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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Misericordias Domini, 05.05.2019

Predigt zu Johannes 10:11-16.27-30, verfasst von Winfried Klotz

Text: Johannes 10, 11-16: Jesus – der gute Hirt (Gute Nachricht Bibel)

Jesus sagt:

11 »Ich bin der gute Hirt. Ein guter Hirt ist bereit, für seine Schafe zu sterben. (Hirt) Ps 23,1S; Mt 18,12-14; Hebr 13,20; Offb 7,17; (sterben) Joh 15,13S 

12 Einer, dem die Schafe nicht selbst gehören, ist kein richtiger Hirt. Darum lässt er sie im Stich, wenn er den Wolf kommen sieht, und läuft davon. Dann stürzt sich der Wolf auf die Schafe und jagt die Herde auseinander.

13 Wer die Schafe nur gegen Lohn hütet, läuft davon; denn die Schafe sind ihm gleichgültig.

14 Ich bin der gute Hirt. Ich kenne meine Schafe und sie kennen mich,    10,27; 2Tim 2,19

15 so wie der Vater mich kennt und ich ihn kenne. Ich bin bereit, für sie zu sterben.

16 Ich habe noch andere Schafe, die nicht zu diesem Schafstall gehören; auch die muss ich herbeibringen. Sie werden auf meine Stimme hören, und alle werden in einer Herde unter einem Hirten vereint sein.     11,52; Jes 56,8; 66,18-19; Ez 34,23-24; 1Petr 2,25

Liebe Gemeinde!

Haben Sie nicht gleich an Psalm 23 gedacht, als Sie die Worte vom „guten Hirten“ Jesus hörten? „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“, heißt es da. „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele.“

Hirte, da denken wir von Psalm 23 her an einen fürsorglichen, seine Schafe gut versorgenden Hirten. Da denken wir, jetzt ohne Bild, an einen Gott, der bei uns ist und auf uns Acht gibt. Der sich der Bedrohten, Schwachen, Elenden annimmt. Das entspricht dem Namen dieses Sonntages „Miserikordias Domini“ – Barmherzigkeit des Herrn. Der Name des Sonntags kommt aus Psalm 33, 5: „Die Erde ist voll der Güte des Herrn.“ Dass Gott voller Güte und Erbarmen ist, sich der Bedrohten annimmt, ist also Thema des Sonntags; der Psalm des heutigen Sonntags, Psalm 23, sagt: „Und muss ich auch durchs finstere Tal – ich fürchte kein Unheil! Du, HERR, bist ja bei mir; du schützt mich und du führst mich, das macht mir Mut.“

Vom Thema des Sonntags her betrachtet irritiert uns Jesu Selbstvorstellung in unserem Predigtwort aus Johannes 10 vielleicht: „Ich bin der gute Hirt. Ein guter Hirt ist bereit, für seine Schafe zu sterben.“ Wie bitte? Keine Rede von Fürsorge für die Anvertrauten, sich anvertrauenden; dagegen die Aussage vom Sterben des Hirten. Macht das Sinn? Ein guter Hirt wird daran erkannt, dass er bereit ist für seine Schafe zu sterben! Und später: „Ich bin der gute Hirt. … Ich bin bereit, für sie, meine Schafe, zu sterben.“ Noch einmal: Ist das nicht sinnlos? Ein toter Hirte nützt seinen Schafen nichts! Auf Jesus übertragen: Ein toter Gesandter Gottes, ein toter Messias erweist sich als gescheiterter Messias; ist das nicht klar!? Wie kann die Bereitschaft zu sterben, oder vom Ende her gedacht, wie kann das Sterben Jesu am Kreuz Ausweis seiner Sendung von Gott sein? Warum muss der gute Hirte seine Schafe mit dem Einsatz seines Lebens retten?

Dem guten Hirten werden die gegenübergestellt, die die Schafe gegen Lohn hüten. Sie fliehen, wenn der Wolf kommt; lieber das eigene Leben schützen als die Schafe. Die gegen Lohn die Schafe hüten, haben keine Beziehung zu den Schafen, sie sind ihnen gleichgültig. Der gute Hirte dagegen kennt seine Schafe und die kennen ihn. (Übrigens, als Hobbyschafhalter kann ich das täglich beobachten, wenn ich zu meinen Schafen komme; sie kennen den Klang des Automotors, sie kennen meine Stimme.) Kennen, das ist weit mehr als über jemanden Bescheid wissen; kennen meint Verbunden sein. Jesus kennt die Seinen, und sie kennen ihn und das ist nicht weniger wie die Verbundenheit Jesu mit dem Vater.

