Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

20. Sonntag nach Trinitatis, 13.10.2013

Predigt zu Markus 2:23-28, verfasst von Hans-Otto Gade

23 Und es begab sich, dass Jesus am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen.

24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist?

25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren:

26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars (Ahimelech), des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren?

27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

28 So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

 

Liebe Gemeinde,

unweigerlich schließt sich an diesen Predigttext die Frage an, was am Feiertag, am Sonntag, getan werden darf und was nicht. Verkaufsoffene Sonntag geraten immer wieder in die Diskussion; Gewerkschaften und Kirchen versuchen in seltener Einigkeit, den Sonntag für Familie, Freizeit und Erholung zu schützen.

Ganz nebenbei: Eher selten höre ich auch von unseren Kirchenoberen den Hinweis, dass der Sonntag für den Besuch des Gottesdienstes und die Anbetung Gottes gemacht ist.

In den Tourismusgebieten an der See ist das schon lange keine Frage mehr. Ganz selbstverständlich haben die Geschäfte auch am Sonntag geöffnet und in Buxtehude kann ich bei jedem Bäcker meine Brötchen auch am Sonntag holen. In Dänemark haben die Geschäfte in den von uns bisher besuchten Gebieten an sieben Tagen der Woche geöffnet – und trotzdem werden die Kirchen besucht. Verkaufsoffene Sonntage und Gottesdienstbesuch müssen kein Gegensatz sein – im Gegenteil. Mit ein wenig Phantasie lässt sich beides sehr gut verknüpfen: Ich gehe zum Gottesdienst und anschließend bummle ich mit meiner Frau noch durch einige Geschäfte.

Eine Verkäuferin sagte mir mal: „Der steuerfreie Feiertagszuschlag zu meinem Lohn ist auch nicht zu verachten! Und dafür habe ich in der Woche auch noch einen zusätzlichen Tag frei!“

Sonntagsarbeit ist weiter verbreitet als wir meinen. Denken wir doch mal an die vielen Menschen, die von ihrem Berufsbild her ganz selbstverständlich auch am Sonntag arbeiten müssen! Ich schaue in meine eigene Familie:

Meine Frau erledigt die auch am Sonntag notwendige Hausarbeit. Unsere drei Kinder arbeiten beim Roten Kreuz, als Notarzt und als Schifffartskaufmann. Sonntagsruhe? Das ist die Ausnahme. Und wie ist das mit mir selbst, mit der Küsterin und dem Organisten? Wie ist das mit den vielen Berufen die einfach notwendig sind, damit wir den Sonntag angenehm und sicher verleben können? Sonntagsruhe? Das ist die Ausnahme in diesem unseren Lande.

Damit ich nicht missverstanden werde: Auch ich kann mir verkaufsoffene Sonntage nur als Ausnahme vorstellen. Der Sonntag ist mir neben den Gottesdiensten auch zur Förderung des Familienlebens wichtig.

Das Gesetz zur Sonntagsruhe wurde in einer Zeit erlassen, als die Feier der Messe bzw. des Sonntagsgottesdienstes für sehr viele Menschen selbstverständlich war. Die Heiligung des Sonntages geschah tatsächlich durch Messe und Gottesdienst und durfte durch keine unangebrachten Tätigkeiten gestört werden. Das habe ich in meiner Jugend noch erlebt.

Als Begründung wurde das Dritte Gebot zitiert: „Du sollst den Feiertag heiligen!“ Die Erklärung Luthers im Kleinen Katechismus lautet dazu: „Was ist das? Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern dasselbe heilig halten, gern hören und lernen.“

Also: Feiertagsheiligung wegen des Gottesdienstes und der dafür erforderlichen Ruhe. Der Sonntag wurde dafür geschützt. Der Sonntag als wöchentliche Erinnerung an den „ersten Tag der Woche“, an dem alle sieben Tage an die Auferstehung Jesu Christ erinnert wird. Denn nach den Berichten des Neuen Testaments haben die Frauen und die Jünger Jesu „am ersten Tag der Woche früh“ das leere Grab Jesu entdeckt. Da fing der Glaube an die Auferstehung, an den Sieg Jesu über den Tod an. Bis in die achtziger Jahre hinein war auf der kleinen Karton-Kalender-Karte der Sonntag in Rot oben - als erster Tag der Woche.

 

Die Juden feiern den siebten Tag der Woche, den Sonnabend, den Sabbath, als Ruhetag, weil nach dem Bericht der Hebräischen Bibel Gott am siebten Tage der Schöpfung ruhte. Diese Sabbathruhe hatte im Laufe der Jüdischen Geschichte allerdings sehr enge gesetzliche Formen angenommen. Verboten war fast alles was auch nur im Entferntesten mit Arbeit und Bewegung zu tun hatte. Diskutiert wurde sogar, ob es erlaubt sei, am Sabbath Leben zu retten.

Und nun kommt Jesus mit seinen Jüngern daher und die Männer (und Frauen) in seiner Begleitung tun etwas Unerlaubtes: Sie rupfen Ähren ab um die Körner zu essen. Das war an sich erlaubt, aber eben nicht am Sabbath: Ähren abrupfen ist Arbeit und deswegen am Sabbath verboten!

