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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christfest I, 25.12.2015

In der Krippe findest du alles - die ganze Liebe Gottes
Predigt zu Titus 3:4-7, verfasst von Peter Schuchardt

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen

Liebe  Schwestern und Brüder,

„Weihnachten, ach das ist doch so eine schöne Zeit: Backen mit den Enkeln, Zeit füreinander, so richtig besinnlich!“. Ich verteilte gerade meine Zettel mit den Terminen für die Weihnachtsgottesdienste im Krankenhaus, als ich eine Krankenschwester traf. Sie sah die Zettel, und sofort ging in Strahlen über ihr Gesicht. „Ich liebe diese Zeit!“, sagte sie zu mir. Und ihre strahlenden Augen zeigten mir sofort: Ihre Freude kam aus dem Herzen. Sie hat nun Urlaub, und ich hoffe, sie erlebt genau das, was sie sich erträumt hat.

Ich hoffe auch, dass alle, die in diesen Tagen zusammenkommen, mit der Familie, mit Freunden, in den Altenheimen, im Krankenhaus, in den Flüchtlingsunterkünften, dass alle zumindest einen Hauch davon spüren, von dem Besonderen der Weihnachtszeit: Wir teilen das Kostbarste was wir haben miteinander, unsere Zeit, und wir spüren: das Leben ist Gott sei Dank mehr als immer nur Kaufen und Gewinne und Verluste berechnen, mehr als Leistungen erbringen in der Schule und bei der Arbeit. Um dieses Mehr geht es heute. Denn auch Weihnachten ist mehr, viel mehr als Zeit mit den Enkeln und Besinnlichkeit, so schön das auch ist und so sehr ich auch jedem von Herzen gönne, dies zu erleben.

Weihnachten bringt uns alles. Denn Weihnachten feiern wir die Geburt des Weltenerlösers. Wir feiern das Licht, das Gott in unser Dunkel bringt. Darum ist es wunderbar und so tröstlich, dass wir gerade am Ende dieses so schrecklichen Jahres  wieder Weihnachten feiern dürfen, so wie die Krankenschwester es sich wünscht. Wir haben so viele Bilder gesehen von Menschen, die einsam sind, verstört durch Terror und Krieg, verloren auf der Flucht. Wir haben so viel Dunkel  gesehen, Hass und Zerstörung, die Spuren des Todes in der Welt und in unserem eigenen Leben. Aber mitten hinein in dieses chaotische Dunkel dürfen wir die Worte des Engels hören: „Fürchtet euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren!“ Wir dürfen es heute wieder hören. Es ist nie die Botschaft einer vergangenen, versunkenen Zeit. Der Engel sagt die Worte in unser Heute, in unser Dunkel, in unsere Welt. Zu uns kommt Gott. In diese  brüchige und lieblose Welt hinein wird Gottes Sohn geboren. Das Dunkel scheint manchmal so mächtig, Gott scheint manchmal so weit weg und verborgen, von den Menschen vergessen zu sein, Hass und Gewalt scheinen am Ende zu siegen. Doch Gott ist mit uns nicht am Ende, und der hat uns nicht vergessen. Er macht einen neuen Anfang. Er kommt, wie es die alten Weihnachtslieder in ihrer schönen Bildersprache sagen, herab vom Himmelssaal. Er verlässt seinen Herrscherthron und wird ein kleines Kind in einer Futterkrippe. Uns fehlen heute die Worte, um es in unserer Sprache zu sagen. Doch die Sehnsucht nach Gott, nach seiner Nähe ist groß. Sie ist noch größer geworden durch das Dunkel und die Gewalt, die Menschen einander antun. Ja, Gott ist uns fremd geworden. Und darum haben Engel und Sterne eine so große Bedeutung für viele, weil sie damit das, was sie nicht in Worte fassen können, zumindest ein wenig begreifen und ahnen können. Und es mag sein, Gott wird auch darum ein Kind, weil er weiß, wie schwer wir es uns machen, ihn zu begreifen und zu verstehen. Darum wird Gott das Menschlichste, was man werden kann: ein kleines Kind. Und zugleich ist hier viel mehr zu sehen als ein kleines Baby. So wie Weihnachten immer mehr ist als Zeit  füreinander und besinnliche Stunden, so schön sie auch sind. In diesem Kind zeigt Gott uns seine ganze Liebe, seine Freundlichkeit, sein Erbarmen.

