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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Palmarum, 16.03.2008

Predigt zu Hebräer 12:1-3, verfasst von Ulrich Nembach

Mut zum christlichen Leben

Der Brief an die Hebräer 12:1 Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, laßt uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und laßt uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist,

2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.

3 Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken laßt.

 

Liebe Gemeinde,

I.

wir, Sie und ich, haben heute am Sonntag Palmarum eigentlich einen anderen Predigttext erwartet, nämlich das Evangelium des heutigen Sonntages, den Bericht von Jesu triumphalen Einzug in Jerusalem. Die Menschen schlugen Palmenzweige ab und breiteten sie vor Jesus aus. Der uns für den heutigen Sonntag vorgeschlagene Predigttext spricht von etwas ganz anderem und doch auch von Jesu Einzug, wie sich später noch zeigen wird.

Ein hoch gebildeter Mensch schrieb unseren Predigttext. Er schreibt in einer Schrift, die seinen hohen Bildungstand zeigt. Er schreibt als Gebildeter für gebildete Christen. Später, in einer ganz anderen Situation schrieb Schleiermacher für Gebildete, die die Religion verachteten. Der Autor unseres Predigttextes wendet sich ausdrücklich an Christen. Wer er ist, wissen wir nicht. Sein Schreiben ist kein Brief . Es fehlen manche der damals üblichen Redewendungen eines Briefes. Sein Schreiben ist auch kein Bericht von Jesu Leben, kein Evangelium. Anderseits wendet sich der Autor sehr direkt an seine Leser. Er verwendet die erste Person Pluralis, sagt wir bzw. uns, meint also sich und seine Leser.

Er kommt gleich zur Sache in unserem Text. Auch zu Beginn seines ganzen Schreibens ist er sehr direkt und spricht ebenfalls in der 1. Person Pluralis. Er beginnt mit den Worten:

Der Brief an die Hebräer 1:1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten,

2 hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat.

II.

Was ist der Inhalt unseres Predigtextes? Er will uns Mut machen, durchzuhalten. Nun, uns älteren Deutschen ist das Bemühen, Mut zum Durchhalten zu machen, noch in unguter Erinnerung aus den letzten Kriegstagen 1945. Darum geht es dem Schreiber nicht. Es geht ihm um mehr, viel mehr. Gott hat zu uns gesprochen. Wir sind aufgefordert, entsprechend zu reagieren.

Entsprechend zu reagieren, das ist es, was dem Schreiber am Herzen liegt, ihm richtig auf der Seele brennt. Und das sind keine Peanuts. Es geht um den Kampf, der uns bestimmt ist (V. 1). Der Kampf meint wohl unter Anspielung auf Paulus den Kampf als einem Wettlauf in der Arena . Paulus schreibt:

Wißt ihr nicht, daß die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, daß ihr ihn erlangt (1. Kor. 9,24).

Der Autor unseres Predigttextes ist vermutlich ein Schüler von Paulus. Den Wettlauf, den Wettkampf gilt es zu bestehen. Dazu fordert der Autor uns auf.

Er tut das als Gebildeter, der sich an Gebildete wendet, indem er argumentiert. Er bleibt dabei im Abstrakten. Es geht ihm um Grundsätzliches.

II.I.

Der Schreiber verweist zunächst auf die Gemeinde. Er nennt sie eine Wolke von Zeugen, die wir um uns haben. Damit sind nicht die Zuschauer auf den Rängen gemeint, die in sicherer Distanz bequem dem Geschehen von oben herab zusehen. Es sind die gemeint, die ebenfalls laufen. Es handelt sich um eine Art Volkslauf. Die Zeugen wissen, wovon sie reden, aus eigener Erfahrung, die sie gestern und heute, gerade eben noch machten. Die Zeugen sind die Gemeinde. In ihr sind wir geborgen. Es ist unsere Gemeinde, unsere Gruppe von Läufern, die jetzt in der Arena dran ist.

