Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Weihnachtstag, 25.12.2016

Predigt zu Micha 5:1-4a, verfasst von Ludwig Schmidt

Predigttext (neue Lutherübersetzung)

1 Und du, Betlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten. 3 Er aber wird auftreten und sie weiden in der Kraft des HERRN und in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde. 4a Und er wird der Friede sein.

 

Liebe Gemeinde!

Viele Menschen kommen nach Bethlehem, weil Jesus dort geboren wurde. Wäre er nicht in Bethlehem auf die Welt gekommen, dann wäre es heute so unbedeutend wie die Dörfer in seiner Umgebung. Als unser Predigttext entstand, spielte Bethlehem keine Rolle. Dafür war es zu klein. In vielen Städten und Dörfern in Juda lebten erheblich mehr Menschen als in Bethlehem. Trotzdem ließ Gott ankündigen, dass gerade aus diesem Ort ein Herrscher kommen wird, der dem unterdrückten alttestamentlichen Gottesvolk Frieden und Heil bringen wird. Als Jesus dann in Bethlehem geboren wurde, war dieser Ort genauso unbedeutend wie zur Zeit unseres Predigttextes. Gott wirkt immer wieder an Orten und durch Menschen, die keine Vorzüge aufweisen können. Im Alten Testament wird verschiedentlich erzählt, dass Gott Menschen eine Aufgabe übertrug, für die sie eigentlich nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügten. So wurde zum Beispiel David von einem Propheten zum König gesalbt, als er die Schafe seiner Familie hüten musste. Da er der Jüngste unter seinen Brüdern war, hielt man es für unmöglich, dass Gott gerade ihn zum König bestimmt hatte. Das ist im Neuen Testament nicht anders. Die Weisen aus dem Morgenland waren überzeugt, dass sie den neugeborenen König der Juden in Jerusalem finden würden. Nach ihrer Meinung konnte er nur in der Hauptstadt der Juden zur Welt gekommen sein. Aber sie mussten nach Bethlehem ziehen, um das Kind zu sehen. Dort huldigten sie ihm in einem Stall. Ein unbedeutender Ort und ein Stall, das ist nicht das Umfeld, das man für die Verehrung eines Königs erwartet. Als Jesus später als Wanderprediger auftrat, machte er Fischer zu seinen Jüngern. Sie waren einfache Leute. Die Elite des jüdischen Volkes hat ihn dagegen erbittert bekämpft, weil sie nicht akzeptieren wollte, dass Jesus im Namen Gottes redete und handelte. Gott sucht sich für sein Wirken meist nicht Orte oder Menschen aus, die etwas Besonderes sind. Bei ihm zählt nicht, ob jemand bedeutend oder angesehen ist. Er wendet sich gerade denen zu, die nicht auf ihre Stärke oder ihre Klugheit verweisen können. Darauf macht uns die Geburt Jesu in Bethlehem aufmerksam.

 

Es hat freilich einen besonderen Grund, dass nach unserem Predigttext der verheißene Herrscher von Bethlehem ausgehen wird. Von dort stammte der König David. Er galt als der ideale Herrscher, weil er erreichte, dass zu seiner Zeit das alttestamentliche Gottesvolk nicht von Feinden bedrängt wurde und sicher wohnen konnte. In unserem Predigttext wird also ein Herrscher wie David verheißen. Das war Jesus nicht. Er übte keine weltliche Macht aus und er befreite das Gottesvolk nicht von der Herrschaft der Römer. Das Reich Jesu war und ist nicht von dieser Welt. Aber Jesus wurde in Bethlehem geboren, weil Gott verheißen hatte, dass der neue Herrscher von Bethlehem ausgehen wird. Als Jesus als Wanderprediger auftrat, verkündete er die Botschaft von dem Reich Gottes, und er tat als Zeichen seiner Vollmacht Wunder. Jesus wirkte in der Kraft Gottes und in der Hoheit des Namens seines Gottes. Mit Jesus hat Gott also die alte Verheißung unseres Predigttexts erfüllt, aber er hat sie zugleich korrigiert, weil Jesus kein weltlicher Herrscher war. Dabei ist das Heil, das Gott mit der Geburt und dem Wirken Jesu stiftete, nicht kleiner als das Heil, das in unserem Predigttext angekündigt wird. Es ist ein anderes Heil und viel größer als das Heil, das ein weltlicher Herrscher geben könnte. Was hätte denn ein neuer David den Menschen gebracht? Er hätte es geschafft, dass die Juden frei und sicher in ihrem Land leben konnten. Aber das wäre ein vergängliches Heil gewesen, denn auch ein neuer David und alle, über die er regierte, hätten einmal sterben müssen. Erst recht wäre er für alle ohne Bedeutung, die keine Juden sind. Dass in Bethlehem vor langer Zeit ein neuer David geboren wurde, wäre für uns kein Anlass, seine Geburt zu feiern.