Warum dieses Gegenüber: guter Hirte – schlechte Hirten, die nur gegen Lohn die Schafe hüten? Das ist geschichtliche Erfahrung, die sich in der Bibel und Kirchengeschichte spiegelt und es hat prophetische Tradition: Hesekiel 34 heißt es: „Wehe den Hirten Israels, die sich selbst geweidet haben! Sollten die Hirten nicht die Schafe weiden?“ (V. 2) Diesen treulosen Hirten nimmt Gott das Hirtenamt weg; er selbst rettet seine Herde und weidet sie. „Denn so spricht Gott, der HERR: Seht, ich selbst, ich werde nach meinen Schafen fragen und mich um sie kümmern.“ (V. 11) Und Gott setzt einen Hirten in der Nachfolge Davids für seine Herde ein: „Und ich werde einen einzigen Hirten über sie auftreten lassen, und dieser wird sie weiden, meinen Diener David, er wird sie weiden, und er wird ihnen Hirt sein.“ (V. 23)

Schlechte Hirten – guter Hirt, in unserem Abschnitt aus Johannes 10 ist es bis zum Äußersten zugespitzt: entgegen allen, die mit dem Anspruch auftreten, in Gottes Auftrag und zu ihm hinzuführen, behauptet Jesus: Ich allein bin der gute Hirt! Es gibt keinen anderen, der zu Gott führen kann. Mein Ausweis aber ist nicht eine bessere Lehre und Erkenntnis, mein Ausweis ist meine Lebenshingabe zur Rettung meiner Herde. Oder anders: durch meine Lebenshingabe rettet Gott sein Volk. Noch einmal: Jesus ist der „gute Hirt“ nicht, weil er ein besseres Programm bietet, sondern weil er sein Leben hingibt für die Seinen. Das ist der für manche befreiende, für andere ärgerliche Knackpunkt des Evangeliums. Es spiegelt sich hier in der Geschichte Jesu und der hinter dem Evangelium stehenden johanneischen Gemeinde eine bis zum Äußersten zugespitzte Bekenntnissituation. Wer ist Jesus? Ein Verführer, der das Volk weg von Mose und dem Gesetz führt, der am Sabbat heilt (Kap. 5+9), nicht die richtige Abstammung hat (6,42-7,41f), Gott lästert, weil er sich selbst zu Gott macht (10,33)? Oder Jesus, der Sohn und Gesandte Gottes, „das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt“ (1,29), der, der ewiges Leben schenkt (3, 36), wirklich frei macht von Sünde (8,36)?

Jesu Lebenshingabe sprengt das Bild vom Hirten. Ich habe es schon einmal gesagt: Ein Hirt, der sich vom Wolf töten lässt, nützt der Herde nicht. Unser Bildwort vom guten Hirten ist gestaltet gemäß Jesu Geschick, seinem Sterben am Kreuz. Seine Lebenshingabe ist Ausdruck der Liebe Gottes zu seinen Menschen. Programmatisch heißt es im dritten Kapitel des Johannesevangeliums: „Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab. Nun werden alle, die sich auf den Sohn Gottes verlassen, nicht zugrunde gehen, sondern ewig leben.“

War Jesu Sterben für uns denn nötig, so fragen manche? Was soll denn mein Leben vor Gott so bedrohen, dass ich es verlieren könnte und der Sohn und Gesandte Gottes, Jesus, mich mit Einsatz seines Lebens retten müsste? Die Sünde, so sagt man, sei das Problem, Sünde sei Rebellion gegen Gott. Hinter ihr stehe die Macht des Bösen in dieser Welt. Ist das der Wolf im Bildwort? Schwer zu sagen; es geht um etwas, was das Leben in Verbindung mit Gott bedroht. Aber: Wir haben doch fast alle ein wie auch immer geartetes Wissen um Gott. Wir bemühen uns, Gutes zu tun. Wir glauben an Gott und die Gebote. So schlecht sind wir doch nicht. Warum Jesus als Retter durch seinen Tod? Warum Jesus als Garant der Gemeinschaft mit Gott?

