Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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22. Sonntag nach Trinitatis / Reformationstag
31. Oktober 1999
Matthäus 18, 15-20

Anke Fasse

Thema des Gottesdienstes:
Was heißt es, eine christliche Gemeinde/Gemeinschaft zu sein? (Was bestimmt unsere Gemeinschaft? Was ist das Besondere an dieser Gemeinschaft?)
=> Jesu Geist ist unter uns und will uns und unser Handeln leiten und führen.

Lieder:
Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind (EKG 564)
Herr Jesu Gnadensonne (EKG 404, 1+2, 6-8)
Herr, gib mir Mut zum Brücken bauen (EKG 612)
Ich möcht, daß einer mit mir geht (EKG 209)
Wo ein Mensch Vertrauen gibt (EKG 604)
Bewahre uns Gott, behüte uns Gott (EKG 171, 4)

Kollektengebet
Gott, in deiner Gegenwart wollen wir zur Ruhe kommen.
Wir suchen deine Nähe und möchten deinen Geist in uns spüren.
Gott, du schenkst uns Gemeinschaft.
Zeige du uns, wie Du durch uns in dieser Gemeinschaft und anderswo wirken willst.
Darum bitten wir dich durch Jesus Christus.
Amen

Aktion zu Beginn des Gottesdienstes
Die Gottesdienstbesucher- und besucherinnen werden z.B. von Konfirmanden und Konfirmandinnen am Eingang begrüßt und bekommen alle einen Fisch als Zeichen für die christliche Gemeinschaft (aus Salzteig oder Tonpapier zum Umhängen, oder auf eine Holzwäscheklammer geklebt zum Anstecken oder einfach einen Aufkleber). Der erste Teil der Predigt knüpft an dieses Symbol an.

Predigt

Liebe Gemeinde,

Heute ist etwas anders als sonst. Schauen wir uns doch alle einmal aufmerksam an! Woran ist unsere Gottesdienstgemeinschaft heute zu erkennen? (Wo es möglich ist, Gottesdienstbesucher- und besucherinnen antworten lassen und diese Antworten dann aufnehmen).

Heute tragen wir alle einen Fisch deutlich sichtbar an uns. Einen Fisch! Warum haben Konfirmanden und Konfirmandinnen Ihnen am Eingang ausgerechnet einen Fisch geschenkt? (Hier evtl. Konfirmanden und Konfirmandinnen selbst erklären lassen) Der Fisch ist für die christliche Gemeinde ein ganz besonderes Symbol. Die ersten Christen bekannten sich als Nachfolger Jesu, indem sie das Symbol des Fisches sichtbar an ihrem Körper trugen. Der Fisch war ihr besonderes Erkennungszeichen. Wie kamen sie zum Fisch als christliches Symbol? Fisch heißt auf griechisch, die Sprache der ersten Christen, ichtys. Jeder Buchstabe des Wortes Fisch in der griechischen Sprache steht für das Bekenntnis: Jesus Christus, Sohn Gottes, unser Retter. Der Fisch blieb über die Jahrhunderte ein wichtiges Symbol für die christliche Gemeinde. Der Fisch, den wir heute alle an uns tragen, weist uns direkt auf Jesus Christus, zu dem wir uns als Christen und Christinnen bekennen. Jesus Christus ist der Grund, weswegen wir hier zusammengekommen sind und miteinander Gottesdienst feiern.

