Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

20. Sonntag nach Trinitatis, 21.10.2007

Predigt zu Markus 2:23-27, verfasst von Anne Töpfer

Liebe Gemeinde!

Auf dem richtigen Weg - oder:
Der Sonntagsspaziergang


Jeden Sonntag dasselbe. Nach dem Mittagessen legen meine Eltern eine halbe Stunde die Beine hoch und dann geht es los. Mama, Papa und Tochter machen sich auf den Weg. Schon vor der Haustür grüßen meine Eltern die ersten Nachbarn oder Kunden. ‚Guten Tag, auch eine Runde machen?'. Ich verdrehe meine Augen. ‚Immer dasselbe' denke ich. ‚Wie weit wir wohl kommen, bevor sie für das nächste Schwätzchen stehen bleiben.' Aber wir kommen durchaus voran. Durch die Straßen von Bentheim gehen wir zielstrebig dem Wald entgegen. Links von uns die sauber gehakten Streifen zwischen Bürgersteig und Hecke, dahinter die Astern, deren Gelb verzweifelt gegen den grauen Himmel strahlt. Wir lassen das Finanzamt rechts liegen und biegen ab. Ich rieche schon die Kühe auf der ersten Weide. Unter meinen Füßen wird es rutschig. Der gepflasterte Bürgersteig liegt hinter uns. Rechts und links säumt Stacheldraht unseren Weg. Dann noch einmal aufpassen. Jetzt überqueren wir die Bundestrasse und anstelle der Häuser steht nun ein Baum neben dem anderen.

Mitten hindurch führt der Weg unseres Sonntagsspaziergangs. Ein vertrauter Weg. Viele Male sind wir ihn gegangen. Manche kleinere Wege zweigen von ihm ab.
Aber wir bleiben dort, wo wir immer lang gehen.
Wir reden über die Woche, über die vergangene genauso wie über die kommende.
Schritt für Schritt kommen wir weiter. Dann noch einmal über die Bundestrasse und zurück in die Gassen von Bentheims. Ein Rundweg, ca. 1 Stunde dauert er.
Drei solcher Rundwege gab es in meiner Kindheit. Jeden Baum und jeden Zaun kannte ich. Die Route war vorprogrammiert und die Langeweile auch. Ich mochte diese Spaziergänge nicht. Sie ödeten mich an.

Querfeldein
Die Jünger Jesu gehen einen anderen Weg. Sie laufen querfeldein. Mitten durch ein Kornfeld. Ein neuer Weg. Keiner ist ihn vor ihnen gegangen. Sie betreten Neuland. Da gibt es was zu entdecken. Die Ähren sind reif und reizen dazu, sie zu probieren. Sie sind nicht im Kornfeld, um es zu ernten. Sie arbeiten nicht am Sabbat, dass tut man nicht. Der Sabbat ist ein Tag der Ruhe, aber auch ein Tag der Freiheit, ein Tag des Lebens und ein Tag der Freude. So wie es unser Sonntag sein sollte.
Für mich als Kind war der Sonntag vor allem durch den Sonntagsspaziergang etwas Besonderes - allerdings eher im negativen Sinne.
Anders höre ich es von den Jüngern. Mit der Erfahrung meines Sonntagsspaziergangs, beneide ich sie um ihr Erleben des Ruhetages. So hätte ich es auch gerne getan.

Ein besonderer Tag - ein Feiertag
Der Sabbat als ein besonderer Tag für das jüdische Volk. Der Sonntag als ein besonderer Tag für die Christen. Aber was genau ist das Besondere?
Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Die Jünger sind mit ihrem Sabbatspaziergang angeeckt. Was sie tun, ruft die Pharisäer auf den Plan. Ihnen sind die Gebote und Weisungen bekannt. Und sie wissen, was geschehen kann, wenn die Menschen sich nicht daran halten. Um Gottes willen achten sie darauf, dass die Gebote gehalten werden und das Sabbatgebot ist eines davon.
Aber manchmal nehmen sie es zu genau mit den Buchstaben der Gebote.
Deshalb mischt Jesus sich ein, wenn er sagt: „Der Sabbat ist um der Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbat willen."

