Göttinger Predigten im Internet hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch |
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15. Sonntag nach Trinitatis / Erntedank, 1. Oktober
2000 Predigt über 1. Timotheus 4, 4-5, verfaßt von Dorothea Zager |
Liedvorschläge / Gemeindesituation Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen. Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. Manche Menschen wissen nicht,
Manche Menschen wissen nicht,
Manche Menschen wissen nicht,
Manche Menschen wissen nicht,
Manche Menschen wissen nicht,
Sie wüssten es,
Paul Celan I. Dankbarkeit, liebe Gemeinde,
fängt ganz klein an. Zum Beispiel mit der Frage, die ich einem jeden von
Ihnen heute morgen ans Herz legen möchte: Oft fällt es uns erst dann ein, wenn es zu spät ist. Wenn sie nicht mehr da sind. Die Mutter zum Beispiel. Für mich als Kind war es so selbstverständlich, dass sie da war. Mutters Heiterkeit und Fleiß war so selbstverständlich wie das Sonnenlicht am Morgen und das Brot auf dem Tisch. Wie viel sie für uns getan hat: das Kochen und die Wäsche, das Putzen und die Gartenarbeit, die vielen Gedichte und Lieder bei Kerzenschimmer im Advent, die vielen Geschichten abends am Bett, die ungezählten Nächte, die sie gebangt und gebetet hat am Krankenbettchen eines ihrer Kinder ... Erst heute weiß ich, was sie alles geleistet hat, jetzt wo ich selbst Mutter bin. Wie viel habe ich ihr zu verdanken! Oder mein alter Religionslehrer. Manchmal haben wir ordentlich gemurrt, wenns langweilig war in seinem Unterricht und es schon wieder was auswendig zu lernen gab. Aber noch heute, wenn ich durcheinander komme mit den Namen der Passionssonntage, helfe ich mir mit dem alten Lernspruch, den er uns auswendig lernen ließ: In Rechter Ordnung Lerne Jesu Passion. Und heute noch lasse ich nicht locker, meine lieben Konfirmanden, bis auch Ihr diesen hilfreichen Spruch könnt. Mein alter Lehrer würde sich bestimmt freuen, dass sein Spruch mir heute noch hilft und Euch, die er gar nicht mehr erlebt hat. Mit Worten gedankt habe ich es ihm nie. Warum ist es eigentlich so wichtig zu danken? 1. Danken macht uns bewusst: Es ist nicht selbstverständlich, dass andere etwas für uns tun. Die liebevolle Hand der Küsterin, die den Altar schmückt, die Mühe, die sich unsere Mütter machen mit der Vorbereitung des Kindergottesdienstes, das Engagement der Kirchenvorsteher oder die Mithilfe der Eltern beim St. Martinsfest, das Singen in den Chören und die Mitwirkung in den Vereinen. Der ehrenamtliche Einsatz so vieler Mitarbeiter bei der Kerwe ist genauso wenig selbstverständlich wie das Schmücken unseres Dorfes durch freiwillige Helfer mit Birken, bunten Glühbirnen und dem Kerwebaum, mit Lichterketten und der Weihnachtstanne zum Advent. Die Feuerwehrleute, die den St. Martinszug begleiten oder am Volkstrauertag den Verkehr während der Feierstunde am Friedensmal zum Schutz der Menschen sperren. Nichts von alledem ist eine Selbstverständlichkeit. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob einer dafür bezahlt wird oder nicht. Uns kostet ein Dankeschön nichts, den anderen aber freut es - sei er oder sie nun ehrenamtlicher oder hauptamtlicher Helfer oder Helferin. 2. Damit bin ich bei dem Zweiten. Dank ist wichtig; denn Dank tut dem anderen gut. Es wärmt einem das Herz, wenn man ein Dankeschön hört. Wir wissen es doch aus eigener Erfahrung, wie sehr wir Erwachsenen uns freuen über die ungekünstelte Freude eines Kindes, das Geburtstag hat, oder über eine kleines Dankeschönkärtchen, das unserem Geburtstagsgruß folgt. Und es verletzt, wenn wir einem anderen die Tür aufhalten und er schweigend vorübergeht, als sei unsere Freundlichkeit selbstverständlich. So ein Stoffel! denken wir dann insgeheim und der Unfreundliche ist in unserer Gunst gesunken. Für mich, liebe Gemeinde, war es ein denkwürdiges Ereignis und ein erstes Zeichen dafür, dass einer unserer Söhne reifer geworden war, als Folgendes geschah. Ich freu mich