3. Sonntag nach Trinitatis, 1. Juli 2001
Predigt über Lukas 19,1-10, verfaßt von Uwe Erdmann

Liebe Gemeinde,
ich will mich Ihnen kurz vorstellen, Zachäus ist mein Name, ganz einfach Zachäus.
Was, sagen sie, was, bitte? Ich soll habgierig sein?
Stimmt nicht! Wie kommen Sie überhaupt darauf?
Ich nutze doch nur die bestehenden Gesetze aus. Das könnten Sie genauso gut machen.
Und das soll dann gleich habgierig sein. Das kann ich nicht so stehen lassen. Nein, das ist schlicht und einfach falsch.
Sie meinen, ich würde meine Position ausnutzen, weil ich eine Monopolstellung habe. Ich würde meine Mitarbeiter dazu auffordern, den Leuten immer mehr abzunehmen. Auch das ist so nicht richtig. Die Preise sind nun mal in der letzten Zeit gestiegen, und die Mitarbeiter wollen auch mehr Geld haben.
Und, wo soll das denn herkommen. Ich kann auch nicht einfach mein eigenes Geld drucken. Ich muß auch sehen, wo ich bleibe. Schließlich muß ich ja auch meine Familie ernähren. Und wenn die Oliven knapp werden auf dem Markt, dann fordern die Bauern doch auch höhere Preise. Das ist nun mal so. Und ich sage Ihnen, das wird auch bleiben.
Was, noch so ein Vorwurf, ich würde mit den Römern zusammen arbeiten.
Nun, man kann sich seine Geschäftspartner nun mal nicht aussuchen. Beim Geschäft, da geht es nicht um gut und böse, da geht es eben ums Geschäft.
Und überhaupt, seien Sie doch froh, das die Römer da sind, da herrscht wenigstens Ruhe und Ordnung. Wenn Krieg wäre, dann könnten Sie auch nichts verdienen und Ihre Familien müßten hungern.
Also, Sie können mich doch nicht dafür verurteilen. Und wissen Sie, es war gar nicht so einfach, den Auftrag von den Römern zu bekommen, ich mußte mich schon sehr anstrengen, um die Mitbewerber aus dem Feld zu schlagen.
Also, verurteilen Sie mich gefälligst nicht, nur weil ich Geschäfte mache. Ich habe schließlich auch meine Unkosten. Die Römer wollen auch jede Woche ihr Geld sehen."

Ist doch alles in Ordnung mit dem Herrn Zachäus, oder finden Sie nicht? Ein cleverer Geschäftsmann eben, so wie er auch heute noch vorkommt. Er nutzt halt nur die bestehenden Verhältnisse aus.
Dass da am Ende immer ein bißchen mehr Geld in seinen Taschen hängen bleibt, wer wollte es ihm verdenken.
Würde er das nicht machen, würden andere, vielleicht ja auch wir selber, nicht auch versuchen, das Beste für uns herauszuholen?
Natürlich würden wir das auch tun. Selbstverständlich alles immer im Rahmen der bestehenden Verhältnisse.
Und wenn es dazu einiger kleiner Hilfen bedarf, naja, so genau muß man da nicht hinsehen, machen doch alle.
Das einzige, was Zachäus später passierte, das fällt irgendwie aus dem Rahmen. Er muß so einen Anflug von Gefühlsduselei gehabt haben. Wäre er doch hinter seinem Schreibtisch geblieben und an jenem Tag nicht rausgerannt wie alle anderen. Nicht genug, daß er sich die kleinen Pöbeleien anhören mußte, wie man ihm deutlich die kalte Schulter gezeigt hat, nein wirklich, das hätte er sich nicht antun müssen.
Und dann ist er auch noch auf den Baum geklettert, das verstehe einer, er, der Geschäftsmann, der klettert auf einen Baum, nur um diesen Wanderprediger zu sehen. Hat sich ganz schön lächerlich gemacht damit.
Was man ja auch nicht verstehen kann, daß dieser Prediger dann zu ihm nach Hause ist. Na, das Zachäus so einen überhaupt rein gelassen hat. Klar, die Leute haben auch gemeckert, aber mehr über den Prediger. Wie kann der nur bei so einem Halunken ...
Muß dann wohl auch eine Trotzreaktion von Zachäus gewesen sein, wenn die Leute das nicht gut finden, dann erst recht.
O, Zachäus, da hast du dir was eingebrockt.

Ja, das hat er, liebe Gemeinde, aus dem Cleveren, dem, der das Leben in allem zu seinen Gunsten ausgenutzt hat, aus dem wurde....
Nein wir wissen gar nicht, was aus ihm wurde, ob er seine Zusammenarbeit mit den Römern gekündigt hat, ob er danach mehr auf die Menschen geachtet hat, weniger an sich selber gedacht hat, all das erfahren wir nicht.
Allein dieses, daß Jesus ihm Heil zuspricht. "Heute ist diesem Haus Heil widerfahren." Diesen Satz, den können wir lesen, am Ende der Geschichte von Zachäus.
Der Evangelist Lukas, der diese Geschichte aufgeschrieben hat, der wußte, daß Zachäus ein Sünder war. Damals eine Bezeichnung für einen schlechten Menschen, für einen, der für sich die Gesetze nicht gelten ließ, einer, der sich zudem gegen Gott stellte.
Ich denke, daß so ein Verhalten heute viel eher akzeptiert würde. Wirtschaftlich erfolgreich sein, um welchen Preis auch immer, das kommt mir bekannt vor.
Überhaupt, Erfolg und das damit verbundene Geld, das steht doch auch heute ganz oben.
Beim Giro d'Italia werden Medikamente gefunden, alle Radsportler sollen gedopt sein, so hörte man.
Hauptsache das Vermögen der Aktionäre wächst, so durfte es ein bedeutender deutscher Wirtschaftsführer verkünden.
Doch ich will hier nicht nur auf die sogenannten Großen schimpfen. Ich vermute eher, daß auch in einem jeden von uns ein kleiner oder auch großer Zachäus wohnt. Einer, der uns oft genug dazu bringt, hier und da das eigene Schäfchen ins Trockene zu bringen.

Wenn dem so ist, dann würde der Kommentar am Ende der Geschichte auch auf uns zutreffen:
"Denn des Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist."
Dann würden wir auf die Seite derer gehören, die eigentlich verloren sind, die sich nicht aus eigenen Kraft aus den Zwängen dieser Welt lösen könnten. Dann müßte Jesus auch zu uns kommen. Müßte?
Ich denke, er hat das schon getan. Er kommt auch heute auf uns zu und lädt sich bei uns ein, will bei uns zu Gast sein und unserem inneren Zachäus das Heil anbieten.
Damit für uns bei aller Cleverness und Abgebrühtheit doch noch anderes wichtig wird. Damit wir in Frieden mit Gott unseren Weg gehen können. Und vielleicht auch unser Verhalten an der einen oder anderen Stelle korrigieren.
Amen

P. Uwe Erdmann, Hemmoor
E-Mail: uwe.erdmann@t-online.de