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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Osternacht, 31.03.2018

Hoffnung für alle
Predigt zu 1. Thessalonicher 4:13-18, verfasst von Ulrike Weber

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.

 

Liebe Gemeinde!

Der Thessalonicherbrief von Paulus hat für uns hier in Thessaloniki eine besondere Bedeutung. Einmal im Jahr gehen wir Gemeindefrauen die Wege ab, die der Apostel Paulus wohl gegangen ist. Diesen Gang nennen wir „Friedensweg“; Ausgangspunkt ist das Kloster Vlatadon und wir beginnen: „Nachdem sie aber durch Amphipolis und Apollonia gereist waren, kamen sie nach Thessalonich …“ Wir lesen die biblischen Texte und verbinden sie mit unseren biografischen Eindrücken des Ankommens und Erfahrungen mit der Stadt Thessaloniki. So verbinden sich die Anliegen des Paulus und mit uns heute. Diese Nähe zu den Wurzeln unseres Glaubens möchte keine von uns missen.

 

Die Fragen der Gemeinde, die Paulus aufgreift und in seinem Brief beantwortet, drehen sich um die immer wieder aktuellen Fragen vom rechten Glauben trotz Bedrängnis, von der Liebe im Miteinander und von der Hoffnung über den Tod hinaus.

So war die Gemeinde in Thessalonich damals in großer Sorge und Unruhe. Sie hofften doch mit den anderen ersten Gemeinden, die Paulus gegründet hatte, auf die Wiederkehr Jesu, sie warteten auf den Auferstandenen, damit sie ihm folgen konnten. Während sie also auf die Ankunft des Herrn warteten, waren inzwischen einige Gemeindemitglieder verstorben. Geht das Freudenfest der Wiederkunft Jesu nun an diesen Verstorbenen vorbei? Verpassen sie die Verheißung? Haben sie einfach Pech gehabt? Was geschieht dann aber mit ihnen?

Das fragten sich die Thessalonicher verunsichert.

Und auf diese Sorge antwortet Paulus mit unserem heutigen Predigttext.

 

13 Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die andern, die keine Hoffnung haben. 14 Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen. 15 Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die wir leben und übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind. 16 Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. 17 Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit. 18 So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.

 

Paulus nimmt uns mit in eine Welt voller großartiger Bilder und Szenen. Mit Begeisterung und Vorfreude gewährt er uns einen Einblick auf das, was kommt: Wenn Gott den Befehl ertönen lässt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune erschallen, dann ist es soweit. Die Ankunft des Herrn ist ein unüberhörbares Ereignis. Es ist der Weckruf Gottes, der die Entschlafenen ruft! Macht der Tod auch stumm, von diesem Schöpferruf Gottes lebt die Welt! Er ruft die Seinen ins Leben! Und Gott sprach: Es werde! Paulus greift auf diese Bilder aus der jüdischen Vorstellungswelt zurück, um damit die Gemeinde in ihrem Glauben zu stärken und um sie zu trösten. Er erinnert sie an das Bekenntnis: Wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, dann werden auch wir, ob wir nun leben oder gestorben sind, beim Herrn sein allezeit. Dieser Glaube an die Auferstehung bedeutet:

 

  1. Sorgt euch nicht um eure Toten!

Wenn Jesus wiederkommt, spielt es keine Rolle mehr, wer dann tot oder lebendig ist, das Heil, das damit anbricht, gilt allen gleich, sagt Paulus. Ob er damit auch etwas über unsere Bestattungspraxis sagen wollte? Bis heute tut sich die griechisch-orthodoxe Kirche schwer, Krematorien zuzulassen, weil sie die Auferstehung gefährdet sieht. Auf der anderen Seite werden hier in Thessaloniki auf den orthodoxen Friedhöfen die Verstorbenen nach 3 bzw. 5 Jahren wieder ausgegraben, die Knochen sauber gemacht und in einem Kästchen aufgehoben – es herrscht Platzmangel.

Wenn Paulus von „allen“ Entschlafenen redet, dann dürfen wir glauben, dass niemand verloren geht. Keiner wird vergessen. Nichts ist umsonst – alles bleibt aufgehoben bei Gott. Darin erweist sich Gottes Liebe und Treue zu seinen Geschöpfen. Darum, sagt Paulus, sorgt euch nicht um eure Toten, sorgt euch nicht um das Äußere; Gott sorgt sich um sie, genauso, wie er sich um uns sorgt. Schaut nach vorne und nicht zurück!

 

  1. Seid nicht traurig!

Seid nicht traurig angesichts des Todes, sagt Paulus. Mir scheint es ganz unmöglich, „Nicht-traurig-zu-sein“, wenn der Tod in unsere nächste Nähe kommt. Es ist aber möglich, sich nicht der Traurigkeit bis ins Bodenlose hinzugeben und alle Hoffnung aus dem Blick zu verlieren. Und das meint Paulus auch: Trauer braucht Trost, aber die bodenlose Traurigkeit ist trostlos und schließt jede Hoffnung aus. Der Glaube tröstet, die Liebe weint – und das darf auch so sein.

