Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Laetare, 06.03.2016

Predigt zu Johannes 6:24-37 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Margrethe Dahlerup Koch


Er verschwindet immer wieder. Jesus im Johannesevangelium. Wenn man das ganze Evangelium liest, fällt auf, wieviel Zeit damit vergeht, dass die Leute nach ihm suchen. Aber nicht nur das: Wenn er auftaucht, können die Leute ihn oft nicht wiedererkennen. Das kulminiert schließlich Ostermorgen, wo Maria Magdalene glaubt, dass der auferstandene Jesus der Friedhofsgärtner ist. Sie, die ja sonst jahrelang Jesus gefolgt ist, kann ihn nicht wiedererkennen. Erst als er zu ihr spricht, merkt sie, wer er ist.

   So ist es auch in der Szene im Evangelium dieses Tages. Jesus hat gerade mehrere tausend Menschen mit ganz wenigen Lebensmitteln ernährt, und dennoch waren alle satt geworden. Aber ehe sie das Essen verdaut haben, entdecken sie, dass Jesus verschwunden ist. Nun suchen sie nach ihm, erzählt Johannes, und als sie ihn endlich finden, verstehen sie nicht, wie er es fertig gebracht hat, so einfach zu verschwinden. „Rabbi, wann bist Du hergekommen?“ fragen sie ihn. Und fügen dann hinzu: „Wer bist du eigentlich?“ Jesus sagt zwar zu ihnen, dass er der Gesandte Gottes ist. Aber die Leute finden nicht, dass sie das sehen können. „Was kannst du tun, damit wir dich erkennen“ fragen sie ihn. Was kannst du? Außer von uns verschwinden? Na ja, und dann dieses Speisungswunder mit den wenigen Broten und Fischen, könnte man ja hinzufügen, aber das hatten sie anscheinend schon wieder vergessen. Sie hatten nicht nach ihm gesucht, um sich für das Essen zu bedanken. Sie wollten mehr. „Was kannst du – mehr – tun?“

   Und Jesus antwortet nicht. Er antwortet nicht hat auf ihre Frage, was er tun kann. Er sagt stattdessen, wer er ist: „Ich bin das Brot des Lebens“.

„Ich bin“. Das ist der Name, mit dem sich Gott selbst gegenüber Moses vorstellt, als sich die beiden seinerzeit am brennenden Dornenbusch begegneten. „Was ist dein Name“ fragte Moses, und Gott antwortete aus dem Busch: „Ich bin der, der ich bin“. Diesen Namen „Ich bin“ gebraucht Jesus nun von sich selbst. Er stellt sich mit anderen Worten als Gott vor. Der Gott, der sich nun aus dem Busch begeben hat und sich den Menschen als ein Mensch gezeigt hat, als Jesus.

   In der alttestamentlichen Lesung hörten wir vom Speisungswunder in der Wüste, wo Gott dem Volk Wachteln und Manna zu essen gab. Bei der vierzigjährigen Wüstenwanderung aus Ägypten, wo die Leute Sklaven gewesen waren, zum gelobten Land Kanaan sind die Leute verständlicherweise müde geworden und ungeduldig vom Nomadenleben. Besonders das Essen sind sie leid. Und sie fangen an, sich daran zu erinnern, wieviel besser das Menu in Ägypten war. Man war zwar Sklave, aber hatte wenigstens genug zu essen. Z.B. Fleisch. Und Feigen und Melonen. Ach ja, die vermisst man schon an so einem heißen Tage. Was ist die Freiheit wert, wenn sie in einer Wüste und mit schlechter Kost gelebt werden muss? Moses, der arme Führer der Unzufriedenen, hat Gott um Hilfe gebeten. Und die Hilfe ist gekommen, in Form von leckeren kleinen Wachteln und Manna, die offenbar wie Reif auf der Zunge zergehen.

   Dieses Wunder Gottes haben alle in Erinnerung. Denn dieses Wunder erzählt von einem Gott, der für sein Volk sorgt.

  Ein solches Wunder wollen die Scharen um Jesus wiedersehen. Sie haben zwar Brot und Fisch erhalten. Aber eine Wachtel und etwas Manna wären nun auch nicht schlecht. Aber sie erhalten etwas anderes als ein gutes altes bekanntes Wunder. Sie bekommen das, was sie nicht kennen. Jesus überbietet das alte Wunder aus den Tagen der Wüstenwanderung mit den Worten: „Ich bin das Brot des Lebens“. Jetzt ist Gott nicht nur der, der Essen gibt und für die Hungrigen sorgt. Nun gibt Gott mehr als das. Gott gibt sich selbst.

  Das ist das Entscheidende und Neue und nie da gewesene. Jesus ist gekommen, um das zu geben. Jesus gibt nicht mehr. Er gibt alles - sich selbst.

