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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 24.03.2008

Predigt zu Apostelgeschichte 10:34a.36-43, verfasst von Angelika Überrück

Liebe Gemeinde,

Petrus und Kornelius sind zwei Männer, die eine Vision haben. Sie überschreiten hindernde Grenzen, weil sie an Jesus Christus glauben. Ihre Visionen beschreibt die Bibel so:

Petrus sieht  in seiner Vision ein Tischtuch vom Himmel fallen, auf dem all die Speisen liegen, die ihm als Juden verboten sind zu essen. Und eine Stimme sagt ihm, dass er alle diese Speisen essen solle und dürfe. Petrus begreift, dass es die alten Vorschriften für ihn als Jünger Jesu nun nicht mehr gibt.

Kornelius sagt eine Stimme in seiner Vision, dass er einen Mann namens Simon Petrus in sein Haus einladen soll. Auch er glaubt an Jesus Christus, allerdings ist er Heidenchrist.

Sowohl Petrus als auch Kornelius nehmen ihre Visionen ernst.

Und so ergeht dann von dem römischen Hauptmann Kornelius eine Enladung an Petrus, den Juden. Etwas Außergewöhnliches zur damaligen Zeit. Und genauso außergewöhnlich ist es, dass Petrus das Haus des Kornelius tatsächlich betritt. Denn Heiden galten als unrein und fremd, also nicht dazugehörig. Auch dann nicht, wenn sie Christen waren.

Aber aufgrund seiner Vision ist Petrus deutlich, dass im Glauben an Jesus Christus alle Menschen gleich sind, dass der Unterschied zwischen Heidenchristen und Judenchristen keine Rolle spielt. Es zählt allein der Glaube an Jesus Christus. Und wenn alle Menschen gleich sind, dann gibt es auch keine Grenzen mehr, die eine Begegnung zwischen Menschen verhindern könnten. Und so kann Petrus die Einladung annehmen.

Auch für Kornelius ist es ungewöhnlich, dass ein jüdischer Christ sein Haus betreten soll. Aber er freut sich darauf und hat seine Familie und die engsten Freunde eingeladen.

Petrus und Kornelius überschreiten damit eine Grenze und wagen sich in neues Land. Wahrscheinlich wären  beide nicht von allein auf diese Idee gekommen. Sie bedurfte des Anstosses von außen, von Gott, von Ostern her.

Diese Geschichte ist sicher keine Ostergeschichte, wie wir sie aus den Evangelien kennen. Dennoch hat sie für mich mit Ostern zu tun. Denn sie lässt zwei Menschen Grenzen überschreiten und Neues wagen. Und darum geht es auch Ostern. Die Auferstehung macht Neues möglich und möchte auch uns zu Neuem ermutigen.

Was passiert nun aber im Haus des Kornelius? Wir würden wahrscheinlich erwarten, dass eine gemeinsame Feier stattfindet. Statt dessen wird berichtet, dass Petrus erst einmal zu predigen beginnt. Diese Predigt beginnt mit den Worten "ihr kennt" und "ihr wisst". Sie ist der heutige Predigttext und steht in der Apostelgeschichte Kap 10, V.34a. 36 bis 43:

"Im Haus des Kornelius fing Petrus an zu reden und sprach: Ihr kennt die Botschaft, die Gott dem Volk Israel gesandt hat und in der er Frieden verkündigen ließ, den Jesus Christus bringen wird, der Herr über alle ist; und ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, was Gott angefangen hat von Galiläa aus nach der Taufe, die Johannes verkündigte; ihr wisst auch, wie Gott Jesus von Nazareth mit heiligem Geist und Kraft gesalbt hat; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen von allem, was er im jüdischen Land und in Jerusalem getan hat. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet. Den hat Gott am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern nur uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen; wir haben ja mit ihm gegessen und getrunken, nachdem er von den Toten auferstanden war. Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott zum Richter der Lebenden und Toten bestimmt ist. Von ihm bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen."

