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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag nach Epiphanias, 26.01.2020

In Christus gilt nicht West noch Ost
Predigt zu Apostelgeschichte 10:21-35, verfasst von Andreas Schwarz

Mit Fremden ist das so eine Sache.

Sie sind anders, fremd halt.

Manche Menschen machen das gern auch mit der Sprache deutlich.

Dann kriegen Fremde ihrer Herkunft nach bezeichnende Titel.

Italiener heißen dann ‚Spaghettifresser‘.

Türken Kümmeltürken oder Kanaken.

Menschen aus dem arabischen Raum heißen Kameltreiber.

Schwarze nennt man Nigger oder Bimbo.

Man macht sich lustig,

weil andere Menschen anders sind,

anders aussehen, anders reden, anders essen und trinken,

sich anders kleiden,

eine andere Kultur haben.

Man trennt sich damit auch von ihnen.

Die sind anders als wir.

Die gehören nicht zu uns.

Die sichtbaren und hörbaren Unterschiede werden festgezurrt,

zementiert.

Mauern werden errichtet.

Damit möglichst niemand von hier nach da oder von da nach hier wandert.

Tief verwurzelt ist solch ein Denken.

Und uralt.

Verbunden mit ganz viel Angst.

Sich zu vermischen.

Seine eigene Identität zu verwässern und irgendwann zu verlieren.

Leicht neigen Menschen dazu, einander einzuteilen.

Einheimisch und fremd wird schnell zu gut und schlecht,

oder biblisch gesprochen zu rein und unrein.

Und um nicht selbst unrein zu werden, muss der Reine sich vor dem Fremden in Acht nehmen, fernbleiben.

Wir sind die Reinen.

Die Fremden die Unreinen.

 

Da gibt es viel zu lernen, damit solches Denken und Einteilen aufhört.

Ein langer und schwerer Weg für Petrus.

Ganz gefangen in seiner Tradition.

In seiner Erziehung und seinem Glauben.

Wir und die anderen.

Gott auf unserer Seite.

Und nur da.

Dass Gott das ganz anders will, überrascht Petrus.

Dass Gott aus diesem gewohnten Denken ausbricht, verwirrt Petrus.

Ein grenzenloser Gott ist fremd.

Einen schrankenlosen Gott hat es bisher nicht gegeben.

Aber wie Gott mit seinen Menschen umgehen will, das hat er an Weihnachten schon deutlich gemacht.

Ein Kind für alle.

Sein Kind für Hirten und Weise.

Für Nahe und Ferne.

Für Juden und Heiden.

Für Einheimische und Ausländer.

 

Von dieser Seite göttlicher Zuwendung wird ein Heide angesprochen, ein römischer Offizier, Kornelius.

Der glaubte an Gott, betete und spendete für Notleidende. Was ihm fehlte, war eine christliche Botschaft,

dass jemand ihm persönlich von Jesus Christus erzählt.

Dazu sollte es kommen, ließ Gott ihn wissen.

Er schickte ihm einen Engel, der ihn ermutigte, den Apostel Petrus zu sich rufen zu lassen.

Er lässt keine Zeit verstreichen, freut sich über diese Aussicht und will von Petrus die frohe Botschaft hören.

Aber für den ist der Weg noch weit.

Da braucht Gott eine phantasievolle Idee, um ihn zu überzeugen.

Petrus hielt sich auf dem Dach seines Hauses auf, um zu beten. Da sah er ein Tuch vom Himmel herunterkommen, mit unterschiedlichsten Tieren darauf.

Eigentlich war er sowieso hungrig und eine Stimme forderte ihn auch auf, zu essen.

Aber er lehnte ab, weil es nach jüdischem Gesetz unreine Tiere waren. Ein frommer Jude weiß, dass er so etwas nicht essen darf.

Die Stimme wiederholte die Aufforderung an Petrus, zu essen.

Erneut lehnte er ab, weil er nichts Unreines esse.

„Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein.“

Hörte er.

Aber das Tuch verschwand.

Und ließ Petrus ziemlich ratlos zurück.

Was soll das bedeuten?

Irgendwie kann er sich keinen Reim darauf machen.

Er weiß doch aus der Tradition eines frommen Juden, was Gott erlaubt hat zu essen und was er verboten hat.

Wie kann jetzt die Stimme aus dem Himmel – wer anders als Gott selbst sollte von da reden – ihn auffordern, unreine Tiere zu essen?

