Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 28.03.2016

Auferstehung: Das Leben kann nicht in Moll enden
Predigt zu Johannes 20:1-18 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Anders Kjærsig

Das Beste ist, in ein heißes Bad zu sinken

und die Reise im Dunkel des Morgens anzutreten

das Beste ist zu erwachen mit der Stirn

ruhend auf deinem warmen Nacken

dass alles noch immer zum besten werden kann

das Beste ist schließlich aufzugeben und plötzlich zu merken, wie alles beginnt

dass da immer mehr war

vom „Besten“ als vom „Schlimmsten“ –

- das ist das Beste.

 

Das Gedicht stammt aus der Gedichtsammlung von Søren Ulrik Thomsen Das Schlimmste und das Beste. In der Sammlung befinden sich zehn Gedichte über das Schlimmste und elf Gedichte über das Beste. Die Sammlung als ganze bringt also eine Lebensanschauung zum Ausdruck, die die Vorstellung enthält, dass das Beste stets besser ist als das Schlimmste – oder dass das Schlimmste nie schlimmer wird als das Beste. Mit anderen Worten: Das Beste siegt über das Schlimmste:

Das Beste ist, dass da immer mehr gewesen ist

vom Besten als vom Schlechten –

- das ist das Beste.

 

Die Gedichtsammlung enthält das, was Søren Ulrik Thomsen eine schwache Theologie genannt hat. Damit meint er, dass damit, dass ein Gedicht mehr vom Besten als vom Schlechten handelt, verweist es auf eine Hoffnung auf Veränderung und Verwandlung. In dieser Weise ist das Leben nicht festgeschrieben in einer festen Spur, die sich nicht verändern kann. Da ist immer Licht in Aussicht, nach dem man sich richten kann und auf diese Weise die Richtung ändern kann.

Erneuerung ist das Beste, nicht nur indem man das Alte wegwirft, sondern indem man das Alte in einer neuen Weise sieht. Ein Gedanke, den Thomsen aus der christlichen Tradition kennt. Hier siegt Licht über Finsternis, Leben über Tod, Gut über Böse, Freude über Traurigkeit, das Beste über das Schlimmste. Verbildlicht in der Erzählung vom leeren Grab zu Ostern und die Erzählung von Maria, die nach ihrem Herren sucht, hier am Ostermontag.

Aber das Beste ist nicht naiv gedacht. Weder bei Thomsen noch in den Evangelien. Beide halten ja das Schlimmste fest, das Böse und Grausame. Thomsen weiß, dass der Unterschied so klein ist, wie er nur sein kann – zehn gegen elf Gedichte. Kleiner kann der Unterschied nicht sein. Denn die Evangelien wissen, dass Gott dem Bösen freien Raum lässt, ohne die Menschen in ihrer Entfaltung zu hindern, wie pervers und destruktiv sie auch sein mögen. Das Leben siegt über den Tod – aber nicht indem es die Gewalt und den Schmerz beseitigt. Bei Thomsen ist das Schlimmste nicht tot – sondern Selbstentfaltung, Entbehrung und Heuchelei:

Das Schlimmste ist, einen Liebesbrief von einer Frau zu erhalten, die man niemals lieben kann

- sich selbst zu spielen, um sein Gesicht nicht zu verlieren, ist das Schlimmste

das Schlimmste ist nicht die Zeit, die ich verschwendet habe

mit all den Idioten

sondern alle die Zeit, die ich mit mir selbst verschwendet habe

das Schlimmste ist eine alarmierende Stille

womit die schlimmsten Krankheiten sickern

durch das zerfaserte Fleisch

und das Schlimmste ist den Mut zu verlieren

ehe ein ganz neuer Tag begonnen hat:

das ist das Schlimmste.

 

Das Leben kann nicht in Moll enden, das können die Sprache und die Kunst auch nicht. Von negativer Erbaulichkeit hält Thomsen nicht viel. Er ist gegen die Auffassung, dass Kritik der einzige Weg zur Erkenntnis ist. Deshalb sind da mehr Gedichte über das Beste. Vom Leben ist nämlich Gutes zu sagen. Positives und Erbauliches. Ostermorgen ist ein gutes Beispiel. Grundtvig beschreibt das in all seinen Liedern. Oft mit Bildern aus der Botanik: Christrosen, Osterlilien, Pfingstlilien (Narzissen). All diese Blumen zeigen uns, dass die Finsternis der Erde von einem Leben durchdrungen wird, das mehr als unverwüstlich ist. Es will zum Licht – darin liegt sein treib und sein Drang. Das Christentum will dasselbe, und das will der Mensch auch.

Der zeitgenössische Lyriker Simon Grotian hat mehrere Bücher mit Gedichten geschrieben, die sich direkt auf die christliche Tradition beziehen. In der Gedichtsammlung Salz der Erde und Licht der Welt ist ein Gedicht, das die Auferstehung in einer neuen und anderen sprachlichen Gestalt zeigt:

 

Livet har et fredagssmykke

uden verdens held og lykke

korset banker pulsen fremmed

derfor bliver et barn forgræmmet

 

Gennem blodet må vi stage

ind i vores morgendage

men for alle ene vender

korset om med blanke hænder.

 

Døden har et lørdagssmykke

ned ad hvide englerygge

lad os falde mod dig, Fader

i det høje stjernegader

 

Livet har en påskepakke

som vi når med dødens hakke

Kristus, Kristus, vær vor frelse

lad os bære englepelse

 

Gennem nattens magt og vælde

blomstrer vi med stjernetælle

Kristus, lad os blive trygge

i det bedste hus at bygge

 

Engle puster søndagsstormen

hvor du træder ud af formen

hvis vi kender liljeduften

stiger du som røg i luften

 

Amen

 

Grotian ist ein großer Reimkünstler, der souverän mit der Sprache und den Reimen spielt, deshalb lässt sich das Gedicht nicht ins Deutsche übertragen, ohne ganz seinen Charme zu verlieren, aber das Gedicht spielt wie Thomsen mit den Grundgegensätzen des Daseins, Glück und Kreuz, Tod und Schmuck, Nacht und Sternen, Sturm und Liljenduft.

 



Pastor Anders Kjærsig
DK-5792 Årslev
E-Mail: ankj(at)km.dk

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