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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 17.08.2014

Predigt zu 1. Petrus 4:7-11, verfasst von Jochen Riepe

‚... damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.‘

                                                                       I

Gastfreiheit - ein erstes Bild : Einmal im Jahr , im Sommer, lud die Rentnerin aus der 3. Etage die Hausbewohner ein - ins Restaurant -  zum Essen a la carte ... Wenn der Kellner die Speisekarte brachte , mahnte sie : ‚Nur auf die linke Seite sehen!‘ , denn  rechts stehen ja die Preise . Wenn wir zurückhaltend oder auffällig bescheiden wählten , mahnte sie noch einmal : ‚Die Liebe geht durch den Magen und die Nachbarschaft auch‘.

                                                                      II

Es gibt ein Wort in unserer Sprache , liebe Gemeinde , das lächelt : ‚Altersmilde‘. Gleichsam ein end-zeitliches, abschiedliches  Lächeln , denn am Ende wird alles klarer : Das Wichtige und das Unwichtige , wann man sich aufregen soll und wann lieber nicht , was man tun und vor allem , was man besser lassen soll. ‚Ich nehme die Welt und die Menschen so wie sie sind‘. ‚Altersmilde‘ , dieses Wort lächelt, aber es wird häufig auch belächelt . Wo ist dein Kampfgeist? Deine Kritik an den Verhältnissen ? Wer führt die Sünden und die Sünder vor? Wer wühlt in den Wunden und brandmarkt die Schuldigen ? ‚Ihr sollt frecher werden , nicht milder!‘ tönt ein Ratgeber für Senioren.

                                                                        III

Petrus spricht vom Ende , vom Ziel und er versetzt die Leser und Hörer seines Briefes in eine produktive Spannung .Wer um das Ziel aller Dinge weiß, wer in ihnen Gott begegnet, der wird nüchtern und besonnen. Zugleich aber soll in ihm  - ja, die Kraft und die Leidenschaft der ‚verhüllenden Liebe‘ geweckt werden. Im Verhalten der Christen , in ihrer Ethik , muß sich doch zeigen , daß mit dem Christus eine neue Zeit angebrochen ist. Wenn das Ende, das Ziel, das Gott dieser Welt setzt, nahe gekommen ist, dann soll die Gemeinde, ‚das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft‘* wissen, worauf es noch ankommt. Sie lebt als Fremdling  neben oder bei dem Haus der Weltbewohner und eben in dieser Distanz kann sie besser sehen , was  jetzt nötig und an der Zeit ist.

                                                                         IV

Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe, denn die Liebe deckt der Sünden Menge‘ , mahnt darum Petrus die Gemeinde. Am Ende, wenn wir klarer oder sogar : klar sehen, wird alles Falsche , Fehlgelaufene ,Unterlassene , uns von Gott und dem Nächsten trennende sichtbar. Damit uns aber dieses Ende nicht in Panik und Verzweiflung stürzt oder noch skeptischer und verbitterter macht , greift der Apostel in einem und sofort zum Schutzschild , zur schützenden Decke **   der Liebe . Keine Rede über die Sünde ohne die versöhnende Kraft der Liebe! Keiner soll nackt oder beschämt dastehen oder daliegen müssen , ohne daß einer ihn bekleidet und für ihn spricht.  Aber kann man zur Liebe ermahnen oder aufrufen? Jeder weiß doch , daß man Gefühle nicht herbeizaubern oder gar erzwingen kann! Der Apostel, liebe Gemeinde , lehrt uns eine Liebe jenseits familiärer oder freundschaftlicher Zuneigung oder erotischer Anziehung. Diese Liebe kommt von Gott und sie gilt jedem seiner Geschöpfe. Alle und alles  sollen in ihr geehrt und geachtet sein.