Davon erzählt auch der Titusbrief in seinem 3. Kapitel:
Nun ist die Güte Gottes, unseres Retters, und seine Liebe zu uns Menschen sichtbar geworden, und er hat uns gerettet – nicht etwa, weil wir so gehandelt hätten, wie es vor ihm recht ist, sondern einzig und allein, weil er Erbarmen mit uns hatte. Durch das Bad der Wiedergeburt hat er den Schmutz der Sünde von uns abgewaschen und hat uns zu neuen Menschen gemacht. Das ist durch die erneuernde Kraft des Heiligen Geistes geschehen,
den Gott durch Jesus Christus, unseren Retter, in reichem Maß über uns ausgegossen hat.
Durch Gottes Gnade für gerecht erklärt, sind wir jetzt also – entsprechend der Hoffnung, die er uns gegeben hat – Erben des ewigen Lebens.(Titus 3, 4-7 nach der NGÜ)

Paulus schreibt diesen Brief an Titus, einen seiner Mitarbeiter. Er gibt ihm Anweisungen und Tipps für das, was noch zu tun ist in den Gemeinden Und er erinnert ihn an das, was unseren christlichen Glauben ausmacht. Das Schöne an den Worten des Paulus ist: er weitet den Blick. Titus soll mehr sehen, mehr verstehen und darum mehr  hoffen. Darum schreibt Paulus zuerst von Weihnachten: Gott wird ein Mensch, und in dem Kind, das in der Krippe liegt, sehen wir die Güte Gottes und seine Liebe zu uns Menschen. Denn warum wird Gott ein Mensch? Nur darum, weil er uns liebt. Er will uns nicht in unserem Dunkel allein lassen. Vieles in unserem Leben ist dunkel, und vieles von diesem Dunkel haben wir selbst verursacht. Nicht, weil wir so toll, so ausgezeichnet, so gut sind, kommt Gott in unser Leben. Sondern allein darum, weil er Erbarmen mit uns hat. Erbarmen ist ja ein Wort, das wir kaum noch benutzen. Und das ist ein Zeichen unserer Zeit. Denn unsere Welt ist unbarmherzig geworden. Das spüren wir, und darum hängt unser Herz so sehr an Weihnachten. Selbst die, die absolut nichts mit Kirche, mit Glauben, mit Gott anfangen können, stellen sich doch eine Kerze auf ihren Schreibtisch und stellen sich doch einen Weihnachtsbaum in ihre Stube. Und damit holen sie sich ein Stück vom göttlichen Glanz in ihr Leben. Wie traurig, trostlos und dunkel wäre das Leben, wenn wir nur auf uns allein geworfen wären! Wie dunkel bliebe diese Welt, wenn wir Menschen allein das Sagen hätten! Wir Menschen wollen immer gerne so groß, so strahlend, so wichtig sein – und fürchten doch, wirklich die Verantwortung zu übernehmen. Und wenn wir es tun, dann droht bald das Chaos auszubrechen.

Aber mit jeder Kerze, die wir in dieser Zeit entzünden, mit jedem Christbaum, den wir aufstellen, mit jeder Krippe, die wir aufbauen, zeigen wir unsere Sehnsucht nach dem Mehr: Das Leben muss doch mehr sein als das, was wir sehen, auch mehr, als wir mit unserem Verstand begreifen. Zu Weihnachten feiern wir genau das: Das Leben ist mehr. Diese Welt und auch unser oft so zerbrechliches Leben sind in Gottes Hand gehalten. Seine Liebe kommt zur Welt in dem kleinen Kind Jesus in der Krippe. Gott wird so klein, dass wir, wenn wir auf einem hohen Ross sitzen, absteigen und uns niederbeugen müssen, um dieses Kind zu sehen. Und wenn wir dieses Kind sehen, dann sehen wir alles: Wir sehen die Liebe, die Hoffnung, die Ewigkeit. Diesen göttlichen Glanz möchten manche gerne festhalten. Aber das geht nicht. Man kann auch kein Kind am Wachstum hindern. So wird auch das Kind Jesus größer. Er wird zum Prediger der Liebe Gottes. Er heilt, er tröstet. In seinen Worten, in seinem Tun, in seinem Leben leuchtet der göttliche Glanz auf, sogar ganz am Ende, am Kreuz. Sein göttlicher Glanz durchleuchtet alle Facetten des Lebens.

