Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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Sonntag vor der Passionszeit, Estomihi
5.3.2000
Amos 5,21-24

Hansjörg Biener

Auch in diesem Jahr gereimte Predigt am Faschingssonntag

Wie in den Vorjahren setzt Dr. Hansjörg Biener in der Amberger Paulanergemeinde mit der gereimten Predigt wieder seinen eigenen Akzent zum Faschingssonntag (5. März 2000). »Ich mache mir nicht so viel aus dem Humtata- und Beinehoch-Karneval, aber ich habe etwas über für Kleinkunst und den kritisch-literarischen Karneval«, kommentiert der evangelische Pfarrer, der mütterlicherseits aus dem Rheinland stammt, seine Gewohnheit.
Der für den Sonntag vorgesehene Predigttext des Propheten Amos kritisiert das Fehlen von Recht und Gerechtigkeit im Land und bietet viele Anknüpfungsmöglichkeiten für die Gegenwart. Doch wird es nicht allein um »Kohl und Co« oder die »Sozi-Solidarität« gehen. »Die gereimte Predigt ist auch Predigt. Es kann also nicht darum gehen, sich auf Kosten einiger gut zu unterhalten. Die Predigt muss auch die eigene Lebenspraxis vor Augen halten.«
In diesem Jahr kommen dafür die beiden Gemeindehäuser der Amberger Paulanergemeinde zum Zug: Um 9.00 Uhr gibt es die Predigt im Martin-Schalling-Haus Kümmersbruck, 10.00 Uhr im Andreas-Hügel-Haus Amberg.

Predigt

0. Amos im Original

Gott spricht durch Amos: »Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.« (Amos 5,21-24)

1. Amos und die Führer damals

Es ist schon etwas länger her,  / doch gibt die Bibel uns Gewähr,
wie einst vor vielen hundert Jahren,  / Gott und sein Volk zerstritten waren,
Gott schickte Amos als Propheten,  / um es noch einmal zu bekneten,
Recht und Gesetz doch einzuhalten.  / Sonst würde Gott sich nicht mehr halten
und beenden seinen Bund.  / Das wäre dann die Todesstund
von Israel als eignem Staat, / - wie Gott es auch verwirklicht hat.
Es sprach der Amos seinerzeit  / von Recht und von Gerechtigkeit.
»Nur wenn sie wie die Ströme fließen,  / dürft Ihr das Leben auch genießen.«

Gott hatte Israel gegründet,  / als er ein Grundgesetz verkündet
an Mose auf dem Sinai  / als Überlebensstrategie,
wenn Israel einst sesshaft wird,  / sobald nach Kanaan geführt
die Menschen schließlich heimisch werden  / auf  Judas und Samarias Erden.
»Die 10 Gebote und noch mehr,  / sie sind Euch Hilfe. Bitte sehr:
Du sollst nicht töten und nicht stehlen,  / dann wird an Gutem Dir nichts fehlen.
Du sollst die Ehe niemals brechen  / und immer halten Dein Versprechen.
Du sollst nicht fremdes Gut begehren  / und allen bösen Taten wehren.«

Doch wie das ist in dieser Welt:  / Auch damals zählten Macht und Geld
viel mehr als religiöse Werte.  / Mit Unrecht man sein Gut vermehrte.
Wer konnte, boxte sich nach oben  / und hielt gewaltsam sich dort droben.
Die Armen aßen trocken Brot  / mit Kummer, Sorgen und mit Not.
Man nutzte fremder Leute Kraft  / und presste sie zur Schuldknechtschaft.
Die Männer Sklaven, die Frauen Magd,  / das hat der Oberschicht behagt.
Und war die Tochter ganz adrett,  / dann nahm der König sie fürs Bett.
Der reiche Mann macht es sich gut.  / Den Armen blieb allein die Wut.

Ganz gottlos warn die Großen nicht.  / Die Priester machten Doppelschicht,
wenn auch die Mächtgen hatten mal  / Bedarf an Glaube und Moral.
Man hielt durchaus die Feiertage:  / Erst kam die Kirch, dann das Gelage.
»Tut Ihr nur opfern, für uns beten,-  / wenn wir das Recht der Armen treten.«
Es war wie auch Jahrhundert später:  / Die Kirche hielt es mit dem Täter.
Man sprach zu schnell Vergebung zu,  / denn, wenn die Seele hatte Ruh,
ging`s weiter in dem Teufelskreis.  / Man sündigt wieder, fast mit Fleiß!
Denn jedem Sünder ist bekannt:  / »Vergeben, das ist Gottes Amt.«

