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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Sexagesimae, 24.02.2019

Die Anfänge des Christentums in Europa
Predigt zu Apostelgeschichte 16:9-15, verfasst von Juraj Bándy

Wann und wo gelangte das Christentum nach Europa?

            Wer war der erste europäische Christ?

            Wo wurde die erste christliche Gemeinde in Europa gegründet?

            Ich vermute, dass nur wenige von unseren aktiven Kirchenmitgliedern diese Fragen genau beantworten könnten. Es ist kein Wunder, weil das Christentum so leise und unauffällig zu unserem Kontinent kam, dass die Heilige Schrift darüber nur kurz und knapp berichtet.

            In dem eben gehörten Teil der Apostelgeschichte haben wir von der Ankunft des Evangeliums auf unserem Kontinent gehört. Es ist eine bescheidene, unauffällige und sachliche Beschreibung eines Ereignisses, welches weitgehende Folgen hatte.

            Apostel Paulus war der erste Christ, der den europäischen Boden betrat, als er von Neapolis nach Philippi ankam. Diese Stadt war „die Hauptstadt dieses Teils von Mazedonien“ (V. 12).

            In dieser Stadt, in Philippi, wurde die erste christliche Gemeinde gegründet. Der erste Mensch, der in Europa das Evangelium ins Herz empfing, war „eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurkrämerin aus der Stadt Thyatira“ (V. 14). Aus diesen bescheidenen Anfängen entstand das christliche Europa.

            Im Jahr 1951 wurden in Philippi, das heute zum Griechenland gehört, ein großes Fest und eine große Wallfahrt gehalten. Nach den Rechnungen der dortigen Bibelwissenschaftler vergingen damals 1900 Jahre, seitdem Apostel Paulus bei Philippi nach Europa kam. An den großartigen Festlichkeiten nahmen damals neben den hochrangigen kirchlichen Würdenträger auch zahlreiche Staatsoberhäupter, Diplomaten und hochwürdige Persönlichkeiten. Es war die größte Wallfahrt jener Zeit. Ein ganzer Kontinent dankte Gott dafür, dass vor 1900 Jahren ein Apostel kam, der das Evangelium von dem gekreuzigten und auferstandenen Christus verkündigte.

            Der Bericht der Heiligen Schrift über die Entstehung des Christentums in Europa soll für uns jetzt Gelegenheit geben, damit wir über die Kirche in unserem Kontinent nachdenken.

  1. Das europäische Christentum entstand aus dem Willen Gottes.„Das christliche Europa“ ist kein Zufall, sondern Gott hat es so gewollt, damit auch in unserem Kontinent das Licht des Evangeliums Christi aufleuchtete.

            Der liebe Gott hat seinen Willen dem Apostel Paulus durch eine Vision kundgetan. „Und dem Paulus erschien eine Vision bei Nacht; das war ein Mann von Mazedonien, der stand da und bat ihn und sprach: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“ (V. 9). Das Evangelium bietet immer eine Hilfe. Eine Hilfe für die, die sich in der Finsternis der Sünden befinden. Eine Hilfe für die, die das Ziel ihres Lebens nicht sehen und keinen festen Boden unter seinen Füßen haben. Eine Hilfe für die, die sich im Schatten des Todes befinden, damit sie das ewige Leben erreichen könnten. „Komm…und hilf uns!“ (V. 9) so rief der Mazedonier.

            Durch die Vision, die dem Apostel Paulus erschien, zeigte sich die sorgsame Liebe Gottes. Als der Apostel nach Europa kam, erfüllte sich über unserem Kontinent die jesajanische Botschaft: „Das Volk, das im Finsteren wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finsteren Lande, scheint es hell“ (Jes 9, 1).

            Europa ist auch in der Gegenwart hilfsbedürftig. In unserem Kontinent haben sich viele Spannungen, Unruhen und Feindseligkeiten aufgehäuft. Heute ruft niemand im Namen Europas zu der Kirche: Hilf uns! Trotzdem sollte aber die Kirche bei der Heilung der Probleme Europas helfen. Die bloße Existenz der Probleme ist ja ein lauter Hilferuf.

  1. Das europäische Christentum entstand durch den Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes.Die Apostelgeschichte berichtet darüber, dass Paulus und seine Mitarbeiter ursprünglich in Phrygien, Galatien und Bithynien das Evangelium verkündigen wollten. Gott veränderte aber ihre Pläne. Von der nächtlichen Vision erfuhren sie, dass Gott sie nach Europa sandte um „das Evangelium zu predigen“ (V. 10). Sie haben sich dem göttlichen Befehl unterworfen. Sie haben ihre Pläne verändert und sind nach Europa gekommen.

