Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christvesper, 24.12.2015

Predigt zu Titus 2:11-14, verfasst von Hilmar Menke

 

„Heilsam” - ein Wort, das ich mag - ein Wort, bei dem vieles anklingt und mitschwingt wie beim Klang einer Glocke zu Weihnachten:
Erinnerungen an die Kindheit, wenn ein gutes Wort und die Umarmung der Mutter so viele von den kleinen Wehwehchen heilte; wenn ein Pflaster - vielleicht sogar unnötigerweise aufgeklebt - den Schmerz vergessen ließ... Erinnerungen eher kühlende Umschläge,  lindernde Salben und selbstgekochte Säfte - eher an „Heilmittel” als an Medikamente oder Apparate oder das Skalpell.
„Heilsam” so manches, das eben weiter reicht als bis zum Körper, das die kleinen oder großen Verwundungen der Seele heilt - das zerstörtes Vertrauen wiederherstellt, Trennungen überwindet, Schuld vergibt...

Vielleicht haben viele es  verlernt, in Heilung das zu erkennen, was Paulus „Gnade” nennt, weil wir noch dem  Bild anhängen, als sei der Körper letztlich doch so etwas wie eine Maschine, auf deren Reparatur wir ein Recht haben; oder - unbewußt vielleicht -  meinen,    
                               Gesundheit sei ein Anspruch wie die Leistung der Krankenkassen.

Aber, Gesundheit ist Gabe, gesund werden ist Geschenk, Heilung ist Gnade.

Paulus - selber von schwerer Krankheiten geplagt - weiß das. Und darum nimmt er dieses Wort auf, wenn er von dem spricht, was Gott für ihn und für uns und für alle Menschen getan hat - für das, was erschienen ist in Bethlehem, im Stall, in der Krippe und was an jedem Weihnachtsfest neu erscheint: Die „heilsame Gnade Gottes”.
Das Geschehen der Heiligen Nacht heilt das, was verletzt ist - nicht mehr und nicht weniger als das Verhältnis zwischen Mensch und Gott:

Verletzt, ja zerstört ist es, weil - so berichtet das Alte Testament - weil schon die ersten Menschen sich einreden ließen, sie könnten ohne Gott auskommen, ja, weil sie sich der Illusion überließen: „Ihr werdet sein wie Gott”, weil sie selber Gott werden, Gott sein wollten.

Alle Generationen danach haben dies geerbt - bis auf den heutigen Tag - und es hat schreckliche Folgen gehabt für das Miteinander der Menschen - wie die Geschichte der ersten menschlichen Brüder Kain und Abel schon zeigt - und wie wir es erleben in all dem, was Menschen einander antun bis heute.

Der Mensch macht sich zum Gott - bestimmt über gut und böse - bestimmt über das Leben seiner Mitmenschen und meint, über sich selber zu bestimmen.

Gottes Antwort darauf kehrt alles um: Auf den unmöglichen Versuch des Menschen, Gott zu werden, antwortet Gott mit seiner großen Möglichkeit: Er wird Mensch.

Er wird Mensch, genau so, wie auch wir Menschen werden: Geboren als kleines Kind.

Er wird Mensch, wie es viele Menschen werden: Im Notquartier in der Fremde: weil der römische Kaiser, der sich als Gott verehren läßt, die zählen lassen will, über die er herrscht!

Er wird Mensch, wie es viele Menschen werden: Kaum zur Kenntnis genommen - nur von einigen Hirten, von Menschen, die in schlechtem Ruf standen und von drei Fremden...

Das ist kein Trostpflaster, aufgeklebt auf eine verletzte Welt - und die Engel singen nicht „Heile, heile Gänschen, es ist bald wieder gut”
das ist - von Gott aus gesehen - eher etwas wie eine schwere und schmerzhafte, ja eine lebensgefährliche Operation: Gott wird Mensch - und Menschen verfolgen ihn mit ihrem Hass von Geburt an und bringen ihn um am Kreuz.

Vom Menschen aus gesehen ist das Weihnachtsgeschehen aber eben „heilsam” in dem Sinn, wie ich es am Anfang zu beschreiben versuchte: Eine Umarmung des gnädigen Gottes - ein gutes Wort aus seinem Munde - linderndes Heilmittel.
Darum wohl empfinden wir auch den Stall und die Krippe als Idyll, als ein Stück „heile Welt”; darum wohl wünschen wir uns Weihnachten so feierlich und freundlich; darum versuchen wir in aller Unzulänglichkeit einander Freude zu machen, Zuneigung zu zeigen, menschliche Nähe, Wärme, Helligkeit - eben weil wir es spüren, daß Gott auch uns heil machen will durch seine Gnade.

 



Superintendent i.R. Hilmar Menke
21781 Cadenberge
E-Mail: hhfjmenke@aol.com

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