perserkönigs Kyros Babylon. Gott hat die Völker als Lösegeld gegeben zum Heil Israels. Er wird Israel, das Volk Gottes heimführen.

Das ist die ursprüngliche Geschichte. Ein hebräisches Prophetenwort vor 2500 Jahren. Und doch ist das heute, in unserer Sprache, zu dir und zu mir gesagt: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wort Gottes, durch einen Menschen.

Wieso dürfen wir das? - daß wir als Christen dasselbe Wort heute und so verstehen, daß es zu uns gesprochen ist? Daß wir es in unserer Sprache, neu verstehen? Wieso können wir das? Wieso haben wir das Recht? - Eine überflüssige Frage! Entweder spricht Gott zu dir oder er spricht nicht zu dir. Hörst du Gott darin sprechen, fragst du nicht mehr nach dem Recht dazu.

Aber wenn du doch fragst, dann antworte ich: Wir können dieses Wort als Christen verstehen, weil Gott es uns neu zu verstehen gab. Der Gott Israels ist der eine Gott, der Schöpfer, das Geheimnis der Welt, das Ziel - der Gott der durch Menschen, Propheten sich offenbart. Doch wenn es die Weihnacht gab, wenn er selbst ein Mensch geworden ist, wenn sich darin alle Verheißungen von Gottes Nähe und Verzeihen erfüllten: dass er selber unsere Verlassenheit auf sich nahm - dann können wir, in diesem Geist, alles verstehen, das ganze Alte Testament, und es ist Gott selbst, der zu dir spricht.

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich kam zu dir in deine Einsamkeit. Der Tod beherrscht dich nicht mehr. Du bist frei.

Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Vor mir erkennst du dich und deine Verlorenheit. Und meine Gnade ist dein neues Leben. Du bist getauft. Du gehörst zu mir.

Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, weil ich dich liebhabe. Nein - ich opfere nicht andere Menschen und Völker. Sondern ich selbst bin gekommen. Ich habe mich am Kreuz für dich gegeben, damit du in deinem Tod und Leben nicht allein bist.

Ich will dich vom Osten und vom Westen her sammeln. Ja ich will euch sammeln. Ihr sollt meine Kinder sein in allen Völkern der Erde. Ich gebe euch die Freiheit, euch zu verstehen und füreinander dazusein. Eure Liebe behüte ich in meiner Ewigkeit.

Hörst du es? Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Dieser Friede, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 



Prof. Dr. Tom Kleffmann
37136 Bösinghausen
E-Mail: kleffmann@uni-kassel.de

(zurück zum Seitenanfang)