            Der Mensch ändert seine Pläne immer ungern. Es fällt uns immer schwer unsere Vorhaben zu modifizieren. Wir freuen uns nicht, wenn wir um einen ungeladenen Gast Willen einen Nachmittag oder einen Abend anders verbringen müssen, als wir es ursprünglich geplant haben.

            Es kann aber sein, dass auch du, lieber Bruder und liebe Schwester, jemanden triffst, aus dessen Seele – unausgesprochen zwar – derselbe Ruf kommt wie in Paulus` Nachtvision: „Hilf uns“ (V. 9) kommt. In solchen Fällen verändere deine Pläne und sei behilflich deinem Mitmenschen mit dem Wort des ewigen Lebens. Vergiss nicht, dass das Christentum deswegen so relativ früh nach Europa kam, weil die Apostel bereit waren ihre Pläne zu verändern.

  1. Das europäische Christentum steht unter Gottes Schutz.Das ist die dritte Botschaft der heutigen Bibelgeschichte. Herr Gott lenkt die Geschichte seiner Kirche. Er kann aus kleinen Anfängen große Werke hervorbringen. Beobachten wir nur, wie wenig versprechend das Christentum in Europa begann!

            Die erste Hörerschaft der Apostel bestand aus wenigen Frauen. Nicht die ideale Ausganslage in der Antike, als noch ein sehr schlechtes Frauenbild vorherrschte und die Gesellschaft von Männern dominiert wurde. Noch hoffnungsloser ist die Tatsache, dass nur eine einzige von ihnen Christin wurde:„eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia“ (V. 14). In den Augen Gottes gibt es keinen solchen bescheidenen Anfang, der hoffnungslos wäre. Er selbst sorgte dafür, damit seine Kirche bestünde und wachse.

            Er selbst öffnet auch heute das Herz der Menschen, damit sie das Evangelium des ewigen Lebens empfangen. Wie wir gehört haben, Lydia „tat der Herr das Herz auf, dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet ward“ (V. 14).

            Aus der Distanz von fast zweitausend Jahren ist es wertvoll genauer zu beobachten, was für ein Mensch die erste Christin in Europa war. Wir können bei ihr solche Werte entdecken, die auch heute als Werte gelten und welche auch heute in der Kirche nötig sind.

            Das größte wertvolle Geschenk bekam Lydia von Gott. Er öffnete ihr Herz. Auch wir, die heutigen Christen bekommen von Gott dieses wertvolle Geschenk bei der Heiligen Taufe. Herr Jesus klopft auch heute an Millionen von Menschenherzen mit der Hoffnung, dass wir sein Klopfen hören.

            Lydia, die das Gnadengeschenk erhielt, indem Gott ihr das Herz öffnete, hatte aufmerksam darauf acht „was von Paulus geredet ward“ (V. 14). Der Herr öffnet unser Herz dafür, damit wir aufmerksam sein Wort hören. Lydia kann ein Beispiel für alle sein, die nur mit dem Ohr, vielleicht sogar nur mit einem Ohr, das Wort Gottes hören, dass wir das Wort Gottes auch mit unserem Herz hören.

            Der Herr hat Lydia die Tür ihres Herzens aufgemacht. Sie hat dann die Tür ihres Hauses vor den Aposteln geöffnet. So hat sie ihnen Liebe erwiesen. Wohin der Herr den Glauben schenkt, fordert er die Früchte der Liebe.

            In heutigem Predigttext haben wir über den Anfang des Christentums in Europa gehört. Von einem leisen, unauffälligen, nicht vielversprechenden Anfang, auf dass aber eine mächtige Fortsetzung folgte. Danken wir dem allmächtigen Gott, dass durch seinen Willen das Evangelium Christi auch auf unseren Kontinent gelangt ist. Danken wir Ihm, dass Er bis zum heutigen Tag den Weg seiner Kirche lenkt. Bitten wir Ihn, damit Er auch unser Herz für das Hören seines Wortes und für die Taten der Liebe öffne. Bitten wir Ihn, damit Er auch uns zeige, wohin wir gehen sollen um zu helfen (V. 9.). Amen.

 

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Juraj Bándy, geb. 1950, Rentner, in den Jahren 1977 – 2005 war er Pfarrer in Šamorín, in den Jahren 1990 – 2018 wirkte er an dem Lehrstuhl des Alten Testament der Evangelischen Theologischen Fakultät der Commenius Universität in Bratislava



Prof. ThDr. Juraj Bándy
Šamorín, Trnavský kraj, Slowakien
E-Mail: thdr.bandy@stonline.sk

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