Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch
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4. Sonntag der Passionszeit, Lätare, 25. März 2001
Predigt über Johannes 6,47-51, verfaßt von Anke Fasse

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

folgendes las ich vor kurzem über den Tagesablauf eines Jugendlichen: Stefan kommt aus der Schule. „Sein Mittagessen schlingt er nur so in sich hinein. Denn gleich geht’s ab zum Fußballtraining. Morgen, Samstag Nachmittag, geht’s schließlich gegen den VfL; wer da aufgestellt werden will, muß schon was dafür tun. Gegen Ende des Trainings spricht Tom ihn an: Du heute Abend steigt bei mir die totale Party – wir feiern in meinen Geburtstag rein. Du kommst doch, oder? Na klar sagt, sagt Stefan. Erst danach erinnert er sich, dass er doch schon mit Inga zum Kino verabredet war. Na, irgendwie kriege ich das schon hin, denkt er sich, Tom hat ja erst um Mitternacht Geburtstag. Nach dem Training ist er ziemlich abgekämpft. Die Frikadellen vom Mittagessen liegen ihm schwer im Magen. Zum Ausgleich trinkt er eine große Cola hinterher. Dann nimmt er erstmal den Bus in die Stadt: Kino und Party sind schließlich Anlass, endlich mal ein paar neue Klamotten zu kaufen. Ach ja, und ein Geburtstagsgeschenk für Tom. Von welchem Geld? Seit ein paar Tagen lebt er eh schon auf Pump von seiner Mutter. Na, morgen früh vor dem Spiel kann er sich wieder ein paar Mark dazu verdienen, wenn er Frau Müller im Garten zur Hand geht. Obwohl er die ja eigentlich für ein Surfbrett sparen wollte... Er geht hektisch durch die Läden, kauft eine Hose, ein T-Shirt und für Tom eine CD. Zum Kino schafft er es nur auf die letzte Minute. Jetzt rumort die Cola in seinem Magen. Er versucht sie mit Popcorn zu neutralisieren. Inga meint: Was ist mit dir? Du wirkst so abgehetzt! Och, das ist nichts, mach dir keine Sorgen, wiegelt Stefan ab. Vom Film bekommt er kaum etwas mit. Er ahnt, was folgt: Inga schlägt vor: Wie wär’s, wenn wir den Abend schön gemütlich bei mir ausklingen lassen? Du, ich muß noch zu Toms Geburtstagsparty. Ich hab’s ihm versprochen. Er wird schließlich nur einmal 16! Lass uns doch einfach zusammen hingehen. Er hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich dich mitbringe. Inga ist sauer: Ne, du, so läuft das nicht! Ich dachte, das wäre heute unser Abend. Wenn du unbedingt zu deinem Tom willst, dann geh gefälligst alleine. Du kriegst den Hals wohl niemals voll!“

Ehe Stefan reagieren kann, dreht Inga sich um und geht weg. Stefan fährt zu Tom. Endlich bist du da, begrüßt der ihn. Kurz nach Mitternacht mit der großen Gratulation will Stefan wieder gehen. Na, das haben wir ja gern, sagt Tom: Kommt als Letzter und geht als Erster! Los, Mann, trink erst noch ein paar Bierchen mit! Morgen ist schließlich Wochenende! Stefan bleibt bis zwei Uhr und kommt völlig platt nach Hause. Ihm dröhnt der Kopf, sein Bauch ist schwer wie Blei. Mit Schrecken denkt an Frau Müller. Und Ingas letzter Satz geht ihm nicht aus dem Kopf: Du kriegst den Hals wohl niemals voll....

Soweit zu Stefan, der von event zu event hetzt, es dabei versucht allen recht zu machen und letztendlich doch nicht so recht glücklich dabei ist. Ja, es stellt sich die Frage, worauf kommt es an im Leben? Wie gehen wir um, mit unserer Zeit, mit unserem Geld, mit unseren Möglichkeiten? Was ist es, was letztendlich glücklich macht und wovon erhoffen wir es?

Ich meine damit gar nicht nur die Jugendlichen, auf die immer leicht der erhobene Zeigefinger fällt. Wir könnten das Beispiel leicht auf jede Altersgeneration übertragen: Auf ein normales Leben, das ganz von den alltäglichen Pflichten mit Beruf und Familie, dem Haus mit Garten, dem Freundeskreis und dem alljährlichen Urlaub angefüllt ist und kaum Luft läßt, einmal auszubrechen. Und dann, vielleicht kennen Sie das ja auch, ist er wieder zu spüren, dieser Hunger nach Leben, dieses Gefühl: irgend etwas fehlt da doch. Aber wie ist dieser Hunger zu stillen?

Der Predigttext für den heutigen Sonntag möchte darauf eine Antwort geben. Ich lese aus dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums:

- Predigttext lesen-

Der Satz Jesu ’Ich bin das Brot des Lebens‘ bleibt mir besonders im Gedächtnis haften. Jesus benutzte in seinen Reden oftmals Vergleiche aus dem täglichen Leben, um daran den Inhalt seiner Worte deutlich werden zu lassen. Das Brot, ich habe hier ein schmackhaftes, nahrhaftes Schwarzbrot mitgebracht, was ist das besondere am Brot, wofür ist es ein Zeichen?

