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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Sexagesimae, 16.02.2020

Der Segen des Sisyphus
Predigt zu Markus 4:26-32 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Elof Westergaard

Der Schriftsteller Theodor Kallifatides erzählt in seinem schönen kleinen Buch Ein anderes Leben (2017) von seinem Freund, der jeden Tag hart arbeitete. Der Freund stand auf um vier Uhr morgens, um Blumen zu kaufen für den Verkauf im Geschäft, und er arbeitete bis neun Uhr abends. Nach dem Abendessen setzte er sich vor den Fernseher, und seine Frau musste ihn jeden Abend wecken, damit er seine Zähne bürstete, ehe er zu Bett ging. Jeden Tag dieselbe Routine.

 

Eines Tages sagte der Autor Kallifatides zu ihm: Du gleichst Sisyphus. Der Blumenhändler kannte den Mythos von Sisyphus nicht, der Autor musste ihm die alte Geschichte erzählen, wie die Götter Sisyphus bestraften. Der arme Mann musste einen großen Stein auf den Berg hinaufrollen, um dann zuzusehen, wie er wieder hinabrollte, nachdem er ihn auf den Gipfel geschleppt hatte. Und dann musste er wieder von vorne anfangen, Tag für Tag.

 

Der Sisyphus-Mythos machte einen so großen Eindruck auf den Blumenhändler, dass er eines Tages am frühen Morgen einen anderen hinschickte, um die Blumen zu holen. Er ging stattdessen etwas spazieren. Er beobachtete die Mütter, die mit ihren Kindern im Park spielten. Er ging irgendwohin und trank eine Tasse Kaffee, aß dann eine Wurst mit Brot und ging dann auf den Friedhof. Da saß er eine Zeitlang und sah die Lebenden, die vorbeigingen, und er dachte daran, dass die auch einmal unter der Erde liegen würden. Dann hatte er genug, und er ging zurück zu seiner Arbeit. Und wie er später zu Kallifatides sagte: „Du hast Sisyphus nicht verstanden. Gott hat Sisyphus nicht bestraft. Im Gegenteil. Gott hat sich seiner erbarmt. Der Mensch ist nichts ohne seine Arbeit, ohne sein Wirken“. Der Autor, der weit über siebzig Jahre alt ist, muss ihm Recht geben. Es ist gut, ganz gleich, wie alt man ist und wieviel Kräfte man hat, dass man eine tägliche Arbeit hat, ob das nun am Arbeitsplatz ist oder zu Hause.

 

Jesus fügt in dem heutigen Gleichnis eine weitere Bedeutung hinzu für die Arbeit des Menschen, wenn er das Reich Gottes mit einem Mann vergleicht, der in die Erde säht, schläft und aufsteht, Tag und Nacht, seinen Acker bestellt.

  Einerseits wächst die Saat automatisch, andererseits bedarf es der Hände und der Arbeit des Menschen. Die beiden, der Acker und der Mensch gehen eine Symbiose ein. Die Erde ist voller Kraft des Wachstums, und der Mensch hat Hände, um den Acker zu pflegen und die Ernte einzuholen.

  Was Jesus hinzufügt, ist im doppelten die Hoffnung darauf, dass wir Menschen gebraucht werden. Das Werk unserer Hände wird gebraucht, und man denke, der Acker und wir können dazu dienen, vom Reich Gottes zu sprechen! Jesus sagt ja: „Mit dem Reich Gottes ist es so wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft …“. Amen.

 



Bischof Elof Westergaard
Ribe, Dänemark
E-Mail: eve(at)km.dk

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