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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Neujahr, 01.01.2014

Ein neues Jahr: Leben aus den Gaben
Predigt zu Philipper 4:10-13,14-20, verfasst von Kira Busch-Wagner


 

Liebe Gemeinde,

wir begehen Neu-Jahr; hinter uns liegt Adventszeit und schließlich Weihnachten mit den mancherlei Festen und Feierlichkeiten, mit Gottesdiensten und Besuchen, mit Jahresabschlüssen und Schulferien, mit Familien- , Freundes- oder Jahrgangstreffen, vor uns noch die letzten Feiertage, ein Sonntag noch mal und dann Epiphanias, bevor Schul- und Arbeitsalltag im vollen Umfang wieder beginnen. Die berühmte Zeit zwischen den Jahren also. Und viele nutzen diese Zeit ja auch zu Kontakten per mail oder Telefon, auf Facebook oder anderen Netzen, vielleicht sogar zum Briefeschreiben, für Dankespost auch da und dort. Dank für Grüße, die einen erreichten, für Geschenke und Gaben, für Päckchen, wohltuende Gedanken, für Gutscheine, liebevolle Präsente, Dank vielleicht auch für Spenden der vorweihnachtlichen Zeit. Und tatsächlich, es freut eben doch, wenn die eigene Gabe wiederum Resonanz auslöst, eine freundliche Antwort, und die Beziehung aufs neue bestärkt.

Den Ausschnitt eines Dankesbriefs bringt heute zum Neujahrstag auch die Predigtordnung mit sich. Sie legt uns vor Verse aus dem letzten Teil des Briefs, den Paulus an seine geliebte Gemeinde in Philippi sendet. Unsere Predigtordnung will damit zugleich uns ermutigen für das neue Jahr, will uns zusprechen „Frieden und ein seligs Jahr", wie es in einem unserer Weihnachtslieder heißt (EG 34, Freuet euch ihr Christen alle)will uns einüben in eine Haltung der Freiheit und Verantwortung gleichermaßen, in eine Dankbarkeit, aus der Hoffnung und Zuversicht, Demut und Kraft gleichermaßen erwachsen. Welche uns selbst und anderen zugute kommen können.

Ich lese aus dem 4. Kapitel die Verse 10-20.

Paulus schreibt:
Ich bin aber hoch erfreut in dem Herrn, dass ihr wieder eifrig geworden seid, für mich zu sorgen; ihr wart zwar immer darauf bedacht, aber die Zeit hat's nicht zugelassen.

11 Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie's mir auch geht.
12 Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden;
13 ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. a
14 Doch ihr habt wohl daran getan, dass ihr euch meiner Bedrängnis angenommen habt.
15 Denn ihr Philipper wisst, dass am Anfang meiner Predigt des Evangeliums, als ich auszog aus Mazedonien, keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft gehabt hat im Geben und Nehmen als ihr allein.
16 Denn auch nach Thessalonich habt ihr etwas gesandt für meinen Bedarf, einmal und danach noch einmal.
17 Nicht, dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht, damit sie euch reichlich angerechnet wird.
18 Ich habe aber alles erhalten und habe Überfluss. Ich habe in Fülle, nachdem ich durch Epaphroditus empfangen habe, was von euch gekommen ist: ein lieblicher Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig.
19 Mein Gott aber wird all eurem Mangel abhelfen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.
20 Gott aber, unserm Vater, sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

 

Ins Gefängnis hinein hat Paulus Gaben der Gemeinde empfangen, Geschenke, vielleicht Pakete mit Essen, mit Gütern fürs Wohlbefinden, vielleicht mit Geld. Und er ist so glücklich darüber. Nicht nur, dass er persönlich davon Vorteil hat. Das auch. Aber noch viel mehr. Dass die Menschen in Philippi Kontakt halten, dass sie dem Gemeinschaftsgedanken Ausdruck geben, dass sie ihrem Gründer und Vorbild zugewandt bleiben - das alles zeigt Paulus und zeigt der Welt etwas von der Verbundenheit der Christen untereinander. Eine Verbundenheit und Fürsorge und liebevolle Verantwortung, die eben Gottes Verbundenheit, Gottes Fürsorge, Gottes Liebe zu den Menschen widerspiegeln.

Und so verbindet sich für Paulus in seinem Antwortbrief der Dank gegenüber der Gemeinde mit einem Glaubenszeugnis. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, schreibt er. Durch den, der mir Kraft gibt. Alles, was ich kann, habe ich ursprünglich nicht aus mir selbst genommen. Was ich weitergeben kann, das habe ich empfangen. Worin ich groß bin, das hat Gott mir geschenkt. Was mir möglich ist, das hat Gott mir anvertraut, dazu hat Gott mich gerufen.

Das große Selbstbewusstsein des Paulus beruht auf einer Art Gottesbewusstsein. Hat mit seinem Glauben zu tun. Geht zurück auf das Bewusstsein: Was ich kann, habe ich geschenkt bekommen. Was ich vermag, das ist von Gott gegeben.