Die Predigt des Petrus klingt fast wie die alten Worte des Glaubensbekenntnisses. "Ihr wisst", "ihr kennt", diese Worte stehen am Anfang dieser Begegnung zwischen Judenchristen und Heidenchristen. Sie stehen am Beginn einer Predigt, die vergewissern soll. Petrus macht deutlich, dass die Grenzüberschreitung, die er und Kornelius begehen, nur möglich ist, weil alle etwas Gemeinsames über Jesus Christus wissen, weil alle gemeinsam sich auf das Leben Jesu berufen können. Weil sie verbunden sind in dem Wissen um das Leben Jesu Christi. Unser Glaube, das wird an den Worten des Petrus deutlich, braucht Wissen. Das Wissen besteht darin, dass das Leben Jesu erzählt wird und Gottes Handeln darin für jeden verständlich und nachvollziehbar.

Dieses Wissen ist die verbindende Grundlage. Sie macht die Grenzüberschreitung möglich, sie verändert und lässt neue Handlungsmöglichkeiten entstehen, lässt es zu, dass Menschen sich neu begegnen.

Dazu gehört allerdings ein zweites. Das Wissen braucht auch die Erfahrung und Erlebnisse.

Wenn Petrus in seiner Predigt von Jesus erzählt, dann deutet er es mit den Worten an: "wir, die Zeugen, haben mit ihm gegessen und getrunken". Petrus hat eine persönliche Geschichte mit Jesus, er hat viel mit ihm erlebt und viele Erinnerungen. Und sie alle sind in den Worten des Petrus mit enthalten, denn die Begegnung mit Jesus hat das Leben für Petrus grundlegend verändert. Wenn er hier wäre, würde er seine Erlebnisse und Erfahrungen mit Jesus vielleicht mit folgenden Worten vorstellen:

"Ich bin Simon Petrus. Jesus hat mich am See Genezareth zu sich gerufen. Dort war ich Fischer. "Simon, folge mir nach!", hat er gesagt. "Von nun an wirst Du Menschen fangen." Da habe ich alles verlassen. Meine Boote, meine Netze und ich bin mit Jesus gegangen. Und ich habe gesehen, was er getan hat. Ich habe erlebt, was und wie er geredet hat. Eines Tages hat Jesus mir den Namen Petrus gegeben. Petrus, das bedeutet Fels. Aber ich war nicht stark wie ein Fels. Im Gegenteil, als Jesus gefangen genommen wurde, da bin ich weg gelaufen. Ich hatte Angst, dass man mich auch gefangen nimmt. Und dann habe ich meinen Freund Jesus auch noch verraten, als ich gefragt wurde, ob Jesus mein Freund ist. Denn da habe ich "nein" gesagt. Danach habe ich geweint, weil ich alles kaputt gemacht habe. Weil ich so feige war. Aber dann, dann habe ich ihn gesehen. Mir hat er sich gezeigt, trotz allem, was passiert war. Und mir hat er einen neuen Auftrag gegeben: Weide meine Schafe. Seitdem weiß ich, dass er lebt. Und ich erzähle von ihm, von dem, was er für mich und mein Leben bedeutet."

Für Petrus hat das Leben durch die Begegnung mit Jesus gewaltige Veränderungen erfahren. Er hat sein geregeltes Leben aufgegeben. Er hat erfahren, dass ihm vertraut wurde. Er hat erlebt, dass ihm ein Fehler verziehen wurde und er einen Neubeginn wagen durfte. Er hat erlebt, dass Jesus den Tod überwunden hat. Das hat ihn verändert, seinem Leben eine neue Wendung gegeben. Und die letzte Veränderung war die Grenzüberschreitung aus unserer Geschichte, das Betreten eines nichtjüdischen Hauses.

Der Glaube an Jesus Christus ist für Petrus durch Wissen geprägt, aber auch durch Erfahrung, durch Erlebnisse. Das ist das, was auch bei uns zum Glauben dazu gehören muss.

Aber was, so werden Sie mich, liebe Gemeinde, wahrscheinlich fragen wollen, was hat das alles nun mit Ostern zu tun?

Ich hatte vorhin schon gesagt, Ostern ist eine Grenzüberschreitung. Gott lässt den Tod nicht das Ende sein, sondern Jesus überwindet den Tod. Er steht von den Toten auf und gibt auch uns dadurch Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Die letzte Grenze ist damit überschritten. Wir glauben, dass Gott bei uns ist im Leben und im Sterben und darüber hinaus. Unser Leben hat einen Sinn und ein Ziel. Ostern so sehen zu können, setzt allerdings voraus, dass wir etwas wissen von Jesus Christus, von seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung. Wir können nur dann unser höchstes christliches Fest feiern, wenn wir auch wissen, warum Jesus Christus gestorben und auferstanden ist und was das für unser Leben bedeutet.