   „Ich bin das Brot des Lebens“, sagt er. Anders gesagt: „Ich bin alles, was du zum Leben brauchst“. Alles, nicht mehr.

   „Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus. Das bedeutet auch: Ohne mich kannst du nicht leben. Und das ist gleich eine viel mehr beunruhigende Nachricht. Dass da einer ist, ohne den wir nicht leben können. Dass wir einem anderen unser Leben verdanken. Dass wir auf Kosten eines anderen leben. Dass es nicht darum geht, wer wir sind und was wir tun, sondern dass es darum geht, wer Gott ist und was er mit uns macht. Und dass alles, einschließlich wir selbst sonst sinnlos und aussichtslos wäre.

  Wir hören und sehen es bei jeder Taufe in der Kirche. Das Wort Gottes: Ihr seid nur das, was ich aus euch gemacht habe, ihr gehört mir – und ihr sollt nie etwas anderes glauben oder euch zu etwas anderem machen als das. Deshalb haben die Taufkinder schon alles, was sie brauchen. Und deshalb haben die Taufkinder schon alles, was sie jedem geben können, dem sie in ihrem Leben begegnen, Glaube Hoffnung und Liebe. Denn Gott hat den Taufkindern und uns allen alles in der Taufe geschenkt mit dem Versprechen, dass da mehr kommt, und mit einer einzigen Forderung: dass wir alles weitergeben sollen. Immer wieder.

Es ist ein wiederkehrendes Thema im Johannesevangelium, dass man nach Jesus suchen muss und dass man nicht sicher sein kann, ihn zu kennen. Dass Jesus Gott ist – das ist nicht zu sehen, wenn man es nicht glaubt.

   Aber wie kommt man dahin? Es zu glauben? Ich habe neulich ein Interview mit einem Autor gelesen, der sich in seinen letzten Gedichtsammlungen immer mehr mit christlichen Themen wie z.B. der Auferstehung beschäftigt. Einer seiner Kollegen hatte ihn gefragt, warum er als moderner und hochbegabter Mensch noch an Gott glaube. Und er hatte geantwortet, dass sein Pastor gesagt hatte, dass der Glaube etwas sei, was Gott einem schenke. „Naja“, antwortete der andere, „ja dann bist du ja einigermaßen entschuldigt“.

  Der etwas ältere Kollege der beiden Autoren, der dänische Kirchenliederdichter Brorson, sagt es etwas raffinierter in einem Lied: „Das Evangelium vom Gottesreich, ist süß wie Honigkuchen“ (Nr. 389 im dänischen Gesangbuch). Heute würde so ein Lied wohl kaum eine Chance haben, in das Gesangbuch aufgenommen zu werden. Aber damals im 18. Jahrhundert und in den Jahrhunderten davor kannte man in Europa nicht den feinen raffinierten Rohrzucker. Honig war der Süßstoff, den man hatte. Und Honig kann der Mensch bekanntlich nicht allein machen. Den machen die Bienen für uns. Indem sie Nektar umwandeln. Eine Flüssigkeit in etwas anderes verwandeln. Man kann die Biene den Alchimisten der Natur nennen – also den Wissenschaftler, der Gold oder andere Edelmetalle aus anderen nicht edlen Stoffen schaffen kann. Und Brorson geht einen Schritt weiter und sieht die Biene, den Alchimisten der Natur, als einen Kollegen Christi. Denn Jesus tut dasselbe, nur in einem noch größerem Maßstab: Er verwandelt Unedles in Edles. Verwandelt das, was in den Augen der Welt gleichgültig, gering und verkehrt ist, in geliebte, hoffnungsvolle und glaubende Menschen. Verwandelt Leiden und Tod in Sieg und neuen Beginn. Verwandelt etwas trockenes Brot und ein wenig Wein in seinen Leib und sein Blut – zu Gemeinschaft und Leben.

   Wie die Biene also Nektar in Honig verwandeln kann, so, sagt Brorson, kann das, was eigentlich streng, unverständlich oder fremd wirken kann, nämlich das Evangelium, von Gott in Honig, Nahrung  und Glauben verwandelt werden.

Wir sind nicht Herr über uns selbst. Wir leben auf Kosten anderer. Wir sind alles schuldig. Das als etwas anderes zu hören als ein vernichtendes Urteil – dazu gehört Glaube. Der Glaube, der uns gereicht wird, auf die Zunge gelegt wird, wenn wir das Abendmahl empfangen, und Jesus empfangen, um von ihm zu leben, mit ihm verwandelt zu werden und in ihm erkannt werden. Amen.

 



Pastorin Margrethe Dahlerup Koch
DK-6950 Ringkøbing
E-Mail: mdkoch(at)mail.dk

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