Aber was ist, wenn wir nicht den von außen sichtbaren Fisch als Zeichen unseres Bekenntnisses zu Jesus Christus an uns tragen? Woran ist dann unsere Gemeinschaft als eine christliche zu erkennen? Was ist das Besondere an unserer Gemeinschaft? Wir kommen zu Gottesdiensten zusammen. Es gibt verschiedene Gruppen, die sich in der Woche treffen. Aber über diese äußeren Termine und Treffen hinaus, muß da doch noch etwas anderes sein, was uns bestimmt und zusammenhält. Ich denke, der Glauben an Gott, an Jesus Christus muß das Entscheidende in unserer Mitte sein, das uns zusammenführt, das uns trägt. Es ist dieser Glaube, der uns von anderen Gemeinschaften unterscheidet. Und so muß es auch unser Glaube an Jesus Christus sein, der unser Handeln, der unser Zusammenleben bestimmt. Denken wir einmal darüber nach: Wie halten wir’s mit der Nachfolge Jesu? Wie gehen wir miteinander um? Wie gehen wir insbesondere mit Konflikten und Problemen in unserer Gemeinde um?

In dem Predigttext für den heutigen Sonntag erzählt Jesus, wie eine christliche Gemeinde mit Konflikten umgehen sollte. Der Predigttext für den heutigen Sonntag ist aufgeschrieben bei Matthäus im 18. Kapitel.

- Mt 18, 15-20 lesen

Jesus gibt hier deutliche, praktische Anweisungen Konflikten und Problemen in der Gemeinde zu begegnen: Wenn ich den Eindruck habe, eine Person aus unserer Gemeinde verhält sich mir gegenüber nicht richtig, dann soll ich sie zu einem Gespräch darüber unter vier Augen persönlich aufsuchen – so sagt es unser Predigttext. Entscheidend ist das direkte Gespräch zwischen den Menschen, die der Konflikt direkt betrifft. Alle anderen Personen müssen außen vor bleiben. Das heißt auch, daß alle Erzählungen und alles Gerede über solche Situationen unterbleiben soll. Erst wenn das Gespräch unter vier Augen keinen Erfolg hat, ist es sinnvoll, ein oder zwei andere Personen mit hinzuzuziehen. Gemeinsam muß dann versucht werden, eine Lösung zu erreichen. Wenn diese Möglichkeit dann auch scheitert, dann ist es eine Sache der Gemeinde, diese Situation gemeinsam zu bereinigen. Dem direkten Gespräch im Gegensatz zum Gerede hinter dem Rücken kommt hier die entscheidende Bedeutung zu.

Entscheidungen und Beschlüssen, die Menschen aus einer christlichen Gemeinde treffen, kommt im weiteren Verlauf des Predigttextes eine sehr große Bedeutung zu. Es heißt hier sogar, daß diese Entscheidungen auch im Himmel - also vor Gott und in Ewigkeit Gültigkeit haben. Beim ersten Lesen des Textes erschreckte ich über diese Aussage. Ich schreckte vor der großen Verantwortung zurück und dachte: „Nein, das darf doch nicht sein, daß wir fehlbaren und oft so egoistischen Menschen so eine unwiderruflich große Verantwortung haben. Es muß doch Gott sein, der schließlich alles zurechtrücken wird.“ Bei weiteren Überlegungen zu diesem Punkt fiel meine Aufmerksamkeit vor allem auf den letzten Satz unseres Predigttextes: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Jesus sagt uns hier seine Gemeinschaft zu, immer wenn wir uns in seinem Namen treffen. Jesu Geist ist immer bei uns, daß ist das Besondere unserer, einer christlichen Gemeinschaft. Jesu Geist will uns führen und leiten bei allem, was wir tun. Jetzt liegt es an uns, daß wir uns auch von dem Geist Jesu führen und leiten lassen, daß wir auf seine Stimme hören, unseren Weg mit ihm suchen. Aus dieser Zusage - Jesus ist mitten unter uns – ist auch unsere große Verantwortung bei allen unseren Entscheidungen zu begründen. Denn wir sind bei all unseren Handlungen nicht allein, nein, der Geist Jesu ist bei uns. So erhalten wir die Möglichkeit, in seinem Sinne zu handeln.

Heute tragen wir den Fisch als äußeres, sichtbares Zeichen der christlichen Gemeinschaft. Aber wie sieht es in unserem Inneren aus? Berufen wir uns auf den Geist Jesu in unserer Mitte, bei allem was wir tun und reden?

