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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Reminiscere, 25.02.2018

Predigt zu Jesaja 5:1-7, verfasst von Ekkehard Heise

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

 

in unzähligen Liedern wird die Liebe besungen.

Das ist schön.

Die Liebe ist ein Geschenk Gottes,

das Menschen über die Maßen glücklich machen kann.

 

„Über die Maßen“, sage ich bewusst,

denn wer liebt,

                  spürt,

                           dass seine Zuneigung zum anderen

und dessen Erwiderung an

                                    Aufmerksamkeit,

                                                      Fürsorge und Zärtlichkeit,

nicht nur das Produkt seiner eigenen Anstrengungen ist,

sondern

         mit der Liebe wachsen uns Gaben zu,

                                                      die unsere Maße überschreiten.

 

Liebende empfangen große Geschenke:

         Engel stehen ihnen bei,

                  ebnen ihre Wege,

                  halten die Zeit an,

                  verändern Orte und Räume,

                                             so dass die Liebenden zu sich finden,

                                                                        und beieinander sein können.

 

   Wer dies Geheimnis der Liebe entdeckt,

                                                      wird dankbar.

erkennt,

         Gottes Hand in allen Geschehnissen. 

 

Wer dies nicht sieht, Gottes Teilhabe in allem,

                                    überfordert das Maß menschlicher Liebesfähigkeit.

 

„Du bist alles, was ich habe auf der Welt, 
Du bist alles, was ich bin. 
Du, du allein kannst mich verstehn, 
Du, du darfst nie mehr von mir gehn.

Seit wir uns kennen, ist mein Leben rundum schön, 
und es ist schön nur durch dich. 
Was auch geschehen mag, ich bleib bei dir, 
ich lass dich niemals im Stich.“

 

Der Sänger dieses Liedes

         klammert sich an seinen geliebten Menschen.

Und wir spüren, die Überforderung.

Wer die ganze Welt auf die Schultern des anderen legt,

         wer meint,

                  nur durch und mit dem geliebten Menschen leben zu können,

                                                                                 erschöpft ihn oder sie.

Welch eine Bürde,

wenn mir jemand zumutet:

                           ich sei die Welt,

                                    der Lebenssinn,

                                             der einzige Halt meines Partners.

 

Hier wird Liebe mit Religion verwechselt.

Menschen können einander nicht alles sein.

Menschen sind schwach,

                                    fehlbar.

Sie versagen und werden schuldig.

Wer anderen verspricht:

“Ich bin da,

wie ein Fels im Meer bin ich da.
Immerzu neben dir,
vertrau nur mir,
ich bin da.”,

         der überhebt sich,

                  übersteigt das Maß menschlicher Möglichkeiten.

 

Gott gibt seine Liebe vor,

                  damit unsere Liebe davon getragen und möglich wird.

 

Nur so kann menschliche Liebe ihren Zauber entfalten,

dass wir sie eingebettet sehen,

                                    getragen

                                             und geschenkt von der Liebe Gottes,                                                                                                           der unser Leben hält.

Wer in seinem Leben, in seiner Liebe meint,

         ohne Gott auskommen zu können,

                  wird hochmütig

                                             stolz,

                                                      kalt, berechnend

                                                                        und zornig,

                                             über die Fehler des anderen und seine eigenen.

 

Wer so getrennt von Gott lebt – lebt in Sünde.

 

Sünde, das heißt

                  getrennt sein von Gott.

 

Sensible Menschen hat ihre Entdeckung in Hoffnungslosigkeit

                                                               oder zu beißendem Spott getrieben.

 

   Befreien aus der Sünde kann nur der Glaube,

der Glaube daran,

         dass Gott von sich aus

                  diese Trennung vom Menschen überwunden hat.

 

So kommt das Gute doch in unser Leben

                                             und in unsere Liebe,

nicht weil wir es schließlich fertig brächten,

         von uns aus perfekt und selbstlos zu sein

                                             sondern weil Gott es uns schenkt.

 

   Glaubende Menschen haben einen Blick für die Geschenke Gottes.

Darin unterscheiden sie sich

         von den Hoffnungslosen

                           den Zynikern,

                                    den Stolzen und Ängstlichen.

 

Aus einer Phase der Hoffnungslosigkeit,

                                             die zum Spott treibt

                                                      stammt auch unser heutiger Predigttext.

Es ist das Lied vom unfruchtbaren Weinberg.

Es ist auch ein Liebeslied.

Ein verzweifeltes.

Es handelt von der Liebe Gotte zu den Menschen.

Eine Liebe,

                  die zu zerbrechen droht,

                                             weil der Mensch an seine Grenzen stößt.

Das Lied findet sich im Buch des Profeten Jesaja im 5. Kapitel

 

Wohlan,

ich will meinem lieben Freunde singen,

ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg.

 

Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe.

Und er grub ihn um

und entsteinte ihn

und pflanzte darin edle Reben.

Er baute auch einen Turm darin

und grub eine Kelter

und wartete darauf,

dass er gute Trauben brächte;

aber er brachte schlechte.

 

Nun richtet,

ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas,

zwischen mir und meinem Weinberg!

Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg,

das ich nicht getan habe an ihm?

Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht,

während ich darauf wartete, dass er gute brächte?

 

Wohlan,

ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will!

Sein Zaun soll weggenommen werden,

dass er verwüstet werde,

und seine Mauer soll eingerissen werden,

dass er zertreten werde.

