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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Palmarum, 20.03.2016

Predigt zu Markus 14:3-9 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Christian Grund Sørensen

Sollten wir nicht die Vernunft herrschen lassen? Sollten wir nicht rationell sein?

So können wir die Argumentation des Judas durch Mark und Bein gehen lassen.

Wäre es nicht das Vernünftigste gewesen, das kostbare Öl zu verkaufen, anstatt es an Jesus zu verschwenden?

 

Mit ihrem Glas mit köstlichem Nardenöl stand sie da. Im Hause Simons des Aussätzigen. Und Salbe für 300 Silbergroschen wurde auf Jesus verschwendet. In seine Haare und auf seinen Kopf.

 

300 Silberfgroschen. Etwa 1,3 kg. Silber. Der Jahreslohn eines Arbeiters.

 

Ja, da ist genug, um Anstoß zu nehmen. Wo bleibt da die Vernunft? Kann man das einfach so machen?

 

Vielleicht ist die Sache die, dass es um Liebe geht. Ist es vernünftig, teure rote Rosen an einem rauen Wintertag zu kaufen, um der Geliebten eine Freude zu machen?

 

War das vernünftig, was die Frau mit dem Nardenöl tat?

 

Ist es vernünftig, wenn wir schöne Kirchen bauen, die alten Kirchen renovieren und Projektoren installieren, um die ganze Herrlichkeit auch in der Dämmerung zu zeigen?

 

Sollten wir nicht besser die Kirchen zumachen und sie als Kindergärten, Firmensitze oder Kulturpaläste benutzen, wie in den kommunistischen Ländern?

 

Auf einer Reise nach Schweden besuchte ich eine Kirche. Die schönste kleine Holzkirche in einer der kleinen Oasen der Volksferien, ruhig und mit roten und gelben und blauen kleinen Holzhäusern. In der Mitte lag das geistliche Zentrum der Gemeinde, die Kirche. Aber so war es nicht immer gewesen. Im letzten Jahrhundert war die Kirche in das Rationelle einbezogen worden, und die Gebäude waren noch immer geprägt von der Verwendung der Kirche in der modernen Ära – erst eine Bowling-Halle und dann ein Schießstand.

 

Es war, als ob die Flecken von den Projektilen an der Wand Narben waren von dem Angriff des Menschen gegen Gott und die christliche Kultur Europas. Aber die Kirche stand immer noch da. Mit den Merkmalen an der Rückseite als ein Adelszeichen, wie die Narben einer Frau, wo man sehen kann, dass sie Leben geschenkt hat.

 

Heute werden in Kopenhagen Kirchen verkauft. Da, wo die Leute wohnen, wird der Einfluss Jesu aus den Annalen entfernt. In anderen Ländern verfallen die Kirche, wie in der früheren DDR, wo es nicht selten vorkommt, dass man eine Kirche besucht, wo ein Netz unter der Decke die Andachtssuchenden vor herabstürzenden Steinen schützt.

 

Judas hätte unsere Prioritäten gelobt. Wir leben in einer Zeit, wo Resultate, Vernunft und Rationalität oben anstehen.

 

Was sollen wir mit einer Kirche, wenn wir ein Hallenbad bekommen können? Was sollen wir mit einem Pfarrer, wenn wir einen Arzt bekommen können? Was sollen wir mit Jesus Christus, wenn wir Fernsehen haben, Psychologen und Mindfullness?

 

Sie zerbrach das Glas und goss das Nardenöl über sein Haupt. Aber einige wurden böse und sagten zueinander: „Was soll doch diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl um mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und sie den Armen geben“.

 

Wir glauben an ein Leben vor dem Tode“, so lautete eine der vielen Kampagnen der Nothilfe der Volkskirche. Hier sehen wir deutlich, wozu das Öl hätte gebraucht werden sollen … Nothilfe, Nächstenliebe, humanitäre Arbeit, Fürsorge und Hilfe – und Lohn für Werber in den Fußgängerzonen und die gut bezahlten Konsulenten im Süden, die wie der IS gerne mit dem Toyota Landcruiser fahren.