                                                                         V

Gastfreiheit - ein zweites Bild. Der große Immanuel Kant soll täglich kurz vor ein Uhr mittags  zappelig und nervös geworden sein. Nach dem Lesen, Schreiben oder Dozieren wuchs die Vorfreude auf das Mittagessen , das er bald genießen würde , und es wuchs genauso die Vorfreude auf die Tischgäste, die er im gemeinsamen Essen und Sprechen  ebenso genießen wollte. Gastfreundschaft.  Für den Philosophen war diese Tischgesellschaft - so  die Historiker***- verbindlicher und verbindender als ein ‚Gelübde‘ : ‚Respekt, Empathie, Seelenfreundschaft‘  vereinigten die Speisenden miteinander. Meint Ihr , es ist ein Zufall, daß Petrus eben diese Gastfreiheit : die Bereitschaft , den anderen, der ja auch immer ein Fremder ist,  ‚ohne Murren‘  in sein Haus und an seinen Tisch zu laden, als erste Konkretion der ‚beharrlichen Liebe‘ nennt ? ‚Die Liebe geht durch den Magen , die Nachbarschaft auch‘, sagte die Rentnerin und der Philosoph nahm es auf : Wird nicht zu Tische eine Weise der Liebe erfahrbar, die jenseits der intimen oder familiären Ebene als soziale , eben : viele verbindende Kraft wirkt? Aller Ärger ,alle Unterschiede , die Verrücktheiten der einen und die spleens des anderen werden hier gleichsam zerkaut und verdaut und darin zweitrangig hinter der Freude aneinander.

                                                                           VI

‚Das Ende aller Dinge ist nahe gekommen‘ , schreibt der Apostel : Alle und alles werden wird auf Gott hin durchsichtig und in Gott gepriesen . Darf man  darum nicht diese Schöpfung in Liebe , mit einem ‚guten Gewissen‘ ****und eben auch in (Alters-)Milde sehen ? Ja, mehr : Ist es nicht unsere Pflicht, sollen wir sie nicht darin sehen - ermahnt und gestärkt in einem ?  Gewiß, das muß bedacht sein : ‚Liebe macht blind‘ , heißt es ja auch  . Oft genug vertuscht sie und will es nicht wahrhaben. Der Kirche sagt mancher eine ‚unerbittliche Versöhnlichkeit‘ nach - besonders gegenüber den Mächtigen ... Aber Milde , warmherzige Aufmerksamkeit und Langmut haben mit Schwächlichkeit , harmoniesüchtiger Unterwerfung  oder gleichgültigem Wegsehen nichts zu tun. Milde -  das ist der kreative, anerkennende , aufbauende und aufrichtende Blick unseres Gottes , sein ins Leben rufende Wort  . Und unsere lächelnde und belächelte menschliche Altersmilde sei uns eben in diesem Sinne ein großes Gut : Altersmilde ist ja nicht Lebensmüdigkeit. Wie entspannend ist es und vorwärtsweisend, wenn einer unserer Senioren der allgemeinen Aufgeregtheit entgegenhält : ‚Nun kommt doch erst einmal zur Besinnung! Nun atmet doch erst einmal durch und seht euch die Lage in Ruhe an !‘

                                                                            VII

Gastfreiheit - ein drittes  und letztes Bild :  Der Gemeindemittagstisch ... er kann zum peinlichen Desaster werden, wenn nur einer knurrt und  murrt : ‚Neben den setze ich mich nicht  ...‘  In jeder Gruppe gibt es Sympathie und Antipathie , Freundschaften und Feindschaften oder Feindseligkeiten . Die Liebe , aus der wir leben , mit der uns Gott in Christus  geliebt hat , hebt das nicht einfach auf oder kehrt es unter den bekannten Teppich. Diese Liebe ver-setzt uns ein Stück neben uns, mutet uns ‚Übungen der Versöhnung‘ ***zu und ab und zu an unserer Tafel  einen ungewohnten oder sogar ärgerlichen Platz. Dann mögen wir leiden , aber mancher hat auch schon überrascht festgestellt : Das gute Essen des Küchenteams , die fröhliche Geselligkeit , das Tischgebet hat diesen Platz zu einem wahrhaft geselligen , gastfreundschaftlichen verwandelt. Ich sprach den an , den ich gar nicht oder allzu gut kannte, und der antwortete und beim Nachtisch haben wir sogar gelacht.

                                                                           VIII

‚...damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.‘    Amen , liebe Gemeinde ist das (alters-)milde Wort schlechthin. Weniger : Ich nehme die Welt, wie sie ist , vielmehr : Ich nehme die Welt , wie sie in Gottes Liebe genommen werden soll.



Pfarrer Jochen Riepe
Dortmund
E-Mail: Jochen.Riepe@gmx.net

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