Mitten in seine Gedanken, die ziemlich erfolglos bleiben, kommen die Gesandten des Hauptmanns Kornelius, um ihn zu ihrem Herrn zu bringen.

 

Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin's, den ihr sucht; aus welchem Grund seid ihr hier? Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat einen Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast. Da rief er sie herein und beherbergte sie. Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm. Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen. Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an. Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, auch ich bin ein Mensch. Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren. Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll. Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen. Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott. So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer. Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist. Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.

 

Was für ein langer Weg bis zu diesem einen Satz.

Dahin soll alles gehen mit Petrus.

Mit der christlichen Gemeinde.

Mit uns.

Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.

Vielleicht ist uns das hier in Fleisch und Blut übergegangen. Und die Gemeinde hat es gelernt, als nach dem Krieg eine große Zahl an so genannten Ostflüchtlingen hier in Pforzheim ankam und sich der lutherischen Gemeinde anschloss.

Schnell waren sie wirklich ein Teil dieser Gemeinde und gestalteten sie mit.

Auch, als einige Jahre später ganz viele Russlanddeutsche hier ankamen und sich der Gemeinde anschlossen.

Ohne diese Fremden ist diese Gemeinde gar nicht denkbar.

Und wenn heute Menschen aus den USA oder aus dem Irak zum Gottesdienst kommen, wird niemand sie verächtlich anschauen.

Sondern sie über alle kulturellen Unterschiede, auch die der Hautfarbe und Sprache hinweg, als Menschen ansehen, die zu Jesus Christus gehören.

Wir haben es gelernt.

Und im Leben erfahren.

Dass wir uns unseren Platz bei Jesus Christus nicht verdient haben.

Dass wir nicht dazu gehören, weil wir so gut und so fromm sind,

weil es schon immer so war,

weil wir weiß und deutsch sind.

Sondern weil es bei Gott keine Grenzen gibt, die hier auf dieser Erde immer so eine große Rolle spielen.

Gott sei Dank, denn in dieser Geschichte, wenn wir denn mitspielten, wären wir ja keineswegs der Petrus oder einer seiner jüdischen Freunde.

Wir wären der Kornelius.

Der Fremde.

Der Heide.

Wir sind die, die dankbar dafür sind, dass mit Christus alle Grenzen verschwinden.

Nur das eine wichtig ist: ihm zu vertrauen.

Und dann erlebt Petrus eine ganz neue Weite.

Grenzen, die er kannte und die ihm wichtig waren, verschwanden.

Neue Gemeinschaft entsteht.

Fremde sind nicht mehr fremd.

Auch wenn sie anders sprechen,

anders aussehen.

Dann kann er ihr Gast sein,

bei ihnen wohnen, schlafen, essen, trinken, reden, lachen.

Über alle trennenden Traditionen hinweg verbunden im Glauben an Jesus Christus.

Diese Weite, die Gott will und die wir Menschen lernen müssen, lässt uns neu denken, neu sprechen, neu leben.

Es nimmt die Angst vor dem Fremden, dem Anderen.

Das bedroht weder den Glauben, noch das Leben der Gemeinde, sondern erweitert ihr Leben, macht es vielfältiger und bunter.

An den Menschen unterschiedlicher Herkunft sehen wir es. An den Liedern, die wir singen; nicht nur aus deutscher Tradition, sondern auch aus englischer, französischer, schwedischer, amerikanischer, dazu Taizélieder.

Es weitet unseren Horizont und lässt etwas von der Weite ahnen, die Gottes Herz offenbart.

So bewegt wie Petrus kann von christlicher Gemeinde etwas ausstrahlen in diese Welt.

Die so geprägt ist von dem, was trennt.

Wo viele Menschen wieder gern sehr national denken.

Und ausgrenzend, abgrenzend.

Da ist die Botschaft, die Petrus gelernt hat, erfrischend und belebend.

Was für die Kirche selbstverständlich ist, kann für die Welt ein Bild werden. Und wir malen daran mit.

Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.

Amen.

 

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Liedvorschlag:

In Christus gilt nicht West noch Ost

aus: Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder, Anhang zum Gesangbuch der Ev. Landeskirche in Baden, 160

 



Pfarrer Andreas Schwarz
Pforzheim, Baden, Deutschland
E-Mail: p.andreas.schwarz@gmail.com

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