Sie kennen sicher den Ausspruch ‚sein Dasein fristen bei Wasser und Brot‘. Wer sein Dasein bei Wasser und Brot fristen muß, hat ein armseliges Dasein, ein Leben ohne Extras, aber mit Wasser und Brot ist die Grundlage des Lebens gegeben. Wasser und Brot sind lebensnotwendig, sie sind die Grundlage für alles Leben. Brot als Grundlage des Lebens, das trifft auch für den täglichen Verzehr zu. Machmal schmeckt sicher auch trockenes Brot, aber in der Regel, ist die Scheibe Brot die Grundlage für den verschiedenen Belag. Und obwohl wir die Möglichkeit haben, uns immer vielfältiger zu ernähren, ist, so denke ich, das Brot doch das Grundnahrungsmittel schlechthin geblieben.

Blicken wir nun wieder auf unseren Bibeltext, in dem Jesus von sich sagt, ‚Ich bin das Brot des Lebens‘. Das Brot, daß ich hier mitgebracht habe, steht für unsere leibliche Lebenssicherung. Jesus sagt uns zu, diese Lebensgrundlage für unsere Seele sein. Er sagt uns zu, den Hunger und Durst nach Leben, nach dem Sinn, nach diesem Mehr für immer zu stillen. Was Jesus uns mit den Worten ‚Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit‘ anbietet ist: auf Gott allein unser Vertrauen zu setzen. Gott zu vertrauen meint nicht, eine Versicherung gegen Hunger, Krankheiten, Widerwärtigkeiten oder ein Unglück abzuschließen. Sterben und Tod bleiben keinem erspart. Wer aber im Vertrauen auf Gott lebt, dem verspricht Jesus schon jetzt ewiges Leben, d.h. sich in der Hand Gottes geborgen wissen – im Leben und im Sterben.

Ich muß an Stefan denken, der versucht durch viele Aktionen oder Highlights seinem Leben selbst einen Sinn zu geben und dabei nur müde und unzufrieden wird, sich selbst verliert und den Sinn doch nicht findet. Der Glaube entlastet uns davon, unserem Leben selbst einen Sinn zu geben, dafür etwas leisten zu müssen und keine Minute verpassen zu dürfen.

Antoine des Saint-Exupery veranschaulicht das im Kleinen Prinzen sehr schön: „Guten Tag“, sagte der kleine Prinz. „Guten Tag“, sagte der Händler. Er handelte mit höchst wirksamen durststillenden Pillen. man schluckt jede Woche eine und spürt überhaupt kein Bedürfnis mehr zu trinken. „Warum verkaufst du das?“ sagte der kleine Prinz. „Das ist eine große Zeitersparnis“, sagte der Händler. „Die Sachverständigen haben Berechnungen angestellt. Man erspart dreiundfünfzig Minuten in der Woche.“ „Und was macht man mit diesen dreiundfünfzig Minuten?“ „Man macht damit, was man will...“ „Wenn ich dreiundfünfzig Minuten übrig hätte“, sagte der kleine Prinz, „würde ich ganz gemächlich zu einem Brunnen laufen...“-

Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Er sagt uns sich, den Glauben als sättigende Lebensgrundlage zu, und wehrt sich damit gegen jede Form der Beliebigkeit. Es ist nicht das Auto, nicht die Markenklamotten, auch nicht die Freundin oder die exquisite Einrichtung, nein, er Jesus ist das Brot des Lebens. Er ist die sättigende Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben – so heißt es einige Verse zuvor.

Unser Abschnitt aus dem Johannesevangelium lädt dazu ein, unser Leben in Gott geborgen sein zu lassen. Wer zu diesem Vertrauen findet, der kann entspannt nach dem Prinzip „weniger ist mehr“ leben, denn er oder sie haben ihre Lebensgrundlage, ihren Lebenshunger gestillt durch den Glauben. Wer zu diesem Vertrauen findet, das eigene Leben in Gott geborgen sein zu lassen, der kann es annehmen und aushalten, dass das eigene Leben verletzbar, begrenzt und zerbrechlich ist. Der kann es annehmen, ohne darüber in Panik zu geraten, ohne zu versuchen, aus Angst um sich selbst auf Kosten anderer zu leben. Leben im Vertrauen auf Gott öffnet den Blick für den Nachbarn, die Nachbarin, es schafft Gemeinschaft – wie wir es beim Teilen des Brotes und dem gemeinsamen Essen erleben.

Jesus Christus spricht: Ich bin das Brot des Lebens – eine Einladung an uns, unser Leben in Gott geborgen sein zu lassen.

Amen.

Diese Einladung kann konkret und spürbar gemacht werden, indem nach der Predigt das mitgebrachte Brot in der Gemeinde verteilt wird.

Hilfreiche Anregungen bei:

Hans-Martin Lübking, Gottesdienst für Jugendliche, Praxismaterialien für alle Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres, Perikopenreihe 5, Düsseldorf 2000, Seite 84-87.

Anke Fasse
Pfarrvikarin in Schortens/Heidmühle und im Rehazentrum Wilhelmshaven
email: anke@sefarim.de


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