Doch, wie gesagt, gab es Kritik  / an solch verfehlter Politik
der Priester, Reichen und der Großen,  / die gegen Gottes Recht verstoßen.
Sie kam von Amos, dem Propheten,  / der nach Visionen und Gebeten
bekämpfte ihre Heuchelei:  / »Da ist kein Glaube mit dabei,
wenn gleichzeitig Ihr an Gott glaubt  / und Euren Nächsten Rechte raubt.
Wenn Ihr Euch da mal bloß nicht irrt.  / Es könnte sein, das Ganze führt
Euch alle noch in das Verderben,  / und auch die Priester werden sterben,
wenn Gottes Zorn sich einst erhebt  / und unter Euch die Erde bebt.«

2. Amos und die Führer heute

So ist es später auch gekommen:  / Das Nordreich wurde weggenommen.
Assyrien kam von fern gezogen,  / und alle Stärke hat getrogen.
Es war vorbei Samarias Pracht. / Gott hat ganz einfach Schluss gemacht,
und Amos hatte Recht behalten.  / Darum hat man von diesem alten
Propheten Worte aufgeschrieben.  / Durch die Jahrhunderte sie blieben
ein Mahnwort an die Genrationen,  / wie Gott das Unrecht könnte lohnen:
»Er könnte die Geduld verlieren,  / weil wir uns auch nicht gut aufführen
auf Kosten noch viel Schwächerer.« / Auch unsre Zeit gibt dafür her
Stoff zur Kritik auf viele Weise,  / und Amos macht schnell die Zeitreise.

Würd er in Deutschland heute wohnen,  / würd er dann unsre Führer schonen?
Sein Wort war fest an Gott gebunden,  / doch diese Haltung ist geschwunden.
Wofür heut Ehrenworte gelten,  / das hat zu tun mit Ehre selten.
Black-outs und die Erinnrungslücken  / das Ansehn der Eliten drücken,
denn will Genaueres man wissen,  / dann ist im Hirn der Film gerissen.
Man parkt im Ausland schwarzes Geld  / und spielt den Saubermann von Welt.
Man nimmt im Dunkeln die Millionen  / und will die Spender dafür schonen,
dass sie bei Land- und Bundeswahlen  / den Wahlkampf und den Sieg bezahlen.

Wie soll man Kohl und Co vertrauen,  / wenn sie die Macht auf Unrecht bauen.
Es sang der Kanzler von Deutschland,  / als man zu einem Land sich fand,
von Einigkeit und Recht und Freiheit  / und D-Mark-Glück und viel mehr Freizeit.
Doch ist`s mit allem nicht weit her.  / Die Wessis zeigten sich nicht fair.
Stets stand der Ossi in Verdacht,  / dass er hätt etwas falsch gemacht.
Man hat ihn übern Tisch gezogen  / und vielfach um sein Recht betrogen.
»Gebt Ossis in die Quarantäne  / - und Leuna an Elf-Aquitaine.«
Wenn man sich aufführt wie im Western  / ist bald das Recht ein Ding von Gestern.

Das gilt für Kohl und die Konsorten  / in Bonn, Berlin und andren Orten.
Auch Sozis nagten Stück für Stück  / am Recht der Bundesrepublik.
Sie sammeln mit dem Flieger Meilen  / und wolln zum nächsten Treffen eilen,
mit großem Eifer und Bemühn  / manch dicken Fisch an Land zu ziehn.
Nach Jahren wissen wir`s genau:  / Der dicke Fisch war eine Frau.
Und tönt zur Hochzeit das Geläute  / wird man der »Zwänge« fette Beute.
»Muss« Firmen dann bezahlen lassen,  / damit sich füllen Tisch und Tassen.
Da ist doch alles schon zu spät,  / wenn so aussieht die Sozi-Solidarität.

Was würde Gott durch Amos sagen,  / wenn wir ihn heut dazu befragen:
»Ich mag es nicht, wenn ihr euch feiert  / und mit der Wahrheit nur rumeiert.
Man kann Gesetze nicht gestalten  / und sich dann selber nicht dran halten.
Ich find Eröffnungen zum Kotzen,  / wenn sie vor Unrecht nur so strotzen.
weil Ehrenmänner kriegten Geld,  / doch niemand weiß, was wurd bestellt.
Weil man als guter Freund nicht petzt,  / wird manches einfach durchgesetzt,
was vielleicht nur dem Einen nützt,  / der Geld zum Schmiern genug besitzt.
Wo eine wäscht die andre Hand,  / verlässt Gerechtigkeit das Land.«

3. Amos und »wir«

Nun muss man aber eins bedenken,  / - bevor allein den Blick wir lenken
auf Politik und Millionäre,  / dass denen fehle Sinn für Ehre,
für Anstand und Gerechtigkeit - :  / Dass im Vergleich zu Amos` Zeit
wir alle so viel besser leben / und doch nicht frei von diesem Streben.
Wie damals lebten reiche Leute,  / so lebt ein Großteil Deutschlands heute.
Man sollte das einmal vergleichen,  / damit was Bessres wir erreichen
als kollektiven Untergang.  / Sonst könnte bald ein Abgesang
auch folgen auf die heutge Zeit.  / Der Schritt zum Abgrund ist nicht weit.