Die Pharisäer waren ja nun keine verknöcherten Moralisten, die sauertöpfisch durch die Gegend liefen um den Menschen das Leben zu vermiesen. Es war ihr Anliegen, die Gebote Gottes und die daraus resultierenden Gesetze der Fünf Bücher Mose zu beachten. Das war einfach erforderlich für – so sagen wir heute – das war einfach erforderlich für das „Seelenheil“ des Einzelnen und des Volkes. Es war die Überzeugung nicht nur der Pharisäer: Die politischen Katastrophen der Vergangenheit, die mehrfache Zerstörung Jerusalems und die Gefangennahme des Volkes hatten nur einen Grund: Das war die Strafe Gottes, weil wir seine Gebote und Gesetze nicht genug beachtet haben.

Das soll nicht wieder geschehen, deswegen der Eifer der Pharisäer, die Gebote und Gesetze streng zu befolgen. Mit einer gewissen Sympathie kann ich diese frommen, eifrigen Leute verstehen. Ihnen lag ja nun wirklich das Wohl und Wehe des Volkes am Herzen.

Aber Jesus erhebt Einspruch mit einer Begründung, mit einem Beispiel aus dem Alten Testament: Jesus erinnert an David, der auf seiner Flucht vor dem König Saul von einem Priester die Heiligen Brote erhielt. Die hat er dann mit seinen Hunger leidenden Gefährten gegessen.

Jesus vergleicht sich David – das ist ja nun nicht irgendein Vergleich, sondern schon eine in den Ohren der Pharisäer ungeheuerliche Anmaßung: Da stellt sich dieser Zimmermann aus Nazareth mit dem berühmten, geheiligten, gottgesandten  König David gleich! Da wird versteckt auf die Hoffnung des Volkes Israel angespielt, die Hoffnung nämlich, dass ein Nachfahre dieses Königs David in dieser Zeit das große Gottesreich wieder herstellen wird.

Mit seinem Vergleich sagt Jesus: „Seht mal, ich mache dasselbe wie der hochverehrte König David – ich bin wie der König David!“ Und Jesus setzt noch einen drauf: Der Menschensohn ist ein Herr auch über den Sabbat! Der Menschensohn ist derjenige, dem Gott am Ende aller Zeiten die Macht über das Gottesreich überträgt und der dann auch Richter sein wird. Falls Jesus sich mit diesem Ausdruck „Menschensohn“ selbst meint dann bedeutet das als Antwort auf die berechtigten Mahnungen der Pharisäer: „Ich muss diese Gesetze des Sabbaths nicht befolgen, denn als Menschensohn stehe ich über den Gesetzen der Hebräischen Bibel. Und ich stelle als der gottgesandte Menschensohn fest: Die Sabbathgesetze sind keine absoluten Gebote / Verbote, sondern sie müssen von Fall zu Fall zugunsten der Menschen und ihrem Wohl ausgelegt werden.“

Diese Haltung unterstreicht Jesus in dem nachfolgenden Abschnitt des Markus-Evangeliums: Da heilt er am Sabbath einen Menschen, und das auch noch in der Synagoge! Mich wundert nicht dass am Ende dieser beiden bewussten Missachtungen der Sabbathgesetze die Pharisäer mit den Anhängern des Herodes beratschlagen, wie sie Jesus umbringen könnten.

 

Was bedeutet diese Haltung Jesu zu den Sabbathgesetzen für unsere Diskussion um den Sonntag und die Sonntagsruhe?

Gar nichts. Erstens geht es in dieser Bibelgeschichte um den Sabbath, den Sonnabend also, und zweitens wird unser Sonntag nicht durch irgendwelche Gesetze und Vorschriften des Alten Testaments geschützt. Unser Sonntag ist geheiligt durch die wöchentliche Erinnerung an die Auferstehung Jesu. Deswegen muss in angemessener Weise Zeit und Raum da sein, Gottesdienste zu feiern und an den Sieg Jesu Christi über den Tod zu denken. Es muss in angemessener Weise Zeit und Raum da sein, im Gottesdienst Kraft zu schöpfen für den Weg durch die Woche.

Das kann aber nicht allein durch Gesetze geschehen. Damit ist niemand geholfen wird. Auch der Kirche und dem Gottesdienst nicht. Wir Christen müssen die Gesetze zur Sonntagsruhe mit Leben füllen.

Die gute und richtige Sonntagsruhe muss als Angebot, als Chance, als Geschenk verstanden werden. Dieses Angebot, dieses Geschenk muss aber gerade von uns Christen auch genutzt und mit Leben, mit gottesdienstlichem Leben erfüllt werden. Dann ist die Sonntagsruhe gut und richtig.

Sie ist gut und richtig, wenn wir an diesem Feiertage die Arbeit ruhen lassen und den Allmächtigen und Barmherzigen Gott anbeten – den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist!

Amen

 



Pastor i.R. Hans-Otto Gade
Buxtehude
E-Mail: hans-otto.gade@ewetel.net

(zurück zum Seitenanfang)