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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

7. Sonntag nach Trinitatis, 04.08.2019

Himmelsbrot gibt Leben
Predigt zu Johannes 6:30-35, verfasst von Christiane Borchers

Liebe Gemeinde!

„Du lässt mich verhungern“ klagt Ruth ihren Mann an. „Was redest du“, wehrt Ulrich ab. „Ich habe dir alles geboten, was eine Frau sich wünschen kann: ein schönes Haus, du hast es mit guten Möbeln einrichten können, du hast eine sündhaft teure moderne Küche bekommen, du kannst dir schicke Kleidung kaufen, du hast dein eigenes Auto. Was willst du mehr?“ „Einen Mann, der mich liebt und um dessen Zuwendung ich nicht kämpfen muss.“  „Ich liebe dich doch“, widerspricht Ulrich „Ich tue alles, um dich glücklich zu machen, aber das kommt bei dir anscheinend nicht an.“  „Du hast dich nur in den ersten Ehejahren um mich gekümmert. Dann hast dich mehr und mehr zurück gezogen, mich viel allein machen lassen“, beklagt sich Ruth, „z.B. sind wir zuerst gemeinsam gereist, inzwischen muss ich überall allein hinfahren, wenn ich nicht nur zu Hause bleiben will. Dabei hat es dir doch immer gefallen, wenn wir erst einmal unterwegs waren.“ „Das stimmt“, sagt Ulrich, „deswegen muss ich aber nicht immer mit, sei doch nicht so unselbstständig.“ „Das ist keine Frage von Unselbstständigkeit, ich möchte gerne mit dir zusammen meinen Urlaub verbringen. Auf unserer letzten Urlaubsreise hast du mich überhaupt nicht wahrgenommen, nur fotografiert, dauernd klick, klick gemacht. Ich hätte genauso gut allein fahren können.“ „Dir kann ich nichts recht machen“, entrüstet sich Ulrich und geht beleidigt in sein Arbeitszimmer. Auf solche Gespräche hat er keine Lust. Seine Frau will sich immer mit ihm auseinandersetzen. Er mag das nicht, er möchte lieber seine Ruhe haben. Ruth möchte mehr mit ihm zusammen sein, sie hungert nach seiner Zuwendung, er verweigert sie ihr. Als er aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen ist, war auch so eine Sache. „Ich möchte gerne abends noch lesen, ich will dich nicht stören“, hat er gesagt und sich ein Bett im Kinderzimmer hergerichtet. Ruth hält das für eine Ausrede. „Du störst mich nicht, wenn du liest“, hat sie ihm versichert, „ich möchte bei dir einschlafen.“ Er hat sich nicht darauf eingelassen, er will seine Frau nicht bei sich haben. Die erste Zeit ist für Ruth schlimm gewesen, sie hat sich betäubt, den Fernseher angeschaltet bis sie eingeschlafen ist. Inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, dass sie getrennt schlafen. Sie hat ihren Mann doch so lieb. Mehr ist bei Ulrich eben nicht drin. Vielleicht ist er nicht in der Lage, die Liebe zu geben, die sie sich wünscht. Sie macht das Beste daraus, gestaltet ihren Tag so sinnvoll wie möglich, das meiste macht sie ohne ihn. Er zieht sich in sein Schneckenhaus zurück, beschäftigt sich mit seinem Computer. So hat Ruth sich ihre Ehe nicht vorgestellt. Sie hat Hunger, Hunger nach ihrem Mann, Hunger nach seiner Zuwendung, Hunger nach Leben.

Die Menschen, die sich um Jesus scharen, haben auch Hunger. Sie hungern danach, dass sie ein besseres Leben führen können, als was sie jetzt haben. Es sind einfache Leute, manchmal fehlt ihnen das Nötigste für den Tag. Sie wissen, was leiblicher Hunger bedeutet. Sie haben nicht jeden Tag genug für ihre Familien zu essen. Bisher haben Susanna und Daniel es geschafft, ihre acht Kinder satt zu kriegen. Gestern ist es kritisch geoworden, selbst hätten sie ihren Kindern nichts zu essen geben können. Kaum ein Fisch war im Netz gewesen. Der See Genezareth ist überfischt. Sie waren zufällig da, als Jesus in der Gegend war und 5000 Menschen satt gemacht hat. Ein kleines Mädchen hat fünf Brote und zwei Fische gehabt. Davon sind alle satt geworden. „Wie hat Jesus das nur gemacht?“ sagt Daniel ehrfürchtig erstaunt zu seiner Frau.  „Nach dem Essen sind zwölf Körbe übriggeblieben!“ „Wo nichts vorhanden ist, kann nur Gott die Menschen satt machen“, antwortet Susanna  „Das hat er schon getan, als unseren Vorfahren in der Wüste der Hungertod drohte. Als alle Vorräte aufgebraucht waren und sie nichts Essbares mehr fanden, hat Gott Speise aus dem Himmel regnen lassen. Jeden Morgen lag frisches Mannabrot auf der Erde. Das weißt du doch, Daniel“ „Ja, das weiß ich, es ist gut, sich an die alten Überlieferungen zu erinnern, wenn es bei uns eng wird. Gott hat noch immer geholfen.“  Nach der Speisung der 5000 haben Susanna und Daniel mit ihren Kindern Jesus ein Stück begleitet.“ Jetzt wollen einige schon wieder Zeichen sehen“, entrüstet sich Susanna. „Jesus soll sich ausweisen, dass er der Sohn Gottes ist. Er hat nun gerade gestern 5000 Leute satt gemacht. Manche können nie genug bekommen, wollen ständig neue Beweise.“ „Wir brauchen das nicht“, sagt Daniel, wir wissen, dass Jesus der Sohn Gottes ist und aus dem Himmel kommt.“

