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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Michaelistag, 29.09.2018

Die Apostel werden verhaftet und vor den Rat gestellt
Predigt zu Apostelgeschichte 5:17-29, verfasst von Winfried Klotz

17 Der Oberste Priester und sein ganzer Anhang, die Partei der Sadduzäer, wurden neidisch und beschlossen einzugreifen. 18 Sie ließen die Apostel verhaften und ins öffentliche Gefängnis werfen.

19 Doch in der Nacht öffnete der Engel des Herrn die Gefängnistore, führte die Apostel heraus und sagte zu ihnen:         20 »Geht in den Tempel und verkündet dem Volk die Botschaft von dem Leben, das Jesus gebracht hat!«

21 Die Apostel gehorchten, gingen früh am Morgen in den Tempel, stellten sich hin und lehrten das Volk. Der Oberste Priester und sein Anhang hatten inzwischen den jüdischen Rat samt allen Ältesten des Volkes Israel zu einer Sitzung zusammengerufen. Sie schickten in das Gefängnis, um die Apostel vorführen zu lassen.

22 Aber die Diener, die sie hinschickten, konnten die Apostel dort nicht finden. Sie kamen zurück und berichteten: 23 »Wir fanden das Gefängnis ordnungsgemäß verschlossen und vor allen Türen standen die Wachen. Aber als wir aufschlossen, war niemand darin.« 24 Der Befehlshaber der Tempelwache und die führenden Priester waren ratlos und konnten sich das nicht erklären.

25 Da kam einer und berichtete: »Die Männer, die ihr ins Gefängnis gesperrt habt, stehen im Tempel und lehren das Volk!«

26 Der Befehlshaber ging mit der Tempelwache hin, um sie zu holen. Sie vermieden es aber, Gewalt anzuwenden; denn sie hatten Angst, das Volk würde sie steinigen: 27 Sie brachten die Apostel vor den jüdischen Rat und der Oberste Priester verhörte sie.

28 Er sagte: »Wir haben euch deutlich genug befohlen, nicht mehr unter Berufung auf diesen Namen vor dem Volk als Lehrer aufzutreten. Und was habt ihr getan? Ganz Jerusalem ist voll von dem, was ihr lehrt! Ihr macht uns für den Tod dieses Menschen verantwortlich und wollt die Strafe Gottes über uns bringen!«         [Ihr macht uns …: wörtlich Ihr seid entschlossen, (die Strafe für) das (vergossene) Blut dieses Menschen über uns zu bringen.]

29 Aber Petrus und die anderen Apostel antworteten: »Gott muss man mehr gehorchen als den Menschen.«

Liebe Gemeinde!

  1. Befiehl dem Engel, dass er komm und uns bewach, dein Eigentum; gib uns die lieben Wächter zu, dass wir vorm Satan haben Ruh.
  2. So schlafen wir im Namen dein, dieweil die Engel bei uns sein. Du Heilige Dreifaltigkeit, wir loben dich in Ewigkeit. (EG 469, Str. 6 und 7)

Den Text dieses Abendliedes aus unserem Gesangbuch hat Erasmus Alber um 1536 nach dem alten lateinischen Hymnus „Christe qui lux es et dies“ (vor 534) gedichtet. Damit sind wir noch nicht bei unserem Predigttext, aber beim Thema des heutigen Gedenktages: 29. September, Tag des Erzengels Michael und aller Engel.

„Befiehl dem Engel, dass er komm …“, angeredet ist hier der „Herr Jesus Christus“, (Str. 4); ER hat die Verfügungsgewalt über die Engel; in seinem Auftrag sind sie ausgesandt. „Die Engel sind doch alle nur Geister, die Gott geschaffen hat zum Dienst an den Seinen. Er schickt sie denen zu Hilfe, die Anteil an der endgültigen Rettung haben sollen.“ So sagt der Hebräerbrief Kap. 1, 14.

Ein Freund aus Süd-Indien erzählte mir: „Mit gefälschten Papieren versuchte jemand sich ein Grundstück anzueignen, auf dem sie seit Jahren eine christliche Schule betreiben. Er drohte, die Schule mit dem Bulldozer einreißen zu lassen, wenn sie das Grundstück nicht herausgeben. Auf ihre Weigerung hin lies er der Drohung Taten folgen. Eine Planierraupe rückte an. Was tun? Sie hatten keine Möglichkeit, diese Bedrohung abzuwehren. Aber als die Planierraupe an die Schule heranrollte, sprang plötzlich eine große Schlange vor ihr auf. Sofort stoppte der Fahrer die Raupe und war auch später nicht mehr bereit, weiter zu fahren. Offensichtlich verstand er als Hindu das Aufspringen der Schlange als göttliches Zeichen. Nun hatte unser Freund Zeit, mit seinen Papieren zur Polizei zu gehen. Damit sie eingriff, musste er aber erst bezahlen …“

Zufall oder göttliches Eingreifen? Für meinen Freund und mich ein wunderbares Eingreifen Gottes. Auch wenn hier nicht von einem Engel die Rede ist. Auch wenn es etwas Natürliches ist, dass eine Schlange vor einer Planierraupe aufspringt. Gott bleibt verborgen, auch wenn er rettend für seine Leute eingreift.