 

Aber gerade weil Jesus kein weltlicher Herrscher war, ist seine Geburt auch noch heute ein Anlass zur großen Freude. Der Sohn Gottes wurde in Jesus ein Mensch wie wir, damit alle, die an ihn glauben, im Frieden mit Gott leben und sterben können. Das gilt für Juden und für Nichtjuden. Wir Menschen können von uns aus nicht erreichen, dass wir mit Gott Frieden haben. Dazu müssten wir immer tun, was er von uns erwartet, und wir müssten in allem, was wir denken und tun uns an ihm orientieren. Dazu ist niemand imstande, selbst dann nicht, wenn ihm Gott wichtig ist. Aber Gott hat sich nicht damit abgefunden, dass unser Verhältnis zu ihm nicht in Ordnung ist und er eigentlich unser Gegner sein müsste. Er will mit uns Menschen Gemeinschaft haben. Deshalb hat er mit Jesus eine neue Grundlage für die Beziehung der Menschen zu ihm geschaffen. Dafür ist sein Sohn Mensch geworden. Wir sind Gott so wichtig, dass sein Sohn die Herrlichkeit aufgab, in der er bei Gott lebte, und die Existenz als ein Mensch wie andere auf sich nahm. Er ist sogar für uns Menschen am Kreuz gestorben. Mehr konnte Gott wirklich nicht für uns tun. Weil Jesus von den Toten auferstanden ist, können durch ihn alle Menschen mit Gott Frieden haben, obwohl Jesus vor langer Zeit geboren wurde und gestorben ist. Er ist der, der auch heute noch den Frieden Gottes zu uns Menschen bringt. So gilt nun für alle Zeiten, was einst der himmlische Chor sang, als der Engel den Hirten in der Nähe von Bethlehem verkündete, dass der Heiland, der Retter, geboren ist: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Gott hat trotz allem, was wir ihm antun, die Menschen lieb. Wir haben Frieden mit Gott, wenn wir an Jesus glauben, der für uns als Mensch geboren und am Kreuz gestorben ist.

 

Dieser Friede ist freilich nicht der weltliche Friede, nach dem sich viele Menschen sehnen. In diesen Weihnachtstagen wird oft vom Frieden geredet. In vielen Botschaften werden die Menschen aufgefordert, Frieden zu schaffen und zu bewahren. Wer die Bilder sieht, was Krieg und Terror anrichten, wird den weltlichen Frieden nicht geringschätzen. Es ist gut, wenn wir uns, soweit es uns möglich ist, im Großen und im Kleinen für diesen Frieden einsetzen. Jede Auseinandersetzung bringt ja großes Leid über Menschen. Aber wir wissen doch, dass alle Aufrufe zum Frieden nicht bewirken werden, dass Krieg und Gewalt aufhören. Das ist so, weil dafür alle Menschen anders sein müssten, als sie sind. Dann dürfte zum Beispiel kein Staat, keine Gruppe und kein Einzelner die Macht über andere haben wollen, und es dürfte niemand mehr versuchen, auf Kosten anderer reich zu werden. Dazu wird es leider nicht kommen. Es gelingt doch auch uns immer wieder nicht, selbst im kleinen Kreis heftigen Streit zu vermeiden, obwohl wir uns darum bemühen. Ein umfassender weltlicher Friede bleibt ein Traum, der sich nicht erfüllen wird.

 

Dagegen ist der Friede mit Gott kein Traum, sondern Realität für alle, die an Jesus glauben. Weil wir durch ihn Frieden mit Gott haben, ist Jesus unser guter Hirte. Er leitet und begleitet uns auf unserem Lebensweg. Jeder von uns darf wissen und darauf vertrauen, dass er bei Jesus geborgen ist. Auch wer einen schweren Weg gehen muss, kann sich darauf verlassen, dass ihm Jesus auf diesem Weg beistehen wird. Auf uns alle wartet einmal das finstere Tal des Todes. Aber es soll für uns nur eine Durchgangsstation sein, denn uns ist verheißen, dass uns Jesus in das ewige Leben bei Gott bringen wird. Auf diese Zusage können wir vertrauen, weil Gott erfüllt, was er verspricht. Er hat ja mit Jesus die Verheißung unseres Predigttextes erfüllt. Freilich hat Gott keinen neuen David gegeben. Aber wir sehen an Jesus, dass Gott nicht weniger, sondern mehr gibt, als er angekündigt hat. Er wird uns deshalb nicht weniger geben, als er uns mit dem ewigen Leben in seiner Herrlichkeit zugesagt hat. Mehr kann uns Gott wirklich nicht geben. Amen.

 



Prof.i.R.Dr. Ludwig Schmidt
91154 Roth
E-Mail: gi_schmidt@t-online.de

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