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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Laetare, 06.03.2016

Predigt zu 2. Korinther 1:3-7, verfasst von Jochen Riepe



                                                                                         I
 
Ein Wort kann schwach und weinerlich aussehen und doch einen festen Kern haben und sehr belastbar sein. Trost – das kommt von treu und ist verwandt mit dem englischen ‚trust‘. Die indogermanische Wortwurzel soll  den Teil eines Baumes bezeichnen , auf den und mit dem man bauen kann – das Kernholz. Das  Wort,  die Taufe , das Abendmahl , die Beichte und das wechselseitige Trost –Gespräch der Brüder und Schwestern sind für Luther die vornehmlichen Gestalten der Gnade Gottes, also  gleichsam das Bauholz der Kirche .*

                                                                                       II

Das ist cool , nicht wahr : Junge Männer, so liest man und im Jugendkreis wurde es  mir bestätigt , die eine Partnerschaft beenden wollen, tun das häufig per – SMS . Kurz und knapp. Keine Erklärungen . Keine Vorwürfe. Kein Streit und keine Konflikte. Kein Leiden aneinander und miteinander. Einige denken jetzt vielleicht , liebe Gemeinde : Das ist es wieder – der Egoismus der Jungen , ihre Bindungsunfähigkeit. Andere mögen sich fragen : Ist diese Coolness nicht ein stummer Schrei ? ‚Ich kann nicht sprechen . ich kann mich nicht aussprechen‘.  Und dritte mögen ergänzen  : Schade . Gerade, indem man sich aus dem Wege geht, verpaßt man das beste : Versöhnung.

                                                                                      III

‚Gelobt sei Gott , der uns tröstet in aller unserer Trübsal , damit auch wir trösten können…‘  Paulus schreibt (wieder einmal ) nach Korinth  . Er schreibt einen sog. Versöhnungsbrief und kann zu Anfang seines Schreibens gar nicht aufhören, dieses Wort zu gebrauchen. Trost. Trösten. Gottes Trost und der Menschen Trost. Paulus hat die Erfahrung der Befestigung und Stärkung durch Gottes Treue gemacht. Er hat soz. die Erfahrung der eigenen Belastbarkeit  machen dürfen – ich bin stärker, als ich dachte!-  und möchte diese Erfahrung von Stärke : Kernholz! - an die Gemeinde weitergeben : ‚… der Trost , mit dem er selbst getröstet wurde.‘ Gott , der Apostel und die Gemeinde in Korinth  bilden soz. ein Trost-Netzwerk , eine Gemeinschaft wechselseitigen Tröstens und in diesem Prozeß wachsen aus dem Leiden  neue Hoffnung und Zuversicht.
                                                                                     IV

Aus dem Leiden ! Man muß wohl sagen : Aus den Leidenserfahrungen , die von außen auf den Apostel zukamen , aber auch und vor allem aus dem Leiden in der Beziehung zur Gemeinde . Ein Versöhnungsbrief wird ja dann geschrieben, wenn es zuvor Streit , Feindschaft und schwere Konflikte gab. Und was für Konflikte! Man merkt es dem ganzen  2.Korintherbrief Zeile für Zeile an , wie viel ‚Blut, Schweiß und Tränen‘ auf beiden Seiten geflossen sind : beim Apostel , aber auch wohl bei einigen Gemeindegliedern .  Vorwürfe. Kränkungen. Beleidigungen . Das ging unter die Gürtellinie : Fehlten dem Apostel nicht wichtige Eigenheiten eines wahrhaften und wirklich rechtmäßigen Dieners Christi ?  Und die ganz Bösen unter den Korinthern spielten an auf körperliche Makel , auf  seine körperliche Verfassung und seine mangelnde rhetorische Begabung. Paulus hätte sich abwenden können , er , ‚der Vater der Gemeinde‘**, ihr einstiger Gründer. Er hätte sich auch als Opfer stilisieren und gemeine Gegenhiebe austeilen können. Aber er hat den Konflikt produktiv angenommen und darüber eine wichtige Erfahrung gemacht.