Und das zweite: Ostern wird es nicht durch den Termin im Kalender, sondern dadurch, dass wir erleben, was die Auferstehung Jesu für uns ganz persönlich bedeutet. Nur dann kann Ostern werden, wenn auch mit uns etwas passiert, wenn sich an uns etwas verändert.

Wie uns die Osterbotschaft erreicht, ist unterschiedlich. Ich stelle mir vor, dass die Eine oder der Andere von Ihnen dazu den fröhlichen Klang der Orgel braucht oder das Singen des Halleluja, das Hören der festlichen Musik. Für einen Anderen von Ihnen wird Ostern, wenn die Osterkerze angezündet wird. Ein Anderer erlebt die Bedeutung von Ostern für sich vielleicht, wenn er beim Abendmahl mit anderen im Kreis vor dem Altar steht und spürt, dass einander sonst fremde Menschen hier plötzlich miteinander verbunden sind. Oder einer von Ihnen sagt: "Für mich ist Ostern, wenn hier vorne im Altarraum so viele schöne blühende Blumen stehen. Sie sind für mich ein Bild für die Auferstehung. Dafür, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern sich neues Leben Bahn bricht."

Ostern braucht also Beides: Das Wissen und das Erleben. Das lässt uns Grenzen überschreiten, so wie Petrus und Kornelius. Wie die Osterbotschaft auch bei uns Menschen verändern kann und vielleicht auch Grenzen überschreiten lassen kann, möchte ich mit zwei Beispielen erzählen.

In vielen Gemeinden gibt es nach einem Frühgottesdienst am Ostermorgen ein gemeinsames Osterfrühstück. Das  ist so eine Grenzüberschreitung, das ich nicht alleine frühstücke, sondern meine Freude über das Osterfest mit anderen teile. In unserer Gemeinde gibt es inzwischen jeden Sonnabend so ein gemeinsames Frühstück, ein Stück Ostern das ganze Jahr über. Ganz unterschiedliche Menschen frühstücken gemeinsam. Sie treffen sich in diesem Haus, reden und essen miteinander, um sichtbar zu machen, wir gehören zusammen. Unser Glaube braucht Menschen, die ihren Glauben bezeugen. Er braucht Menschen, die andere einladen.

Vor zwei Wochen habe ich mit Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen eines Gymnasiums einen Gottesdienst gefeiert. "Endlich leben", so lautete das Thema dieses Gottesdienstes. "Endlich leben". Sie merken die Doppeldeutigkeit dieser Formulierung. Die Schüler und Schülerinnen hatten sich dieses Thema "Endlich leben" selbst gewählt.

Sie haben in diesem Gottesdienst davon erzählt, was sie tun würden, wenn ihr Leben bald zu Ende sein würde. Da war nicht von wilden Feiern die Rede, sondern sie wollten mit den Menschen zusammen sein, die ihnen wichtig sind in ihrem Leben und die ihnen etwas bedeuten. Sie wollten sich mit anderen Menschen versöhnen und alte Streitereien und Vorurteile bereinigen. Und die Schülerinnen und Schüler haben überlegt, was denn wichtig ist, was bleibt von einem Leben. Mich hat das sehr beeindruckt.

Dass wir sterben müssen, das wurde in den Texten der Schülerinnen und Schüler deutlich, hat Auswirkungen auf das tägliche Leben, denn es macht deutlich, dass wir jetzt und hier leben müssen. Und es macht das Leben erst lebenswert. Die Brücke zur christlichen Auferstehungshoffnung war dann schnell gebaut. Es macht Mut fürs Leben, wenn am Ende nicht das große Nichts ist, sondern die Hoffnung auf den, der von den Toten auferstanden ist.

Locker und völlig unverkrampft kamen die Jugendlichen zu dieser großen Erkenntnis, mit der wir Erwachsenen uns manchmal so schwer tun. Für mich war dieser Gottesdienst schon ein Stück vorweggenommenes Ostern.

Amen

 



Pastorin Angelika Überrück
Unna
E-Mail: RUeberrueck@t-online.de

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