Ich denke über unser alltägliches Leben in der Gemeinde nach (hier Präzisierungen aus der eigenen Gemeinde). Es gibt viele schöne Erfahrungen und Begegnungen, viele Gespräche, in denen ich auch etwas von dem Geist Jesu spüre. Aber es gibt auch die anderen Erlebnisse, ich denke an die vielen unausgesprochenen Konflikte und Störungen oder an das viele Gerede hinter dem Rücken von den eigentlich betroffenen Menschen. Es entstehen Mauern, Verletzungen und Gerüchte. - Ich muß an die Anweisungen Jesu zum Umgang miteinander aus dem Predigttext denken. Warum schaffen wir es nicht, das direkte Gespräch zu suchen, auf den anderen direkt zuzugehen? Ich wünsche uns, daß wir uns hier von dem Predigttext anstoßen lassen, daß wir dem Geist Jesu in unserer Mitte mehr Raum geben und uns von ihm führen lassen.

Ich blicke mich in dieser Kirche um und sehe viele verschiedene Menschen. Es gehören noch weitaus mehr Menschen, ganz verschiedene, zu unserer christlichen Gemeinde. Wenn unsere Gemeinschaft funktionieren soll, müssen alle ernst genommen werden, alle müssen einbezogen werden bei Entscheidungen, bei dem Angebot, bei dem Versuch, Regeln für unsre Gemeinschaft aufzustellen. Das ist sicher oft schwer. Aber ich spüre, wir sehr wir dieser Aufgabe im Geist Jesu nachkommen müssen. Besonders die Jugendlichen, die unsere Kirche mittragen, sie weitertragen, müssen bei einer Suche nach Orientierung für unser Handeln in der Kirche einbezogen werden.

Der Geist Jesu ist in unserer Mitte – diese Zusage gibt uns der Predigttext. Der Geist Jesu, - was ist das für ein Geist? Erinnern Sie sich an das Evangelium? Er beginnt: Herr, wie oft muß ich meinem Bruder, der sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir nicht siebenmal, sondern siebzig mal siebenmal. Der Geist Jesu, ein Geist der Vergebung. Ein Geist, der nicht auf Fehler und Schulden beharrt, sondern von Liebe und Neuanfang, von ehrlicher Gemeinschaft geprägt ist. Dieser Geist Jesu ist in unserer Mitte, heute, jetzt und immer, wenn zwei oder drei sich im Namen Jesu treffen, daß heißt sich in unserer christlichen Gemeinde treffen. Der Geist Jesu möchte uns beschenken. Er möchte uns führen und leiten bei allem, was wir tun. Dieser Geist Jesu, er ist das Besondere, was unsere Gemeinschaft ausmacht. Er begleitet uns. Er soll auch von Außen erkennbar werden. Leben in der Gemeinschaft dieses Geistes, daß ist es, was uns von anderen Gemeinschaften unterscheidet, was uns reich macht. Heute ist es der Fisch, der uns von außen als Christen und Christinnen erkennen läßt. Woran werden wir morgen zu erkennen sein? Es sollen nicht die Äußerlichkeiten sein, die uns als Christen und Christinnen erweisen, sondern es soll der Geist Jesu sein, der unser Leben und Handeln bestimmt.

Jesu Geist in unserer Mitte – das ist das Besondere unserer christlichen Gemeinschaft. Ich wünsche uns, daß wir dieses Besondere wahr und ernst nehmen, daß wir uns vom Geist Jesu bestimmen lassen in allem, was wir tun und lassen. Auf die Zusage Jesu, die uns in jedem Augenblick unseres Lebens tragen und stärken will, können wir uns verlassen. Jesus spricht zu uns: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Amen

Anke Fasse
Anton-Günther-Str. 21
26434 Wangerland/Hohenkirchen
E-Mail: Anke@sefarim.de


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