Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

18. Sonntag nach Trinitatis, 15.10.2017

Nadelöhr hin und her!
Predigt zu Markus 10:17-27, verfasst von Eberhard Busch

„Jesus sah ihn an und liebte ihn“. Es handelt sich um den Mann, von dem unsere Geschichte erzählt. Und ist dieser Mann nicht geradezu vorbildlich für uns? Er kniet vor Jesus nieder, hält ihn für einen „guten Meister“, bittet ihn um Belehrung, was er tun soll zur Erlangung des ewigen Lebens. Oder sagen wir. Was soll ich machen, dass Gott mich reichlich segnet in all meinem Tun? Nun, mit was hast du dir das verdient?, ist er gefragt. Und er antwortet: Daran fehlt es keineswegs; ich habe alle 10 Gebote gehalten, habe nicht getötet, nicht gestohlen, bin nicht in die Ehe Anderer eingeschlichen und habe nicht gelogen, habe auch meine Eltern geachtet. Das tönt wahrhaftig eindrucksvoll. Wer macht ihm das nach? Doch Jesus sagt ihm: Eines fehlt dir noch! „Verkaufe alles, was du hast!“ Wie soll man das verstehen? Erfindet Jesus jetzt nicht zusätzlich zu den 10 Geboten noch ein elftes Gebot? Nein, vielmehr deckt er mit diesem einen auf: Das Herz des Mannes hängt in all seinem Gebaren an seinem Reichtum, an seinem eigenen Wohlergehen, hängt an seinen Gütern und nicht an Gott. Darum hat er im Grunde keines der 10 Gebote gehalten. Darum entfernt er sich von Jesus.

Jesus redet hier kritisch von den Reichen, von denen, die einiges auf ihrem Konto haben, die ein Vermögen in ihrer Hand haben, geerbt oder erworben. Sie sind clever, damit Profit zu machen. Was hat Jesus nur gegen sie? Die Anderen schauen doch zu ihnen auf. Die heutigen Medien informieren uns allzu genug über sie. Die können sich viel mehr erlauben als unsereins. Das ist attraktiv. Wer wünscht sich nicht heimlich, sich Ähnliches leisten zu können wie sie. Ein Dichter im Altertum schrieb schon: „Reichtum bringt Ansehen.“ Und Johann Wolfgang von Goethe: „Am Gelde hängt, am Gelde klebt doch alles.“ Von einer begüterten Basler Dame erzählte man: Als sie eines von einer Hilfsbedürftigen hörte, riet sie, die solle dann halt ihr Vermögen angreifen, statt von den Zinsen ihres Kapitals zu leben. Jesus sagte: Wie schwer ist es, dass solch ein Reicher ins Reich Gottes kommt! – wenn er nicht auch nur ahnt, was Armut ist.

Aber fragen wir: Wer ist tatsächlich reich? Es ist völlig überraschend, wie die Jünger Jesu in unserer Geschichte auf dieses Wort ihres Meisters reagieren. Wer ist ein Reicher? Sie zeigen jetzt mit dem Finger nicht auf Vertreter der höheren Gesellschaft. Sie schlagen an ihre eigene Brust. Sie entsetzen sich und rufen: Wer kann denn dann selig werden! Sie beziehen wahrhaftig die Worte Jesu auf sich – und das, obwohl sie nicht von ferne begüterte Gesellen sind. Sie haben verstanden, dass Jesus in seiner harten Rede durchaus auch sie angeredet hat. Jawohl, sie sind gemeint, wenn es heißt: Eher schreite noch ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Vermögender ins Reich Gottes kommt. Wer ist wirklich ein Reicher? Wann ist jemand reich genug? Gilt der alte Spruch eines Johannes Miller nicht von den allermeisten: „Je mehr er hat, je mehr er will, nie stehen seine Sorgen still“? Zurecht redet Jesus auch seine Nachfolger an. Und zurecht erschrecken sie darüber: Wer kann jemals gerettet werden?

Und Jesus erklärt: Ihr habt’s verstanden! Genau das habe ich gemeint. Und es ist schlimmer, als ihr denkt. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, damit zu rechnen, dass auch nur irgendeiner von Gott akzeptiert wird – so unmöglich wie dies, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr schlüpft. Er mag noch so ein geschätzter Wohltäter sein. Er mag nach bei seiner Beerdigung noch so gerühmt werden. Er mag noch so fromm sein. Bei den Menschen ist es ganz und gar unmöglich, von sich aus zu Gott zu gelangen. Total ausgeschlossen. Eher noch geschieht das unmögliche Schauspiel mit solch einem Kamel.