Den Sabbat zu halten, ist ein gutes Gebot. Der Ruhetag gehört als Ergänzung zu unserem Alltag mit all der Arbeit. Sechs Tage betriebsames Schaffen, planen und organisieren. Sechs Arbeitstage sind nicht alles. Leben ist nicht nur Arbeit.
Unserem Leben fehlt etwas, wenn es neben dem Alltag nicht auch der Feiertag gäbe - den anderen, den besonderen Tag.
Ohne Sonntag gibt es nur noch Werktage. Eine Pause ist nötig. Ein gemeinsamer freier Tag, für die Familie, für Freunde und Freundinnen, für mich selbst und für andere.
Um der Menschen willen gibt es diesen Tag und um Gottes willen. Er ist ein Geschenk Gottes an uns alle.
Ein wertvolles Geschenk, das nicht um des Profits willen aufgegeben werden sollte. Ein wertvolles Geschenk und zwar ein anderes, als das, was Nakumatt (= Supermarktkette in Kenia) jetzt in Westgate und im Prestige Plaza uns anbietet mit seinen 24 Stunden Öffnungszeiten an 7 Tagen die Woche - das ist ein pausenloses Leben, das macht ruhelos und am Ende atemlos.

Ich glaube, dass die Pharisäer, dass schon im Blick gehabt haben. Aber vielleicht waren manche von ihnen dabei etwas zu engstirnig. Sie haben nicht mehr nach dem Sinn dieses Tages gefragt, sondern mehr nach den Bestimmungen, die an ihm eingehalten werden sollen. Genormte Wege, richtige Wege darf man am Sabbat gehen, aber zu lang dürfen sie nicht sein. Wege vergleichbar dem Sonntagsspaziergänge meiner Kindheit, aber bitte nicht querfeldein und die Ähren müssen auch stehen bleiben.

Genau das haben die Jünger nicht getan. Aber der Sabbat und der Sonntag ist nicht ein so oder so einzuhaltender gesetzlicher Feiertag. Denn nicht das Gesetz soll gefeiert werden.
Mit dem, was die Jünger tun, haben sie jedoch den Geist des Sabbats erfasst.
Sie feiern den Tag, an dem sie frei sind, Neues zu entdecken neben dem Trott des Alltags. Sie feiern das von Gott geschenkte Leben und seine Schöpfung.
Sie erleben den Augenblick ohne den Druck der täglichen Termine. Sie lassen sich gehen, um sich ihrer selbst wieder bewusst zu werden und um Gott zu begegnen.
So ist es gemeint, wenn der Sabbat als Krönung und Vollendung der Schöpfung dass Werk Gottes abrundet.
So ist es gemeint, wenn das 4. Gebot daran erinnert und diesen Tag zu einem Feiertag für die gesamte Schöpfung erklärt.
Um uns Menschen willen gibt es diesen Tag - nutzen wir ihn!
Und wie tun wir das?
Das ist von Mensch zu Mensch sehr verschieden.
Ausschlafen, gemütlich frühstücken, sich verabreden sei es, um spazieren zu gehen oder zu wandern, auf festen Wegen oder querfeldein.
Endlich einmal den Alltagstrott beiseite schieben und die Dinge tun, für die wir in der Woche keine Zeit haben.
Gewiss - es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die all das aufarbeiten, was in der Woche liegen bleibt. Davon kann ich mich auch nicht freisprechen. Nur fehlt dann irgendwann die notwendige Ruhe.

Ja und dann gibt es ja auch den Gottesdienst. Auch er gehört für mich dazu, zu diesem besonderen Tag. Der Gottesdienst ruft mich zusammen mit anderen. Gemeinsam feiern wir. Wir versammeln uns im Geist Gottes, danken ihm, dass er für uns da ist, loben ihn und bitten ihn für uns und für andere.
Für mich gehört der Gottesdienst zum Ruhetag dazu. Hier komme ich auf andere Gedanken. Hier bin ich herausgerissen aus meinem Alltagstrott und bringe doch meine Woche mit allen Erlebnissen mit. Im Gottesdienst öffne ich mich Gott - noch mehr als im persönlichen Gebet.
Für mich ist der Gottesdienst der Raum zum innehalten, neu nachdenken und aufbrechen in die neue Woche.
Der Gottesdienst ist für mich ein etwas anderer Sonntagsspaziergang, bei dem ich vorher noch nicht weiß, wo ich denn lang gehe. Ich lass mich überraschen und vertraue auf Gottes Begleitung.
AMEN



Pastorin Anne Töpfer
Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache Kenia/
German Speaking Evangelical Lutheran Congregation in Kenya

E-Mail: kirchenairobi@iconnect.co.ke

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