Ich will ihn wüst liegen lassen,

dass er nicht beschnitten noch gehackt werde,

sondern Disteln und Dornen darauf wachsen,

und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.

 

Des HERRN Zebaoth Weinberg aber

ist das Haus Israel

und die Männer Judas seine Pflanzung,

an der sein Herz hing.

Er wartete auf Rechtsspruch,

siehe,

da war Rechtsbruch,

auf Gerechtigkeit,

siehe,

da war Geschrei über Schlechtigkeit. Jes 5,1-

Spott und Hoffnungslosigkeit.

Das Lied aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert

         sieht keinen Ausweg aus der Schlechtigkeit der Menschen.

 

Ich denke mir,

         der Profet wird dieses Lied

                  mit Tränen in den Augen gesungen haben.

                           Tränen, die bis heute nicht getrocknet sind.

 

Tränen, die wir weinen,

         wenn wir an die Grenzen unserer Möglichkeiten stoßen.

Wenn wir etwas „über alle Maßen“

         tun oder empfinden wollen

                           – dann verzweifeln wir,

                                    dann zerbricht unsere Welt,

                                                               die kein Mensch halten kann.

 

Dann erscheint der Tod in allen unsern Bemühungen.

Wir spüren das Böse in unserem Leben,

         sehen die schlechten Trauben,

                  die wir allein anzubieten haben.

Er wartete auf Rechtsspruch,

siehe,

da war Rechtsbruch,

auf Gerechtigkeit,

siehe,

da war Geschrei über Schlechtigkeit.

Das Leben erscheint hoffnungslos.

 

   Sie werden diese Hoffnungslosigkeit

                  in dieser oder anderer Hinsicht auch kennen.

Manchmal verzweifeln wir an uns selber.

Das Lied vom unfruchtbaren Weinberg,

                                    könnte auch unser Lied sein.

 

Das Evangelium in der Passionszeit lautet:

Gott hat dieser Hoffnungslosigkeit den Grund entzogen.

Er ist über menschliche Maße hinausgegangen.

denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen

durch den Heiligen Geist,

der uns gegeben ist…

schreibt Paulus,

         wie wir in der Lesung geht haben.

Gott hat eingegriffen

         und zwar in einer Art und Weise,

                           die niemand erwartet hatte,

                                    und die uns bis heute schwer fällt zu verstehen.

 

Das traurige Lied vom unfruchtbaren Weinberg

         findet durch Jesus Christus ein hoffnungsvolles Ende.

Es ist kein Abschiedslied mehr,

         sondern, es wird zum Aufgesang von etwas Neuem.

 

Nicht Tränen und Hoffnungslosigkeit

         sind das Ende vom Lied der Liebe,

                                                sondern die Hoffnung,

                                                               Freude und Erlösung.

 

Noch wird in unseren Tagen das Lied des Jesaja gesungen,

das Lied vom enttäuschten, traurigen Gott:

Warum haben die Menschen denn schlechte Trauben gebracht,

während ich darauf wartete, dass sie gute brächten?

 

Das Böse ist allgegenwärtig auch in uns selber.

Aber seine Kraft lässt nach,

                                    ist gebrochen.

 

Jesu Weg ans Kreuz führt in die Auferstehung.

         Damit ist dem Tod die letzte Macht genommen.

                           Wir leben mit einer Hoffnung,

                                    die größer ist als alles Böse.

 

Das ist es,

         woran wir in der Passionszeit besonders denken dürfen.

 

Gott hat seiner Enttäuschung

         über die Treulosigkeit der Menschen

                  selbst ein Ende bereitet.

Nicht so,

         wie der Profet es voraussah:

Ich will den Weinberg, meine Menschen wüst liegen lassen,

dass er nicht beschnitten noch gehackt werde,

sondern Disteln und Dornen darauf wachsen,

und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.

 

Sondern ganz anders:              

Gott ist in die Dunkelheit der Welt gekommen.

         In Jesus Christus erlebt er unsere Begrenztheit,

                  unsere Unfähigkeit zur Perfektion,

                           unsere schwachen, zerbrechlichen Gefühle,

 

Gott passt sich unseren Maßen an

         um sie gerade dadurch zu überwinden.

 

Wenn Gott bei uns ist,

                  dann ist etwas,

                           dann ist alles anders geworden.

 

Keine Macht der Welt kann uns von Gott trennen.

Und so

         weil Gott bei uns ist.

         weil er unser Leben hält und auffängt,

                  können unsere menschlichen Unternehmungen,

                           so brüchig und schwach sie auch sein mögen,

                                             ihren Sinn und ihre Kraft bekommen.

 

Gott sagt: Ihr seid liebenswert –

                  und so werden wir auch liebesfähig.

 

Wir versprechen einander

Hilfe,

         Aufmerksamkeit,

                           Zuneigung

                                    und Liebe,

wo wir es einlösen können,

                  ist es Geschenk Gottes,

                                    Gabe seiner Liebe,

         die unser Leben so schön,

                                    so zauberhaft,

                                             von Engeln begleitet,

                                                      so einzigartig werden lässt.

Weil Gott es gibt,

können wir verschenken

         über alle Maßen:

Aufmerksamkeit,

                  Zuwendung,

                                    Liebe

                                             ja,

                                                      und auch uns selbst.                    Amen.



Pastor Dr. Ekkehard Heise
Stade, Deutschland
E-Mail: Ekkehard.Heise@t-online.de

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