Liebe Gemeinde, in unserem Bibelwort steht kurz und knapp: „Ich bin der gute Hirt. Ich kenne meine Schafe und sie kennen mich, so wie der Vater mich kennt und ich ihn kenne. Ich bin bereit, für sie zu sterben.“ Im Zusammenhang unseres 10. Kapitels geht es schon ab Vers 1 um den guten Hirten, der seine Schafe hinaus auf die Weide führt. Er sagt von sich: „Ich aber bin gekommen, um ihnen das Leben zu geben, Leben im Überfluss.“ (V. 10b) Wie wäre es, wenn wir nicht unsere Sünde abwiegen würden, um festzustellen, ob wir schlecht genug sind, damit wir gerettet werden müssen durch einen, der für uns stirbt, sondern Ausschau hielten nach dem Leben, dass uns Jesus im Evangelium verspricht. Leben in großer Zuversicht und Hoffnung zu Gott. Leben, befreit von den Altlasten der Vergangenheit. Leben, erfüllt vom, Vertrauen, dass Gott all meine Gebete erhört, wie es ein liebevoller Vater, eine ihr Kind bei sich bergende Mutter tut. Ist das nicht mehr, etwas völlig Anderes als das Wissen, es gibt einen Gott? Wie wäre es, wenn Gott für uns nicht eine Chiffre für alles Unerklärbare oder ein Symbol für eine hinter der Schöpfung stehende kosmische Macht wäre, sondern wir IHN kennten als liebevollen Vater, dem wir völlig vertrauen können, obwohl der Gang unseres Lebens und die Geschehnisse in der Welt das in Frage stellen? Und das, weil wir nicht nur mit den Ohren gehört, sondern auch mit dem Herzen gespürt haben, dass ER uns kennt? Gottes Gnadengeschenk in Jesus: „Ich bin der gute Hirt. Ich kenne meine Schafe und sie kennen mich!“ Christsein ist eine gewisse, zuversichtliche Sache bei denen, die Jesus aufnehmen und folgen (1, 12), die gelten lassen, dass Gott Jesus zur Brücke zum ewigen Leben gemacht hat.

Dann erst werden wir verstehen, was Sünde ist, wenn wir, verbunden mit Jesus, den frischen Hauch des Lebens geatmet haben, dass Gott durch IHN schenkt. Dann wird uns die Sünde groß werden, größer aber das Wunder der Liebe und Gnade Gottes, dass der gute Hirt sein Leben für mich gegeben hat. Da beginnt das Schweigen und Staunen über Gottes Wege in dieser Welt – für mich, für uns hat er das getan! Jesus ist mein guter Hirte, weil er sein Leben auch für mich gegeben hat. Und ich erkenne mich eingefügt in die eine weltweite Gemeinde Jesu; so viele Sprachen, Traditionen, unterschiedliche Gottesdienste und doch eine Gemeinde, weil ER der eine Herr ist. Amen.

 

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Dankgebet – Fürbitten - stilles Gebet

(Die Gebetsabschnitte werden durch Stille unterbrochen; es kann ein Gebetsruf der Gemeinde eingefügt werden.)

Laßt uns beten zu Jesus Christus, der unser guter Hirte ist und IHM danken:

 

Wir danken Dir, Herr Jesus, dass wir Dein rettendes und heilendes Wort gehört haben. Du hast unsere Schuld auf Dich genommen und versöhnst uns auch heute mit Gott. Lass durch uns die Botschaft vom Frieden mit Gott weitergetragen werden.

 

Wir beten für unsere Angehörigen und unsere Freunde, für alle, die uns anvertraut sind und denen wir anvertraut sind, dass wir im Frieden und gegenseitigem Respekt miteinander leben, uns nicht im Stich lassen oder mit unseren Ansprüchen überfordern. Lasst uns einen Augenblick nachdenken und in der Stille beten.

 

(Gebetsruf der Gemeinde)

 

Wir bitten für die, die zum Dienst in unserer Kirche beauftragt sind, zur Seelsorge, zur Lehre, zur Leitung und Verwaltung.

Wir beten für unseren Kirchenpräsidenten … und seine Stellvertreterin …, für unsere Pröpstin … und Dekan …, für die Kirchenvorsteher und MitarbeiterInnen unserer Gemeinde. Leite Du sie, Jesus, guter Hirte!

Lasst uns dafür in der Stille weiterbeten!                        (Gebetsruf)

 

Uns beunruhigt die Lage in … und anderen Krisenregionen unserer Welt. Wir bitten um Frieden und Hilfe von Dir für alle Menschen, die unter Krieg und Bürgerkrieg leiden, die auf der Flucht sind, deren Leben nicht wert geachtet wird. Wir wissen: Du schaust in die Tiefe der Not, Du suchst und forderst Recht und Gerechtigkeit unter uns Menschen. Auch für diese Anliegen lasst uns in der Stille vor Gott eintreten!                        (Gebetsruf)

 

Jesus, Du guter Hirte aller Menschen, wir bitten dich: Leite und begleite uns auf unseren Wegen, damit wir andere leiten und begleiten können in deinem Geist.

 

In der Stille bringen wir jetzt auch unsere persönlichen Anliegen vor Gott!

            Stilles Gebet -Vater Unser

 

Liedvorschläge:

EG 103, 1-6 Gelobt sei Gott

Ich will einziehn in sein Tor mit dem Herzen voller Dank

Die Güte des Herrn hat kein Ende, sein Erbarmen …

EG 274, 1-5 Der Herr ist mein getreuer Hirt

EG 245, 1. 2. 5 Preis, Lob und Dank sei Gott, dem Herren

Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke

 

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Winfried Klotz, Pfr. i. R., verheiratet, drei Kinder.

 



Pfr. i. R. Winfried Klotz
Bad König/Odenwald, Hessen, Deutschland
E-Mail: winfried.klotz@web.de

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