so auf Weihnachten! hatte er mal wieder gesagt, einen Satz, den ich schon immer mal wieder und oft gehört hatte. Trotzdem fragte ich wie immer zurück: Warum freust du dich denn so? Die Antwort war: Ich freu mich so drauf, wenn Du mein Geschenk aufmachst!! - Da ist dem kleinen Kerl bewusst geworden: Der Dank, die Freude des anderen über sein Geschenk war ihm wichtiger, war ihm schöner geworden als die eigene Freude an Lego oder Playmobil auf seinem Gabentisch. Geben ist seliger als Nehmen. - Wie wahr ist dieses Pauluswort aus der Apostelgeschichte. Und der Dank, den man für das Gegebene empfängt, ist das Schönste an allem! Weil da etwas zurückstrahlt von der Freude, die man verschenkte, zurückstrahlt ins eigene Herz. II. Wie sieht das aber nun mit unserer Dankbarkeit gegenüber Gott aus? Ist das da genauso wie unter uns Menschen? In der Bibel wird immer wieder gedankt und gelobt. Es gibt Psalmen, die uns rufen: Stimmt ein in den Dank! Die Paulusbriefe - immer wieder hören wir die Aufforderung: Seid dankbar in allen Dingen! Oder denken wir an die Geschichte von den 10 Aussätzigen, liebe Gemeinde, wo Jesus erstaunt fragt: Waren es nicht zehn, die Gott gesund gemacht hat? Wo sind die anderen neun? Ist kein einziger zurückgekommen, um Gott zu loben als nur dieser eine, noch dazu ein nicht-jüdischer Samariter?? In der Luther-Konkordanz, liebe Gemeinde, (das ist ein Buch, wo man nachsehen kann, welches Wort, wie oft und wo in der Bibel vorkommt), in der Luther-Konkordanz ist zu finden: allein das Wort Dank(en) kommt 203 mal und das Wort Lob(en) sogar 368 mal vor. Kaum ein Wort wird häufiger genannt als diese beiden! Ja, der Gottesdank ist sogar so wertvoll, dass er allem, was wir mit Dankbarkeit empfangen eine neue Qualität gibt: Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. Der Dank macht das Empfangene erst wirklich gut. Was hat es mit diesem Gottes-Dank auf sich? Warum ist er so wichtig? Der Gottes-Dank, der Ernte-Dank? Es ist im Grunde genommen ähnlich wie mit dem Menschendank: 1. Gott danken macht uns bewusst: Es ist nicht selbstverständlich, was Gott für uns tut. Alles ist Geschenk. Dass die Sonne uns wärmt und die Frucht zum Reifen bringt. Dass der Mond die Nacht mit seinem Silberlicht erhellt und den Meeresküsten durch Ebbe und Flut Leben verleiht, ist nicht selbstverständlich. Alles ist Geschenk. Dass der Frühling uns das Herz erwärmt nach der langen Kälte, dass der Sommer das Grün in die Bäume und die Kraft in die Früchte strömen lässt, und der Herbst uns Keller und Fässer füllt, der Winter uns letztlich Ruhe und Besinnung schenkt nach einem Jahr voller Arbeit. Nichts davon ist selbstverständlich. Alles ist Geschenk. Dass wir Kleidung haben, die uns wärmt; Brot und Früchte, die uns stärken; Wasser, das uns erfrischt; ein Haus, das uns Geborgenheit gibt. Nichts davon ist selbstverständlich. Auch Lebensfreude und Gesundheit, Schaffenskraft und Zuversicht - alles ist Geschenk. Letztlich ist auch die Liebe
Gottes keine Selbstverständlichkeit. Dass Gott seine Schöpfung und
seine Menschen immer noch lieb hat, Diese Liebe, diese inkonsequente Liebe, die liebt trotz aller menschlichen Schuld, ist alles andere als selbstverständlich. Jesus Christus ging für diese Liebe in den Tod. Solch ein Opfer, solch ein Zeugnis ist nicht selbstverständlich. Es ist ein unverdientes Geschenk. Dankbarkeit macht uns dies bewusst: Gottes Liebe ist nicht selbstverständlich. Sie ist Geschenk. Sie ist Gnade. 