Darauf weist Paulus uns hin. Er spricht hier in wenigen Worten von dem, was unseren christlichen Glauben ausmacht. Zu Weihnachten feiern wir: Gott wird ein Mensch. Gott macht mit Jesus einen neuen Anfang. Diesen neuen Anfang schenkt er jedem von uns in unserer Taufe. Und in der Taufe werden wir zu seinen Kindern. Er, der selbst ein Kind wurde, wird zu unserem Vater. Und das bleibt er in Ewigkeit. Auch bei unserer Taufe fragt er nicht nach dem, was wir leisten, oder nicht leisten können. Wie werden wir gerecht, wie werden wir richtig vor Gott? Nicht durch unser Tun, sondern weil er uns seine Liebe schenkt. Und er schenkt sich uns selbst, als Baby, als wahrer Mensch.

Unzähligen Menschen schenkt dieses Fest Trost und Hoffnung. Wir sind nicht allein. Gott ist bei uns. Wie ermutigend ist es, dass viele Menschen in unserem Land nun den Flüchtlingen helfen möchten. Und viele tun es aus ihrem Glauben heraus. Sie tun es, weil sie Christen sind. Gott hat das Dunkel in Bethlehem hell gemacht, nun möchten wir das Dunkel den Flüchtlinge hell machen.

Weihnachten ist auch das Fest der Wünsche. Ich wünsche euch zu diesem Christfest Augen, die mehr sehen, die in der Krippe, in den Kerzen, in den Engeln Zeichen von Gottes grundloser Liebe sehen. Ich wünsche euch ein Herz, das sich beschenken lassen kann. Nicht ein Herz, das ängstlich danach fragt, ob es gut genug ist. Ich wünsche euch ein Herz, das alle Angst und Verzagtheit hinter sich lassen und sich voll Vertrauen in Gottes Hand geben kann. Noch sehen wir nur die Hand eines kleinen Kindes. Am Ende werden seine Hände von Nägeln durchbohrt sein. Aber das ist nicht das Ende. Der Auferstandene wird uns mit seinen Händen segnen: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ Das, was Weihnachten in der Nacht beginnt, endet nicht am Kreuz. Das Licht von Weihnachten strahlt auch vom leeren Grab zu uns. In keiner Nacht unseres Lebens sind wir von Gott verlassen. Er ist da. Der Tröster, der Erlöser, unser Heiland. Seine Geburt, sein Kommen in diese Welt feiern wir heute  wieder mit Christen auf der ganzen Welt, mit unseren Gottesdiensten, den Liedern, mit Konzerten und miteinander.

Ja, Weihnachten ist eine schöne Zeit. Eine Zeit, um zusammenzukommen, um zu feiern, um besinnlich zu werden, um über den Sinn des Lebens nachzudenken. In den Familien, mit den Freunden, in den Altenheimen, den Krankenhäusern, den Flüchtlingsunterkünften. Und wenn wir gebacken haben und mit den Kindern und Enkeln gespielt haben, dann lasst uns wirklich Zeit füreinander nehmen. Und lasst uns Zeit für Gott nehmen. Lasst uns darüber reden und nachdenken, was Weihnachten ist. Vielleicht sollten wir  uns wieder angewöhnen, vom Christfest zu reden. Denn das stellt ihn in den Mittelpunkt, Gottes Sohn, der zu uns kommt. Seine Liebe taucht unser Leben in ein helles Licht und schenkt dieser Welt und uns Sinn. Und so wünsche ich euch ein frohes und gesegnetes Christfest.
Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

 



Pastor Peter Schuchardt
25821 Bredstedt
E-Mail: pw-schuchardt@versanet.de

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