Würd Amos heut in Deutschland wohnen,  / würd er uns von Kritik verschonen?
Wir wissen nicht, ob er uns drohte  / mit dem Verweis auf die Gebote,
die Gott einst gab am Sinai.  / Schon Konfirmanden kennen sie.
Doch könnte er sie uns vorhalten,  / den Jungen, Mittleren und Alten.
Das erst Gebot: »Ich bin dein Gott.  / An mich halt Dich in jeder Not,
und auch in Deinen guten Tagen / sollst Du nach meinem Willen fragen.«
Das zweit Gebot: »Du sollst nicht fluchen  / und auch bei Ärger noch versuchen,
Probleme aktiv anzugehn  / und Deinen Nächsten zu verstehn.«

Das dritt Gebot will Zeit für Gott.  / Doch viele bleiben in dem Trott
des Alltags ganz gefangen.  / Es wird nicht in die Kirch gegangen.
Wär`s wenigstens mehr Zeit für Kinder / und für die Ehefrau nicht minder, /
doch nimmt Mann sich die Sonntagszeit /  / für Videos und Schwarzarbeit.
Das viert Gebot will Eltern ehren.  / Und hier muss ich euch mal belehren:
Es geht nicht um die Pflicht der Kleinen,  / sondern der Mittleren, die einen
klaren Auftrag haben,  / mit ihrer Zeit und ihren Gaben
sich ihren Eltern zuzuwenden,  / bis dass der Eltern Tage enden.

Das fünft Gebot, »Du sollst nicht töten«,  / lässt mich vor Zorn manchmal erröten.
Deutschland ist mächtig wie noch nie,  / hat eine Rüstungsindustrie,
die macht sich von Bedenken frei,  / schickt Panzer bis in die Türkei.
Geht`s dort um Öl und Bodenschätze, / geht`s hier bei uns um Arbeitsplätze.
Das sechst Gebot spricht von der Treue.  / Gemeinsamkeit braucht stets aufs Neue
den Willen, auch ein Paar zu bleiben  / und sich nicht aus dem Haus zu treiben.
Man muss den Ehepartner achten  / und soll nach anderen nicht schmachten.  /
Wer innerlich von Freiheit schwärmt,  / hat sich von Treue schon entfernt.

Das siebt Gebot, »Du sollst nicht stehlen.«  / schärft ein, es sollte nie was fehlen
von fremden Gut und fremden Geld.  / Doch halten wir`s so in der Welt? /
Man kann die Welt nicht nur benützen.  / Man muss auch seine Umwelt schützen.
Auch damit bricht man die Gesetze,  / vergeuden wir der Erde Schätze.
Vom Lügen sprach das acht Gebot.  / Auch Rufmord macht den andern tot!
Man handelt nicht aus Nächstenliebe,  / wenn man mitmobbt in dem Betriebe,
wenn alle auf den einen hacken.  / Wo Schüler schmiern auf fremde Jacken
und setzen es mit Schlimmren fort,  / da geht es gegen Gottes Wort.  
   
Auch die Gebote neun und zehn  / lassen uns heute alt aussehn.
Der Amos würde sich beschweren,  / wie sehr die Menschen heut begehren
des Nächsten Haus und Weib und Gut.  / Was damals brachte ihn in Wut,
ist heute auch nicht ausgestanden  / in diesen, unsren deutschen Landen.
Wo Menschen fehlt die Furcht vor Gott,  / da bleiben sie im bösen Trott.
Wo Menschen fehlt das Gottvertraun,  / da braucht es den berühmten Zaun.
Wer immer glaubt, er kommt zu kurz,  / dem sind die Zehn Gebote schnurz.
Man sucht nur noch sein eignes »Recht«,  / und das bekommt dem Nächsten schlecht.

Was würde Gott durch Amos sagen,  / wenn wir ihn heut dazu befragen:
»Ich mag es nicht, wenn Ihr Euch feiert  / und mit dem Glauben nur rumeiert.
Wenn richtig sind all Eure Schritte,  / wird Gott erhören Eure Bitte,
dass sich in diesem Erdenleben  / viel Gutes für Euch wird ergeben.
Wer Gottes Wort genau gehorcht,  / hat für sein Leben ausgesorgt.«
Für Amos damals war ganz klar,  / was rechtes Leben wirklich war:
Recht und Gerechtigkeit zu leben,  / das würde helfen bei dem Streben
nach Frieden, Wohlstand und nach Glück, wir würden`s haben, Stück für Stück.

Dr. Hansjörg Biener
Wittelsbacherstr. 21
D-92224 Amberg (Oberpfalz)
09621-T 87468, F 71225
<Hansjoerg.Biener@asamnet.de>


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