                                                                                      V

Trennung per SMS. Cool bleiben – unangenehmen Fragen , unangenehmen Problemen , buchstäblich den Augen des anderen , seinem Blick , entkommen : ‚Mir geht’s  schon so schlecht genug‘ oder auch : ‚Bloß keine Zeit verlieren, denn dort wartet schon jemand anderer‘. Ist das ein Beleg für den Egoismus der Jungen – ihre Bindungslosigkeit ? Oder drückt es die Unfähigkeit aus , miteinander zu sprechen , Kritik und Vorwürfe zu ertragen und eigenes Erleben in Worte zu fassen?  Und haben die recht , die sagen : Gerade , indem man sich aus dem Wege geht , verpaßt man das Beste , nämlich inneres Wachstum , Festigung und gegebenenfalls sogar Versöhnung ? Paar -Therapeuten – und auch Scheidungsrichter – weisen jedenfalls darauf hin , daß Männer und Frauen zu wenig die Möglichkeit der Beratung und der Aussprache, soz. eines ‚gehaltenen Streites‘ nutzen . Enttäuscht , gekränkt , wütend , hoffnungslos wird die ultima ratio – Trennung , Scheidung- angestrebt und erst im Nachhinein wird deutlich , welche ‚Spielräume‘ des Zorns und der Liebe es gab, hätte man nur Hilfe in Anspruch genommen. Wieviel Kernholz soz. hätte entdeckt werden können , auch unter und in den Trümmern einer eingestürzten Beziehung !

                                                                                       VI

Was an Paulus , dem Streitenden , darum auffällt , liebe Gemeinde, ist dies  : Er geht einen Konflikt mit den Korinthern , ‚seinen Kindern‘, ein , heftig , auch gereizt und manchmal  ungerecht ,leidenschaftlich , leidend, aber er versucht doch  , auch in der schlimmsten Phase der Auseinandersetzung, sein Interesse, seine Liebe , seine Bindung auszudrücken und darin den Kontakt aufrecht zu erhalten.  Seine Fürsorge für die Gemeinde  ist anscheinend größer als seine Kränkung und vor allem : Sein Leiden an der Situation , hat einen Ort , ein Maß und darum eine Grenze . Der Konflikt der Streitenden geschieht vor Gott  und für uns sehr lehrreich ist : Vor Gott kann man Konflikte austragen und zugleich begrenzen. Beides ist wichtig – gleich wichtig ! In Partnerschaften , aber auch in beruflichen Zusammenhängen , auch zwischen Eltern und Kindern kann man es wahrhaft erleben  : Maßlosigkeit. Unbezähmbare Aggression , die immer neues Öl ins Feuer gießt. Wie kann Liebe oder auch Freundschaft oder Kollegialität so umschlagen ? fragen wir  und können nun wissen : Wenn die Gefühle gott-los werden , werden sie trost-los , ohne Gerüst , ohne tragende Balken .Das Krachen im Gebälk soz. wird zur endlosen Zerstörungslust.

                                                                                         VII

Trost. Treu. Trust. Kernholz , der Teil des Baumes , auf den man bauen kann. Gott ist treu , er ist der ‚Gott allen Trostes‘ , denn in Christus hat er die feindliche Welt mit sich versöhnt***. Versöhnung ist das Beste. Ein Apostel Jesu Christi wird zum ‚Lügenapostel‘, wenn er eben dies nicht  im Blick hat. Paulus war nicht gehemmt oder scheu, seinen Frust , seine Verzweiflung über die Zustände in Korinth , gleichsam auszuagieren , aber er hat gelernt : Mein Leiden an der Situation  braucht und hat  einen anderen Ort  - es ist ein Leiden in Christus. In ihm war die Last getragen  und im Glauben an den Gekreuzigten liegt die Gnade, die Gabe , Trost anzunehmen und weiterzugeben . Trösten kann nicht der , der dem Leiden aus dem Wege geht. Trösten kann aber auch nicht der , der es für sich behält, es maßlos pflegt und nährt. Trösten kann der , der seine Gefühle in der Liebe Christi verortet und in der Kraft dieser Liebe  die Anfeindungen der anderen begrenzt und – was genauso wichtig ist : sich selbst begrenzt und Korrektiv, Hilfe und Vermittlung in Anspruch nimmt. Nur nebenbei : Ich glaube , der Titus , der Reisebegleiter des Apostels, war in dieser Hinsicht eine ganz wichtige , wahrhaft de-eskalierende Gestalt.

                                                                                        VIII

Versöhnungsbrief. Paulus und die Korinther und der ‚liebe, der trostreiche Gott‘. Ein Trost-Netzwerk. Wir können uns glücklich schätzen , daß im Neuen Testament eine schwierige Konfliktsituation dokumentiert ist – zum Trost der ganzen Christenheit . Gottes Kernholz ist Bauholz. Gott ist treu und erbaut seine Gemeinde nicht zuletzt – wie Luther sagte- im ‚wechselseitigen Trostgespräch‘ der Schwestern und Brüder.




Pfarrer Jochen Riepe
44263 Dortmund
E-Mail: Jochen.Riepe@gmx.net

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