Freilich fährt Jesus fort: „Aber bei Gott sind alle Dinge möglich.“ Gott hat alles Mögliche und Unmögliche in seiner Hand. Das heißt nicht, dass er auch Unsinn machen könnte. Er ist allerdings in der Lage, Unsinn auszuschalten. Gott vermag in seiner überwältigenden Barmherzigkeit das uns Menschen Unmögliche möglich zu machen. Daher kann er selbst einem von Gottes Reich gänzlich Ausgeschlossenen dennoch die Tür dazu aufschließen. Daher kann er einen ins Nichts Stürzenden gleichwohl mit starker Hand festhalten. Daher kann er zu einem, zu dem er eigentlich Nein sagen muss, dennoch Ja sagen. Daher kann sogar jener junge Mann durch seine üble Anhänglichkeit an seinen Reichtum es nicht ungültig machen, dass Jesus ihn liebt.

Ja, wie der Theologe Karl Barth in einer Vorlesung an der Basler Universität zu seinen Studenten sagte – mit Bezug auf unsere biblische Geschichte: Jesus vermag in seiner Liebe, jedermann „aus einem für ihn Unbrauchbaren zu einem zu seinem Dienst Tauglichen“ zu machen – „Nadelöhr hin und her“! In der folgenden Vorlesungsstunde standen unversehens drei Sänger in dem akademischen Hörsaal und sangen einen frisch komponierten Kanon genau auf diesen wundersamen Text „Nadelöhr hin und her.“ Gottes starkes und heilsames Erbarmen schafft es, aus einem verkorksten einen rechten Menschen zu machen und einen Selbstverliebten zu einem seinen Nächsten Zugewendeten umzuwenden. Man kann es nicht laut genug singen: Aus Gottes Gnade darf sogar ein Reicher wunderbar zu einem Nachfolger Jesu werden.

Denn Jesus spricht zu ihm: „Komm, folge mir nach und nimm das Kreuz auf dich.“ (21) Hört er es jetzt nicht, so sagt er es ihm in seiner Liebe noch und noch einmal, bis er es eines guten Tag hört. Dass er es wahrnimmt und dem Folge leistet, das ist nicht die Bedingung dafür, dass Jesus ihn liebt. Es ist dessen Konsequenz. Bin ich geliebt von ihm, dann habe ich das nie und nimmer verdient. Dann bin ich geliebt nicht, weil ich so liebenswürdig bin. Dann werde ich ihm aber dafür danken, dass er mich trotzdem gern hat.. Und den Dank werde ich am Besten so abstatten: „Lass mich an Andern üben, was du an mir getan“, wie es in einem alten Lied gesagt ist. Arme, Bedürftige gibt es unter uns nur allzu Viele, in der Ferne und in der Nähe. Oder habt ihr nicht auch schon solche Ausgemergelten gesehen, die in Abfalleimern nach noch Verwertbarem stöbern? Diese Andern sind eure und meine Nächsten. Sind wir selbst nicht ausgeschlossen, dann ist der so oder so Ausgeschlossene auch nicht ausgeschlossen. Dieser verlorene Sohn und jene missratene Tochter ist von Jesus freundlich angenommen. So werden auch wir sie nicht abweisen, sondern willkommen heißen.

„Und nimm das Kreuz auf dich“! Das Kreuz besteht hier darin, dass uns dies in der Regel unbequem ist und wider den Strich geht. Aber folgen wir Jesus nach! So wie vormals jener Franziskus von Assisi. Er kam aus reichem Haus und lebte herrlich und in Freuden. Gott bedeutete ihm, umzukehren aus seinem falschen Leben. Es brauchte lange, bis er schließlich und endlich begriff: „Verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen!“ Das war hart. „Wie schwer ist es, dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt!“ Es muss nicht dieser Verzicht sein Aber ohne eine einschneidende Einschränkung wird es auch bei uns nicht abgehen. Auch wenn es ein Kreuz, einen Verzicht, ein Opfer für uns bedeutet, folgen wir dem Einen, der sich für uns verausgabt hat! Und folgen wir ihm ganz und gar! Das hat noch keiner bereut.



Prof. Dr. Eberhard Busch
Friedland
E-Mail: ebusch@ gwdg,de

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