Da sind Bescheidenheit und Anspruch, Demut und Kraft, Auftrag und eigene Kreativität eben keine Widersprüche. Das sollten sich, das dürfen sich ganz besonders all diejenigen ins Gedächtnis rufen, die sich von Haus aus nicht nur in der zweiten Reihe einsortieren, sondern vielleicht gar in der zwanzigsten. Die Hemmungen haben, „ich" zu sagen, die eher gelernt haben, zurück zu stehen, bescheiden zu bleiben, nicht von sich selbst zu reden.

Paulus lädt dank unserer Predigtordnung uns ein, am Beginn des neuen Jahres uns ins Gedächtnis zu rufen, wozu Gott uns bestimmt haben mag. Und dem mit aller Kraft nachzukommen. Eben um Gottes willen.

Noch einmal lohnt es sich zu vergegenwärtigen alles, was mir geschenkt wurde im vergangenen Jahr, Zugewinn an Erkenntnis, an Gesundung, an Freundschaft und Liebe, an materiellem Wohlstand, an Kräften, an Gedanken, das alles soll auch eine Geschichte in der Zukunft haben. Soll sich auswirken, soll weiter Früchte schenken, soll Ertrag geben, darf sich vervielfältigen.

Das lässt sich mit dem alten Kalender machen, bevor man ihn zum Altpapier gibt. Monat für Monat wie Paulus noch einmal in liebevoller Aufmerksamkeit bedenken: Was ist mir da geschenkt worden? Was habe ich da erhalten? Was ist mir zugewachsen, dass ich es pflegen und weitertragen kann.

Es gehört wohl zu den Werken des Heiligen Geistes, dass die katholischen Glaubensgeschwister mit einer ganz anderen Gestalt sich durchaus vergleichbares einander heute zusagen und verkünden, indem sie zum Abschluss der Weihnachtsoktav noch einmal an Maria erinnern. Deren Größe aus dem Empfangen kommt, ihr Mut aus der Zusage und dem Zuspruch des Engels, ihr Aufbegehren gegen die soziale Ungerechtigkeit aus Gottes Tun, wenn er - wie Maria es im Magnificat besingt - die Niedrigen und Erniedrigten auf Augenhöhe holt, die Bedürftigen mit Gaben füllt.

Der achte Tag nach dem Weihnachtsfest - nach unserem Kalender also immer der erste Januarn- verweist deshalb als Marienfest noch einmal so ausdrücklich auf die Geburt Jesu zurück, weil der achte Tag für das Jesuskind der Tag der Namensgebung und der Beschneidung ist und in dieser Weise das Geburtsgeschehen abschließt. Ausdrücklich berichtet der Evangelist Lukas im letzten Satz der Weihnachtsgeschichte davon (2,21). Gott ist die Hilfe, Gott hilft, das wird dem Kind und seinen Eltern versprochen; das wird uns auch für das neue Jahr mit dem Namen „Jesus", „Jeschua" zugesagt.

Und die jüdische Beschneidung ist bis heute das körperliche Zeichen für den Bund Gottes mit seinem Volk seit Abraham, ein Bund, an dem wir Christen durch Jesus partizipieren, durch Jesus dran festhalten und uns anschließen können. Ein Bund, den Israel, den das jüdische Volk immer als einen Bund der Beauftragung, der Sendung, einen Bund des Wirkens verstanden hat. Als Geschenk Gottes, das dazu einlädt, das Geschenk zu nutzen, weiter zu geben, fruchtbar zu werden. Um Gottes willen.

Es ist gut, zu wissen, dass die verschiedenen biblischen Wege zum gleichen Ziel führen.

So sind wir mit den älteren Geschwistern vor Gott, mit Jüdinnen und Juden verbunden, indem wir die Zugehörigkeit Jesu zum Judentum feiern, seine Zugehörigkeit in den Bund Gottes mit seinem Volk, Geschenk, an dem wir teilhaben von unserer Taufe an.

Es ist gut, zu wissen, dass heute in beiden großen Konfessionen die gleiche Einladung hören, das neue Jahr zu beginnen. Nämlich mit der Ermutigung Gottes, mit den Gaben, die wir bekommen haben, mit den Aufträgen, denen nachzukommen vor uns liegt.

Konfession heißt ja eigentlich „Bekenntnis". Einer Konfession, einem Bekenntnis anzugehören, kann doch am Ende nur meinen, Gott zu bekennen über alle Wechselfälle des Lebens hinweg. Gott zu bekennen im Dank. Gott zu bekennen, Gott die Ehre zu geben mit unserem Tun und Lassen, mit unseren Plänen und Vorhaben, Gott zu bekennen, wenn seine Kraft aus uns spricht, Antwort gibt für das, was wir empfangen haben.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne, bewahre Wahrnehmung und Verstand, in Christus Jesus. Amen.

 



Pfarrerin Kira Busch-Wagner
76275 Ettlingen
E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

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