Woher kann man dann wissen, dass Gott eingegriffen hat? Mein Freund aus Indien würde wahrscheinlich sagen: Wir haben doch darum gebetet! Gott verspricht doch in der Bibel, dass ER uns nicht im Stich lässt. Sein Versprechen und das Gebet machen uns zuversichtlich und gewiss. Und so erfahren wir es immer wieder, dass wir Hilfe finden, wenn wir im Namen von Jesus beten.

Übrigens, diese Gewissheit der Gegenwart und Hilfe Gottes strahlt auch auf aus dem Lied von Dietrich Bonhoeffer „Von guten Mächten treu und still umgeben“, dass er an der Jahreswende 1944/45 in Gestapohaft geschrieben hat. Da meint Bonhoeffer ja nicht irgendwelche kosmischen Energien, sondern Gottes Engelmächte. Vielleicht ist es doch so, dass Gottes barmherziges Eingreifen nur von denen verspürt und gewürdigt wird, die durch bittere Not gehen müssen, geplagt, verlassen, ausgeliefert. Deshalb lobe ich jetzt all die Schwachen und Kaputten, die sich nicht aufgeben, sondern beständig Gott um Führung und Hilfe anflehen im Namen von Jesus. Ich kenne jemanden, der hat, als seine inneren Verstrickungen nicht mehr zu ertragen waren, Gott einen Nachmittag lang laut um Hilfe angefleht. Gott hat sein Rufen gehört und den gordischen Knoten gelöst. Gott antwortet, manchmal durch Menschen, manchmal auch durch personale Wesen, deren Existenzweise sich der Überprüfung durch uns entzieht.

Unser Predigtwort enthält keine Lehre über die Engel, keine Unterweisung über die Existenzweise der Engel, nichts, was unsere Neugier befriedigen könnte. Der Engel des Herrn, wir wüssten natürlich am Michaelstag gerne seinen Namen, bleibt namenlos. Wenn ich es recht überblicke finden wir im Neuen Testament nur zwei Engel mit Namen, Gabriel  (Lukas 1, 19 und 26), und Michael (Judas 9 und Offenbarung 12, 7); ihre Namen finden sich schon im Buch Daniel. Normalerweise aber sind Engel namenlos, sie werden Engel des Herrn oder Engel Gottes genannt. Im Richterbuch weist ein Engel die Frage nach seinem Namen zurück – er ist geheimnisvoll (Ri. 13, 18). Engel sind keine Nebengötter – ein Name könnte dazu verleiten, sie zu verehren – sondern Gott sendet sie, damit sein Wille bekannt wird und geschieht. Das ist der Gott, der im Alten Testament „Jahwe Zebaoth“, Herr der Heerscharen (Jes. 6, 3) genannt wird, denn ihn umgeben unzählbare Engelscharen.

Unser Wort berichtet von der Gefangenahme der Apostel durch den Hohen Rat; sie werden ins öffentliche Gefängnis gesperrt. Aus Indien – ich muss dies an dieser Stelle mitteilen, erreichte mich vor kurzem ein Video aus dem Bundestaat Gujarat, das nach Auskunft meines indischen Freundes die Gefangennahme von drei Pastoren zeigt. Vor vielen Menschen sitzen sie gefesselt auf der Straße, Polizei steht herum, aber Hauptakteur ist ein nicht uniformierter Mann, der, ich verstehe leider die Sprache nicht, so etwas wie eine Anklagerede hält.

Was unser Predigtwort berichtet, ist bis heute nichts Ungewöhnliches: Bezeugst du Jesus Christus als den, durch den Gott Leben schenkt, gerätst du in Schwierigkeiten; und das beginnt mit Anfechtungen, Zweifeln, Scheitern und geht bis zur Ablehnung durch Menschen, Beschimpfungen, Schlägen, Gefängnis ... Die Apostel sitzen im öffentlichen Gefängnis, die drei Pastoren gefesselt auf der Straße; die Gefahr ist gebannt, dass jemand in diesem Namen, nämlich dem Namen Jesus, predigt. Die Gefahr ist gebannt, dass Gottes Herrschaft ausgerufen wird, seine siegreiche Herrschaft gegen all das Böse, dass in Menschenherzen schlummert und zu Unterdrückung, Ausbeutung und Zerstörung von Menschen führt. Diese Herrschaft hat Gott durch Jesus heraufgeführt, durch den, der Gottes rettende Liebe gepredigt und getan hat und deshalb am Kreuz vernichtet wurde. Vernichtet!? Nein, Gott hat das Gegenteil daraus gemacht. ER hat Jesus auferweckt und sein Kreuz zum Rettungs- und Siegeszeichen gemacht. Sollte der Gott, der Jesus auferweckt hat, der Jesu‘ Sterben zum Ort der Vergebung all der schrecklichen und schlimmen Dinge gemacht hat, die Menschen tun können, der so rettet und befreit zu einem Leben im Frieden, sollte dieser Gott es hinnehmen, dass seine Boten mundtot gemacht werden? Gewiss nicht! Unser Bibelwort berichtet:

19 „Doch in der Nacht öffnete der Engel des Herrn die Gefängnistore, führte die Apostel heraus und sagte zu ihnen:        20 »Geht in den Tempel und verkündet dem Volk die Botschaft von dem Leben, das Jesus gebracht hat!« 21 Die Apostel gehorchten, gingen früh am Morgen in den Tempel, stellten sich hin und lehrten das Volk.“

Gott sendet seinen Engel, damit die Proklamation der Worte des Lebens weiterhin geschieht. Und die Apostel Jesu machen genau, was ihnen aufgetragen wird: Gegen alle Bedrohung stehen sie am nächsten Morgen wieder im Tempel und lehren öffentlich, dass Gott Jesus gesandt hat, damit wir Menschen zum Leben gelangen, befreit von all der sinnlosen Gier, dem fanatischen Hass, der überheblichen Überschreitung von Grenzen, die uns doch vor dem Absturz bewahren sollen.

Ich weiß nicht, wie es mit den Pastoren in Gujarat weitergegangen ist; ob sie freikamen, ins Gefängnis gesteckt oder totgeschlagen wurden. Ich weiß aber und vertraue darauf, dass Gott auch dort die Botschaft vom Leben nicht verstummen lassen wird. Dafür beten viele Christen.

Michaelis, Gott sendet seine Engel! Sie bleiben verborgen und haben doch teil an dem Kampf, den Gott führt, damit Menschen zum Leben gelangen. Mutig weitersagen, was Gott durch Jesus auch heute tut, nämlich Leben schenken, ist Aufgabe derer, die Gott sendet. Aber sie stehen nicht auf verlassenem Posten, auch wenn die große Mehrheit gegen sie steht. Die Schar der Engel umgibt sie. (2. Kge 6, 16) Mutig zu Jesus stehen; wir wissen, wie die Geschichte nach der Befreiung der Apostel weitergeht. Im Tempel werden sie abgeholt, damit sie doch noch vom Hohen Rat zur Verantwortung gezogen werden können. Der Oberste Priester wirft ihnen vor:

„Wir haben euch deutlich genug befohlen, nicht mehr unter Berufung auf diesen Namen vor dem Volk als Lehrer aufzutreten. Und was habt ihr getan? Ganz Jerusalem ist voll von dem, was ihr lehrt! Ihr macht uns für den Tod dieses Menschen verantwortlich und wollt die Strafe Gottes über uns bringen!“

Unter Berufung auf diesen Namen das Volk zu lehren – der Oberste Priester vermeidet es, ihn auszusprechen – ist streng verboten. Es rührt an die Fundamente, es stellt die Autorität des Hohen Rates in Frage, wenn die Apostel im Namen Jesu das Volk zur Umkehr rufen. Jesus ist „Staatsfeind“! Grundsätzlicher kann die Konfrontation nicht sein, grundsätzlicher kann das Verbot, im Namen von Jesus Gottes Herrschaft zu bezeugen, nicht begründet werden. Der Oberste Priester erkennt richtig, dass durch die Predigt im Namen Jesu die religiös-politische Herrschaft des Hohen Rates in Frage gestellt ist.

Gibt es hier einen Kompromiss? Im Sinne von ‚uns geht es doch nur um die Erneuerung unserer Religion‘? Nein, es bleibt nur, Gottes Anspruch gegen menschliche Selbstbehauptung zu bekennen: „Gott muss man mehr gehorchen als den Menschen.“ So, wie es z. B. 1934 in der Barmer Theologischen Erklärung geschehen ist. Ein lebensgefährlicher Weg für die Apostel Jesu, aber sie sind nicht verlassen. Paulus schreibt im 2. Korintherbrief (4, 8-10) über den Weg der Boten Jesu: „In allem sind wir bedrängt, aber nicht in die Enge getrieben, ratlos, aber nicht verzweifelt, verfolgt, aber nicht verlassen, zu Boden geworfen, aber nicht am Boden zerstört. Allezeit tragen wir das Sterben Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde.“

Stellen wir uns darauf ein, dass nicht nur vor 2000 Jahren und im fernen Indien Leiden zum Weg derer gehört, die „die Botschaft von dem Leben, das Jesus gebracht hat“, zu den Menschen bringen. Jesus Christus bekennen, das kann auch in der Kirche einsam machen. Aber wir sind nicht verlassen, Gott sendet seine Engel. Die letzte Strophe des Liedes EG 143 sagt: „Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du der Herr der Engel bist und uns die Wächter sendest. Erhalte uns in deiner Hut und rette uns, Herr, durch dein Blut, wenn du den Streit beendest.“ Amen.

 

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Winfried Klotz, Pfr. i. R. der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Jg. 1952, wohnt in Bad König im Odenwald.

 

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Vom Autor empfohlener Link zum Michaelistag: http://www.daskirchenjahr.de/tag.php?name=erzengelmichael&zeit=AndereFeste2



Pfr. Winfried Klotz
Bad König, Hessen, Deutschland
E-Mail: winfried.klotz@web.de

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