In unserer Gemeinde tragen wir unsere Trauer zusammen. Wir erinnern uns an die Verstorbenen mit einer Blumenblüte, zünden Kerzen für sie an und sprechen ein Auferstehungswort – auch wenn es keine Angehörigen mehr gibt. Dieser Umgang mit denen, die einmal zu uns gehört haben, auch, wenn es lange vor unserer Zeit war, weist auf unsere Hoffnung hin.

Diese Hoffnung ist etwas, was uns von anderen unterscheidet. Es ist die eine geschenkte Hoffnung, nicht die vielen kleinen und großen selbst gemachten, die wie Seifenblasen zerplatzen. Unsere eine Hoffnung ist unser Trost für heute und es ist das Tor für morgen. Die Zukunft, auf die wir schauen dürfen, gibt unserem Leben nicht nur eine neue Perspektive, sondern Kraft für das Heute. Das Kommen des Gottesreiches wirft schon seine Schatten voraus und wird alles in den Schatten stellen, was bis dahin gewesen ist.

Es steht noch etwas aus, wir haben noch etwas zu erwarten, sagt die Hoffnung. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Aber die Auferstehung wird nicht das „Happy-End“ unseres Lebens sein, sondern das, was sie ermöglicht: nämlich das Sein beim Herrn allezeit, das Sehen von Angesicht zu Angesicht. Und da werden wir nicht alleine sein, sondern alle, die jemals Verstorbenen, werden gleichermaßen an dieser Hoffnung teilhaben. Wir werden uns wiedersehen!

 

  1. Tröstet einander mit dieser Hoffnung!

Diese wunderbare Vision, die Paulus den Thessalonichern vor Augen malt, soll trösten. Da spielt es auch keine Rolle, wenn die Vision nicht so ganz wasserdicht ist. Wenn es nicht auf alles eine klare Antwort gibt, wenn z. B. offenbleibt, wer nun den Befehl zur Ankunft des Herrn gibt, wer die Posaune bläst und wie die Gräber sich öffnen mögen. Da bleibt manches offen und unklar.

Aber das Eine und Letzte ist ganz klar: es gibt nichts mehr, was uns von Gott trennt. Wir dürfen glauben und hoffen und uns darauf freuen, dass am Ende vor allem eine Gemeinschaft mit Gott auf uns wartet, die uns niemand nehmen kann.

 

Welche Zukunftsbilder uns Paulus wohl heute vor Augen malen würde, das weiß ich nicht. Sicherlich würde es kein solches Himmelsszenario mehr sein. Aber wir dürfen trotzdem etwas Großartiges erwarten!

Ich stelle mir das so vor: Dass wir vollkommen erkennen und Gott uns mit weit geöffneten Armen erwartet - und wir uns da hineinfallen lassen können für immer!

 

Paulus überzeugt in seinem Brief an die Thessalonicher mit einer Klarheit und Entschiedenheit, die den Menschen nicht nur damals, sondern auch heute noch guttut. Wieviel Mut und Kraft kann es einem geben, wenn wir auf einen Menschen treffen, der nicht ständig von „vielleicht“ oder „eventuell“ redet. Wie wohltuend ist es, wenn wir Menschen erleben, die sich Zeit nehmen und zuhören können, die Versprechen einhalten, ohne groß zu fragen ihre Hilfe anbieten und wissen, was sie trägt. Wenn wir so wie Paulus mit Klarheit von unserem Glauben reden, von unserer festen Hoffnung erzählen und unsere Liebe spürbar wird, geben wir einander Halt und Trost, auch und gerade durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Die Wirklichkeit mit ihren täglichen Entmutigungen wird von gelebter Hoffnung in Ermutigung verwandelt.

 

Die Feier der Auferstehung Jesu in der Osternacht Jahr für Jahr ist eine Ermutigung. Sie ist die Inszenierung der Hoffnung, die Vorwegnahme der Auferstehungsfreude und der Anfang des Trostes.

 

Die Feier der Osternacht in Thessaloniki ist sowohl für die Bevölkerung als auch für uns als evangelische Gemeinde ein beeindruckendes Erlebnis. In unzähligen orthodoxen Kirchen versammeln sich am Abend die Menschen, ja ganze Familien, zur Liturgie. Wenn der griechisch-orthodoxe Priester um Mitternacht das Podest auf dem Vorplatz der Kirche besteigt und durch das Megafon den hunderten von Menschen zuruft: „Χριστός Ανέστη“, und wenn dann aus dem einen Osterlicht ein Lichtermeer wird, entsteht ein unbeschreiblicher Jubel: der Tod ist bezwungen, das Leben siegt! Christus ist auferstanden und auch wir werden auferstehen!

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn. Amen.



Pfrn. Ulrike Weber
Thessaloniki, Griechenland
E-Mail: pfr.u.weber@googlemail.com

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