Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Epiphanias, 6. Januar 2002
Predigt über 2. Korintherbrief 4, 3-6, verfaßt von Robert Schelander

Liebe Gemeinde,

In unserem heutigen Predigttext ist von Licht die Rede und von Finsternis, vom hellen Schein und der Verdunkelung.
Das passt zur Jahreszeit wo Hell und Dunkel miteinander ringen. Wir ahnen nur, dass es langsam wieder heller wird, mit jedem Tag verkürzt sich die Nacht und die "Tage" werden wieder länger. Gegenwärtig nur ein klein wenig, fast unmerkbar. "Am Heiligen Dreikönigs Tag werden die Tage um einen Hahnenschrei länger", heißt es in einer alten Bauernregel und ebenso: "Anfang Februar dann schon deutlicher wahrnehmbar um einen Hirschensprung." Menschen haben sich in unseren Breiten schon immer nach dem Ende der dunklen Winterszeit gesehnt und daher die Tage der Dunkelheit gezählt und jede Veränderung aufmerksam beobachtet.

Wir Menschen brauchen das Licht und sehnen uns danach. Ganz real nach natürlichem und künstlichen Licht und auch im übertragenen Sinn: nach Licht in unserer Welt und unserem Leben.

Liebe Gemeinde,
Das ist die Weihnachtsbotschaft, dass Gottes Herrlichkeit erschienen ist: Gott ist in seiner ganzen Größe zu uns Menschen gekommen, er hat mit seinem Licht die Welt erleuchtet. Und wir versuchen diese Botschaft klar und deutlich den Menschen zu sagen und für alle erfahrbar zu machen: für uns und andere. Wir versuchen sie ausdrücken mit: Licht.

Dazu zünden wir Kerzen am Christbaum an, geben das Friedenslicht weiter und hängen Lichterketten auf. Mit all diesen Lichtern wollen wir zeigen, dass ein Licht diese Welt erleuchtet hat: Gottes Licht. Das Licht scheint in die Dunkelheit, ein gutes Symbol für Gottes Handeln an den Menschen.

Wir versuchen in die dunklen Seiten dieser Welt Licht zu bringen. Die Lebensbedingungen von Menschen heller zu machen. Nicht zufällig heißt die bekannte Weihnachtsaktion des ORF: Licht ins Dunkel. Ich denke auch hier soll etwas spürbar werden von der großen Liebe Gottes, von der Paulus redet, wenn er von dem "hellen Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Gottes" (V. 4) spricht.

Aber tut sie das? Macht die Liebe Gottes unsere Welt heller? Glauben sie das? Konnten Sie an Weihnachten das "helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi" sehen? Bei mir hinterlassen all die bunten Weihnachtslichter eher gemischte Gefühle. Die Lichter des Konsums, der Einkaufstraßen mischen sich mit den vielen Lichtern, die wir im Fernsehngesehen haben, dazu kommen die Lichter in der Kirche und jene, die wir zuhause entzündet haben. Und jetzt im neuen Jahr? Die Lichter des Weihnachtsfestes sind verblasst, das neue Jahr fragt: War's das? Ein Lichterzauber für eine kurze Zeit? Jetzt hat uns die kalte dunkle Realität wieder und wir können nur auf den Frühling warten?

Ja, auch das gehört zu unserer Erfahrung im Umgang mit Weihnachten, so wie die Lichter uns erwärmen und erleuchten können, so können sie uns auch zu grell strahlen, uns blenden, wie Paulus schreibt verblenden. Das Evangelium bleibt verdeckt, es ist in all dem Lichterglanz verborgen.

So ist es mit den Lichtern zu Weihnachten, sie wirken nicht von selbst, man muss es sehen können, glauben können.
Wenn wir alle Kerzen der Welt anzünden könnten, in uns bliebe es aber kalt ... Was würde es nützen?
Wenn wir alle Lichtershows der Welt anschalten könnten und könnten aber den Stern über unserem Leben nicht sehen ...
Wenn wir das Friedenslicht zu allen Menschen brächten, aber könnten das Licht auf unserem Lebensweg nicht sehen, ... was nützt es?

