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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostersonntag, 05.04.2015

Predigt zu Markus 16:1-8 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Elof Westergaard

”Die Füchse haben Gruben, und die Vögel im Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege“ (Matth. 8,20).

 

Jesus beschreibt lange vor seinem Tod eben mit diesen Worten seine Heimatlosigkeit in der Welt und wie schwer es ist, ihm zu folgen. Die Füchse haben Gruben, und die Vögel im Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege.

Das hat Jesus nicht einmal im Tode. „Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten“, sagt der Engel zu den Frauen, die am Ostermorgen am Grabe Jesu stehen. Der Engel im Grabe zeigt auf die Stelle, wo der Leichnam Jesu hingelegt wurde, aber der Tote ist verschwunden. Er liegt nicht mehr im Grabe. Jesus ist auferstanden und wieder unterwegs, sagt der Engel. “Er ist vor Euch nach Galiläa gegangen“. Nicht einmal das grabkonnte Jesus festhalten und auf der Stelle binden. Der Stein wurde Ostermorgen weg gewälzt. Der auferstandene Wanderer geht wieder dorthin, wo er früher ging, und er streut wie der Säemann wieder sin Wort aus.

„Die Füchse haben Gruben, und die Vögel im Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege“.

Da ist etwas Rastloses und Ruheloses in diesen Worten Jesu. Und verglichen mit der Botschaft, mit der uns der Engel Ostermorgen begegnet, erscheint es unmittelbar, als begegneten wir in Jesus einem Nomaden, einem ewigen Wanderer. Selbst im Tode fand er keine Ruhe.

Jesus wurde in armen Verhältnissen geboren. Seine Mutter brachte ihn in einem Stall zur Welt, legte ihn als Neugeborenen in einen Futtertrog. Aber dort lag er nur kurz, denn sie waren eine Familie auf Reisen. Seine Eltern mussten gleich nach seiner Geburt nach Ägypten fliehen. Jesus wuchs zwar an einem bestimmten Ort auf, in der Stadt Nazareth. Aber sein kurzes Leben als Erwachsener war geprägt durch Wandern von Ort zu Ort. Er war ein Wanderprediger, rief die Leute zu sich und scharte Jünger um sich. Er sprach an einem Tag auf einem Berg und am nächsten am Ufer des Sees Genezareth. Er und seine Jünger reisten im nördlichen Israel umher, in den Gegenden von Galiläa, von Stadt zu Stadt, bis sie nach Jerusalem gingen, wo er gekreuzigt und begraben wurde. Aber selbst jetzt, wo seine Gebeine in einem Grabe Ruhe finden sollten, sprengt er die Bande des Todes, tritt in den Frühjahrsmorgen und geht weiter seinen Weg.

Das Rastlose und Ruhelose am Weg Jesu ist deutlich. Wohl niemand von uns entgeht in unserem Dasein die Erfahrung: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel im Himmel haben Nester; aber wir selbst haben keine Stelle, wo wir unser Haupt hinlegen können. Heimatlosigkeit und Fremdheit in der Welt sind ein grundmenschliches Gefühl. Das Gefühl, dass es immer grüner ist auf der anderen Seite, macht auch das Herz leicht rastlos und unruhig. Der Mangel an einem Ort, einer eigentlichen Heimat, einem Nest, bewirkt, dass man sich fühlen kann, als jage man im Grunde nur nach dem Wind. Jesu Wort von Füchsen und Vögeln, Höhlen und Nestern, ist eine Erinnerung an einsame Resignation und kreisender Sehnsucht nach einem festen Kern, einem sicheren und bleibenden Ort.

Aber im Wort Jesu von Fuchshöhlen und Vogelnestern sollen wir freilich nicht einen Nachklang der Einsamkeit hören, die jeden erdgebundenen Menschen unvermeidlich trifft, der in der Zeit lebt. Die Worte Jesu enthalten vor allem eine Hoffnung.

Die Worte sind nämlich Ausdruck für die Doppelheit des Wesens Jesu. Er ist Gott in der Welt, hier geboren, aber er bringt uns zugleich Neues mit seinem Wort, mit seinem Leben und seiner Auferstehung am heutigen Ostermorgen. Seine Heimatlosigkeit ist nicht nur Ausdruck einer Fremdheit in der Welt, sondern sie ist vielmehr als eine Aussage zu verstehen, die seine allgegenwärtige Nähe in der Welt zum Ausdruck bringt, und sie spricht aus, wie hoch, tief und weit die Hoffnung reicht, die er bringt. Jesus hat nicht Höhlen wie der Fuchs oder Nester wie der Vogel, denn er kann nicht nur an einem Ort festgemacht werden. Er sprengt alle Grenzen, reicht bis ans Ende der Erde und in die tiefste Finsternis. Das ist seine Auferstehung, und das ist sein Wesen.

 

„Die Füchse haben Gruben, und die Vögel im Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege“

Diese Worte erhalten einen anderen Klang im Lichte des Ostermorgens. Nun glaubten wir gerade am Karfreitag, die Geschichte Jesu sei vorbei, sein Leichnam in einem Grab gebunden. Seine Feinde freuten sich über seinen Tod, während sich seine Jünger sich versteckten aus Furcht, dasselbe Schicksal zu erleiden wie ihr Meister. Wenn sie ausgingen, gingen sie still. Sie sahen ihr Leben als ein Leben nach dem Leben und Tode Jesu. Und wir, die wir Karfreitag die Erzählung vom Leiden und Sterben Jesu gehört haben, müssen auch unmittelbar sagen: Wie gut, dass er endlich Frieden gefunden hat. Nach all dem, was er durchgemacht Hat. Friede vor den höhnischen Blicken und den harten Zurufen. Friede vor den Schlägen und der Gewalt. Jesus bekam im Tode endlich Frieden, einen Ort, wo er sein Haupt legen konnte. Hier erhielt er endlich eine bleibende Statt, eine Grabstätte.

Aber das ist nicht der Friede Jesu, weder der Friede, den er sucht, noch der Friede, den er mit sich bringt. Da ist eine göttliche Unruhe und ein göttlicher Aufstand über seinem Wesen. Selbst die festeste Stelle, die Grabstätte, kann ihn nicht festhalten. Das ist die Botschaft vom Ostermorgen. Der Stein ist bereits weggewälzt, als die Frauen zum Grabe kommen, und der Tote ist auferstanden und seinen Weg gegangen.

Die Liebe und die Kraft Gottes erwecken Jesus von den Toten, und es ist auch diese Liebe, die ihn weiterbringt und die bewirkt, dass wir es zu glauben und zu hoffen wagen, dass sein Wort und sein geist mitten unter uns lebt. Das ist eine Liebe, die alle Grenzen sprengt, auch die Bande des Todes. Kein Stein, noch so schwer, kann die Liebe Gottes zurückhalten. Die Auferstehung am Ostermorgen ist somit als die Gnade der rastlosen Liebe Gottes zu verstehen.

„Die Füchse haben Gruben, und die Vögel im Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege“.

Nein, denn er ist auferstanden. Gott sei Lob und Dank. Im Namen Jesu. Amen.



Bischof Elof Westergaard
DK-6760 Ribe
E-Mail: eve(at)km.dk

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