Vielleicht wäre der Slogan: „Wir glauben an das Leben vor und nach dem Tode“ besser geeignet. Oder ein Hinweis auf Paulus, dass wir alle schon „vom Tode in das Leben gegangen sind“.

 

Die Pointe ist die, dass wir dazu aufgerufen sind, unserem Nächsten zu helfen. Aber die Rationalität erzählt uns, dass wir da nicht Jesus Christus hineinmischen sollen. Nein, man könnte Brot für die 300 Silbergroschen kaufen, aber Jesus sagte: „Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat“.

 

Die Armen haben wir immer bei uns. In allen Farben und aus allen Ländern. In diesen Jahren strömen Flüchtlinge und Migranten über die Grenzen. Aber es gibt auch viele andere, übersehene, deren Not so alltäglich für uns ist, dass wir bloß mit dem Kopf schütteln. Oder sie gehen aufrecht mit erhobenem Haupt – und brauchten dennoch unsere Fürsorge.

 

Als Jesus in Bethanien im Hause Simons des Aussätzigen zu Tische saß, kam eine Frau mit einem Glas mit unverfälschtem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Einige aber waren unwillig und sprachen untereinander: „Was soll doch diese Vergeudung des Salböls. Man hätte dieses Öl um mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und sie den Armen geben.“ Und sie fuhren sie an.

 

Wir leben in einer Zeit, wo Bilanzen und Cost-Benefit-Analysen das öffentliche Leben bestimmen. Resultatkontrakte, Effektivisierung und Messbarkeit. Noch hat das nur in geringerem Umfang die Kirche erreicht, aber es wird wohl kommen.

 

Rationell ist es nicht, Jesus zum König zu salben mit teurem Öl. Rationell ist es nicht, uns um gutes Essen zu kümmern, gute Krankenhäuser und anständige Altenfürsorge. Trotzdem ist es das erste, was der Sohn Gottes preist.

 

Es ist als stünden wir geistig gesehen in dem Stube bei Martha und Maria, wo Martha sich auf das Äußerliche, das Praktische, das Rationelle kümmert, während Maria ganzeingenommen von der Gestalt Jesu dasitzen und zuhören musste.

 

Oft wird die Frage gestellt: Warum verriet Judas eigentlich Jesus? Vielleicht, weil Jesus nicht der Vernunft des Judas folgte. „Es ist besser, dass ein Mann stirbt, als dass das ganze Volk zugrunde geht.“ Das war das Argument des Hohenpriesters Kaifas dafür, dass Jesus sterben musste (Johannes 11).

 

Die Frau mit dem Glas mit kostbarem Öl zeigte ihre unbedingte Liebe zu Jesus. Wo sind wir mit dem kostbaren Öl unseres Lebens? Sie gab, was vielleicht einem Jahresgehalt entspricht. Aber die meisten von uns haben so viel mehr zu geben. Vielleicht nicht Geld oder teures Öl – aber Lebensjahre und Leben und Zeit und Engagement und Arbeit und Empathie und Liebe.

 

Lieben wir Jesus so wie die Frau mit dem kostbaren Öl?

 

Und oft wird ja gesagt, dass sie eine Prostituierte war, und deshalb war sie im Besitz kostbarer Kosmetik.

 

Oder ist Jesus nur eine Nebenperson in einer Welt von Nebenpersonen, wo das Rationelle, das Vernünftige und das Materielle im Spiel des Lebens die meisten Stiche holen?

 

Sollen wir nicht die Vernunft walten lassen? Sollen wir nicht rationell sein?

 

So können wir die Argumentation des Judas durch all unsere Fasern hören.

 

Wäre es nicht das Vernünftigste gewesen, das teure Öl zu verkaufen, statt es auf Jesus zu verschwenden?

 

Amen



Pastor Christian Grund Sørensen
Dk-Aalborg
E-Mail: cgs(at)km.dk

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