Die Leute, die sich um Jesus scharen, hungern, nicht nur nach Brot. Sie hungern nach dem Messias, erhoffen sich von ihm, dass er ihnen hilft und dass das Reich Gottes endlich anbricht. Sie sehnen sich danach. Das Reich Gottes kommt, so steht es geschrieben in den heiligen Schriften. Gottes Gebote in der Tora zeugen davon. Wenn der Messias kommt, ist der Tisch gedeckt, wird aller Hunger gestillt. Niemand macht sich mehr Sorgen, niemand hat Angst, niemand ist allein. Wenn der Messias kommt, wird Hochzeit gefeiert. Wenn der Messias kommt, kommt der Himmel auf die Erde. Die Menschen sind glücklich, niemand dürstet und hungert, weil Gottes Gerechtigkeit auf Erden Wirklichkeit geworden ist, weil Friede auf Erden geworden ist.

Wie gern möchten wir das glauben, wie gern möchten wir Gottes Verheißungen Vertrauen schenken, wie gern möchten wir am gedeckten Tisch sitzen und uns an den köstlichen Speisen laben. Die Menschen, die Jesus belgeiten, fragen nach Brot, das sie satt macht. „Gib uns solches Brot“, bitten sie Jesus, damit wir nicht hungern müssen. Jesus gibt sich zu erkennen: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit nicht hungern.“ Jesus gibt das Brot, das die Erde hervorbringt und den leiblichen Hunger stillt, - er hat 5000 satt gemacht -. Jesus gibt das Himmelsbrot, das den seelischen Hunger stillt. Er wendet sich Menschen zu, spricht mit ihnen. Er segnet Kinder, verheißt den Kleinen das Himmelreich. Jesus hilft Mühseligen und Beladenen und hat für sie ein gutes Wort, er heilt Kranke und treibt böse Geister aus. Er richtet Gekrümmte auf und predigt den Armen das Evangelium.

Menschen wie Ruth sehnen sich nach Worten, die sie aufrichten und ihr Hoffnung geben. Sie möchte geliebt werden. Ihre Sehnsucht ist so groß. „Der Mensch lebt nicht Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes geht.“ An dieses Jesuswort hat sie in letzter Zeit häufig gedacht. Ein gutes Wort wirkt Wunder und hilft über den Tag.

„Ich bin das Brot des Lebens“ hat Jesus gesagt. Diese Worte sprechen Ruth an. Sie backt selber Brot. Jedes Jahr zu Erntedank rühren sie und andere Frauen aus der Kirchengemeinde den Teig, formen kleine Brote zum Verzehr beim anschließenden Essen und backen das große Brot für den Erntedanktisch. Wenn Abendmahl in ihrer Kirchengemeinde gefeiert wird, gibt es richtiges Brot. Es schmeckt köstlich und gibt Kraft. 

 „Du lässt mich verhungern“ hat sie zu ihrem Mann gesagt. Die Botschaft erreicht ihn nicht. Materielle Dinge sind angenehm zu haben, sie werden ihren Hunger gewiss nicht stillen. Sie wünscht sich Liebe und Zuwendung, freiwillig, von ganzem Herzen, ohne Zwang. Heute wird Ulrich wahrscheinlich wieder an seinem Computer sitzen und keine Zeit für sie haben. Sie wird ihren eigenen Tag gestalten. Jeder einzelne Tag soll einen Sinn haben, das hat sie sich vorgenommen. Das Leben ist schön und kostbar. Neulich hörte sie den Spruch von einer Bekannten: „Das Leben ist zu kurz, um ein langes Gesicht zu machen.“ Das ist lapidar formuliert, bringt es aber auf den Punkt. Ruth ist eine gläubige Frau, das war nicht immer so, das ist sie im Laufe ihres Lebens geworden. Sie weiß, von wem sie ihre Kraft kriegt. Jeden Tag sättigt Gott sie mit Gutem. Er schenkt ihr seine Kraft aber nicht im Voraus, sondern sie bekommt so viel, wie sie für diesen einen Tag braucht. „Das ist fast wie bei den Israeliten“, lächelt sie in sich hinein. Die Israeliten haben Manna für einen Tag bekommen. Es ließ sich nicht aufbewahren. Als sie versuchten, es in Gefäßen zu lagern, verdarb es.“

Heute Morgen hat Ruth Brot gebacken. Der Duft des frischgebackenen Brotes  erfüllt das ganze Haus und zieht ihr in die Nase. Es ist Zeit, das Brot aus dem Ofen zu nehmen. Sie geht in die Küche, öffnet den Backofen, zieht das Brot heraus und stellt das noch heiße Brot zum Abkühlen auf den Küchentisch. Mit der einen Hand wedelt sie sich die warme Luft ins Gesicht und berauscht sich an den Brotduft. Nach einer Weile schneidet sie ein kleines Stück ab und schiebt es sich in den Mund. Genüsslich lässt sie sich das frische warme Stück Brot auf der Zunge zergehen. Erfreut beginnt sie den neuen Tag. Amen.

 

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Liedvorschläge:

EG Nr. 667 Wenn das Brot, das wir teilen als Rose blüht…. (ev.-ref. Kirche)

EG-Nr. 229 Kommt mit Gaben und Lobgesang

EG Nr. 420 Brich mit den Hungrigen dein Brot

 



Dipl.-Theol. Pfarrerin Christiane Borchers
Emden, Niedersachsen, Deutschland
E-Mail: christiane.borchers@web.de

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