Zweitens verweist der Schreiber auf Jesus. Er nennt nicht seinen Namen. Er verweist auf dessen Taten. Alle wissen, was gemeint ist. Es läuft eben die Gemeinde, die Gemeinde Jesu. Er wird Anfänger und Vollender des Glaubens genannt. Damit bezieht sich der Schreiber auf die Zeit von Jesu Leben und Sterben, ja seine Auferstehung. Es ist die Zeit, in die Palmarum fällt. Es beginnt nun die Karwoche. Sie erinnert an Jesu Leiden, Tod und seine Auferstehung. Erinnerung kann geschichtliche Kenntnisse meinen. Erinnerung kann auch um des Heute willen geschehen. Diese Erinnerung hat unser Text im Blick. Er verweist, erinnert an Jesu Leiden, Sterben und seine Auferstehung, um uns davor zu bewahren, zu resignieren, aufzugeben, den Mut zu verlieren, als Christen zu leben. Der Predigttext mit seinem Hinweis auf Jesu Leidenzeit, ist darum mit Bedacht für unseren heutigen Sonntag, den Beginn der Karwoche vorgeschlagen.

II.II.

Der Kampf in der Arena verlangt, sich von allem Ballast zu entledigen, der überflüssig ist, den Kampf behindert. Die Läufer in den Stadien ziehen vor dem Start ihren Trainingsanzug aus, um nur mit dem Notwendigen bekleidet, also möglichst frei und damit optimal laufen zu können.

Ferner beschwert uns die Sünde. Was damit gemeint ist, wie auch, was mit dem Trainingsanzug gemeint ist, wissen die Leser und wissen wir. Der Schreiber hält sich nicht mit langen Beschreibungen, mit Listen von Verboten und Geboten auf. Die 10 Gebote um-fassen nur 10 und er-fassen unser ganzes Leben. Der Autor begnügt sich und ist damit zugleich radikal, weil umfassend mit der Forderung, alles, also alles, was uns behindert, einschließlich der Sünde abzulegen.

Was „umfassend" heißt, wurde mir neulich klar. Henry Maske erzählte in einem Interview, wie er sich auf seinen letzten großen Boxkampf vorbereitete, den er dann auch gewonnen hat. Er hat dafür 55 Wochen lang vorbereitet, mehr als ein Jahr lang, wenn ich mich recht erinnere. D.h. er hat auf alles verzichtet, was für den Kampf nicht notwendig war, und anderseits alles getan, was dem Kampf nützte. Der Plan war ganz auf seine Person bezogen und wurde von ihm befolgt.

Es ist verführerisch, jetzt einen Plan zu erstellen. Dann haben wir etwas in der Hand und können uns daran festhalten. Genau das ist das Verführerische. Ein solcher allgemeiner Plan muss zwangsläufig auf jede Konkretion in meinem und in Ihrem Leben verzichten, aber jede und jeder muss allein laufen. Luther sagte in einer Predigt zu Beginn einer Passionszeit: Jeder stirbt sich selber. Er, der Prediger Luther, kann nur in die Ohren schreien, mehr kann er nicht tun. Der Prophet Micha sagt im Auftrag Gottes:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott (Micha 6,8).

Der Hebräerbrief verweist generell auf Jesus und dessen Tun, sein Leiden, sein Sterben. Hier jetzt weiter zu predigen, wäre der Versuch, jeder Läuferin und jedem Läufer ihre Aufgabe abnehmen zu wollen. Es läuft kein Trainer für seinen Sportler. Kirche, Gemeinde ist jede und jeder Einzelne und alle zusammen. Trainer und Sportler sind in einem Verein. Jeder aber hat seine Aufgabe. Wie gesagt, der Trainer kann nicht für den Läufer laufen. Anders gesagt: Was Sünde ist, wissen wir, können wir an den 10 Geboten ablesen. Was uns beschwert, können wir im Vergleich mit Jesu Reden und Handeln sehen. Die vor uns liegende Karwoche bietet die Gelegenheit, uns im Lichte von Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, seinem Leiden und Sterben zu sehen. Wir können Jesu Weg nachgehen, seine Nachfolger sein. Wir können die Karwoche dafür nutzen und nicht nur daran zu denken, Ostereier für die lieben Kleinen zu kaufen, zu bemalen, Osterreisen für uns und die Großen in unseren Familie und unserem Freundeskreis zu planen. Darauf weist hin der Hebräerbrief in seiner Kürze und seiner Prägnanz; darum wurde er für diesen Sonntag als Predigttext

vorgeschlagen.

III.

Ich lese noch einmal den Predigttext:

Der Brief an die Hebräer 12:1 Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, laßt uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und laßt uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist,

2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.

3 Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken laßt.

Amen

 



Prof. Dr. Dr. Ulrich Nembach
Göttingen
E-Mail: ulrich.nembach@theologie.uni-goettingen.de

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