2. Ob jetzt auch das zweite Argument für die Dankbarkeit für unsere Dankbarkeit gegenüber Gott zu übertragen ist? Also: Kann sich Gott über Dankbarkeit freuen wie ein Mensch? Wartet er auch auf die Dankbarkeit - so wie unsereiner? Auf die Gefahr hin, liebe Gemeinde, dass große Theologen mir Anthropomorphismus vorwerfen, d.h. mir vorwerfen, Gott zu sehr mit Menschen zu vergleichen: Ja, ich glaube, dass Gott sich sehr wohl freut über unsere Dankbarkeit, vielleicht sogar, dass er auf sie wartet, so wie Eltern warten auf ein Wort oder eine Geste der Dankbarkeit, wenn sie ihren Kindern Gutes tun. Kein Geringerer als Albert Schweitzer hat genauso gedacht wie ich. Er schreibt: Gott braucht unseren Dank; er lebt davon. Ohne unsern Menschendank ist er, der Ewige, Unendliche, Allmächtige arm; denn sein Reichtum kehrt nicht zu ihm zurück. Unsere Erfahrung mit Gott ist ja eher die, liebe Gemeinde: Wenn wir beten, dann bitten wir meistens nur. Ich denke, das geht uns allen so, selbst mir, die ich es von Berufs wegen vielleicht besonders gut können müsste, ich gebe es zu. Auch mir geht es so: Es fallen uns beim Beten viele Dinge ein, die wir uns wünschen, die uns fehlen, die uns Sorgen machen, die uns Kummer bereiten. Der Dank dagegen kommt irgendwie meistens zu kurz. Jedem Christen geht das so. Die Bitten und Sorgen, die tragen wir allezeit und meistens auch sehr bewusst auf dem Herzen mit uns herum. Und für das Danken müssen wir meistens erst ein Weilchen nachdenken, bis uns die rechten Ideen kommen. Gerade darum steht es sooft in der Bibel: Vergesst das Danken nicht über allen euren Sorgen, über allen euren Wünschen. III. Gott möchte, dass von der Freude, die er uns schenkt, etwas zurückstrahlt. Zu ihm selbst und zu unseren Mitmenschen. Das dankbare Wort richtet sich an Gott selbst. Dankbare Lieder, dankbare Psalmen, dankbare Gebete, sie strahlen zurück zu dem, der uns alles schenkt. Von der ersten Sekunde unseres Lebens an beschenkt uns Gott: Dank sei dir, Gott, für
deine gute Schöpfung, Die dankbare Tat richtet
sich hingegen an den Mitmenschen. Wirkliche Dankbarkeit besteht nämlich
darin, dass wir für alles, was wir Gutes empfangen haben, Gutes wiederum
tun - und zwar an den Menschen, die es brauchen: Und letztlich, liebe Freunde, geschieht dann etwas ganz Wunderbares, das eigentlich nur der erfahren kann, der es ausprobiert: Wer Gott von Herzen dankt, der erlebt etwas ganz Wunderbares: Er wird selber reich und glücklich. Amen. Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen. Liedvorschläge
(Anhang der EKHN): Zum Abendmahl: Zur Gemeindesituation Wachenheim (400 Evangelische) und Mölsheim (300 Evangelische) sind zwei kleine Weinbaugemeinden westlich von Worms an der Grenze zwischen Rheinhessen und der Pfalz. Die Dörfchen liegen idyllisch mitten in Weinbergen, und die Kirche steht noch im Dorf. Der dörfliche Zusammenhalt aber schwindet. Die Menschen vereinzeln auch hier, Familien und Nachbarn werden einander fremd. Die individuelle Mobilität, weite Entfernungen zur jeweiligen Arbeitsstelle und der Gebrauch vielfältiger Medien haben die persönlichen und beruflichen Horizonte geöffnet für ein je sehr eigenständiges Leben. Die Geborgenheit der Dorfgemeinschaft geht also zunehmend verloren. In unserer Kirchengemeinde gibt es keine Kreise. Kirchenchöre oder Frauenhilfe hat es nie gegeben. Ein Seniorenkreis ist vor einigen Jahren eingestellt worden. Seit zwei Jahren gibt es jetzt einen ersten Chor: den Kinderchor Himmelskinder (Leitung Dorothea Zager), einen Flötenkreis für Fortgeschrittene (Leitung Dr. Werner Zager) und Erwachsenenbildung in Seminarform (z.B. Erziehungsseminare für Kindergarteneltern). Gottesdienstbesucher sind in unseren beiden Kirchen rar. Die meisten Menschen haben sonntags anderes, für sie wichtigeres zu tun, als in die Kirche zu gehen. Diejenigen aber, die kommen - das sind ältere Menschen, interessierte jüngere Paare und Konfirmanden, die hier traditionell noch zum Gottesdienst gehen müssen, - wünschen sich zweierlei: zum einen einen lebendigen Gottesdienst, der wohl feierlich aber nicht langweilig ist, und eine Predigt, die nicht zu lange ist und die man versteht. Sie möchten einen Gottesdienst erleben, der mit ihrem ganz persönlichen, alltäglichen Leben inhaltlich in Zusammenhang steht und von dem sie eine wenn auch manchmal nur kleine, aber einprägsame Erkenntnis mit nach Hause tragen können. Dorothea Zager,
Wachenheim |
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