Von solchen Erfahrungen erzählt unser Predigttext:
"Ist nun aber unser Evangelium verdeckt, so ist's denen verdeckt, die verloren werden, den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes." (V 3-4)

Hier wird von Menschen erzählt, die das helle Licht der Weihnachtsbotschaft nicht sehen können, weil sie geblendet werden. Der "Gott dieser Welt" leuchtet und strahlt für sie. Er leuchtet so hell, dass sie das Licht des Evangeliums nicht sehen können.
Manchen von uns mag es über die Weihnachtsfeiertage ähnlich ergangen sein.

Paulus kommt auf das Licht zu sprechen, weil ihm vorgeworfen wird: er verdunkle das Evangelium von Jesus Christus. Er verteidigt sich in diesem Brief an die Korinther. Man wirft ihm vor: er predige nicht deutlich genug. Ein in der Geschichte der Kirche noch öfter gehörter Vorwurf. Die Botschaft werde zuwenig klar ausgesprochen, sie werde verwässert, verdunkelt. Manches von dieser Kritik hören wir auch noch heute, wenn über die Menschen einlullende Weihnachtsgottesdienste die Rede ist.
Paulus wehrt sich:
"Nein, ich verfälsche Gottes Wort nicht!"
"Nein, ich halte das Evangelium nicht zurück und umgebe es auch nicht mit vielen Geheimnissen oder sonstiger Heimlichtuerei" schreibt er. Er predige klar, deutlich und hell ...
Was heißt dies für uns, sind jene selbst schuld, die in all dem Lichterglanz zu Weihnachten, Gottes helle Botschaft nicht sehen konnten?

Paulus setzt fort mit einem sehr tröstlichen und ermutigenden Satz fort:
"Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi."

Beim ersten Hören ist dieser Satz nicht gleich zu verstehen. Er beinhaltet ja auch mehrere Gedanken gleichzeitig:
Gott hat das Licht der Welt geschaffen.
Gott hat auch uns ein Licht ins Herz gegeben.
Wir sollen die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi sehen.

Bevor wir uns diesen Satz noch mal näher ansehen, möchte ich ihnen aber eine Geschichte erzählen:

Ein König hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, da wollte er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen seines Landes und rief seine Söhne herbei. Er gab jedem der beiden fünf Silberstücke und sagte: "Füllt für dieses Geld die Halle in unserem Schloss bis zum Abend. Womit, das ist eure Sache."
Die Weisen sagten: "Das ist eine gute Aufgabe. Denn es ist eine sehr schwierige Aufgabe. Die Halle ist groß und was kann man schon für 5 Silberstücke kaufen, dass man sie füllen könnte?"
Der älteste Sohn ging davon und kam an einem Feld vorbei, wo die Arbeiter dabei waren, das Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepresste Zuckerrohr lag nutzlos umher. Er dachte sich: "Das ist eine gute Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle meines Vaters zu füllen." Mit dem Aufseher der Arbeiter wurde er einig und sie schafften bis zum späten Nachmittag das ausgedroschene Zuckerrohr in die Halle.
Als sie gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: "Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du nicht mehr zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger. Der Vater antwortete: "Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten."
Bald darauf kam auch der jüngere Sohn. Er bat darum, das ausgedroschene Zuckerrohr wieder aus der Halle zu entfernen. So geschah es. Dann stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke hinein.
Der Vater sagte: "Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen brauchen." (Geschichte von den Philippinen, leicht verändert)

Liebe Gemeinde,
diese Geschichte stammt von den Philippinen, deshalb wird vom Zuckerrohr erzählt, mit dem der ältere Sohn die Halle füllt.
Er war zurecht siegessicher. Er meinte seine Aufgabe gut erfüllt zu haben. Er sah, wie sich die Halle langsam füllte und von seinem jüngeren Bruder war weit und breit keine Spur - er hatte noch nicht mal angefangen. Wie könnte der diesen Vorsprung aufholen? Es war daher keineswegs hochnäsig oder vermessen, wenn er den Lohn, das Erbe, vom Vater verlangte.
Der jüngere Bruder hat eine andere Idee wie er die Halle bis obenhin füllen kann: eine Erleuchtung sozusagen. Er füllt sie mit Licht und dazu reicht ihm eine einzige Kerze. Er wird für würdig befunden, der Nachfolger seines Vaters zu sein, das Erbe anzutreten.

Liebe Gemeinde
Die Geschichte will deutlich machen, wie wichtig für uns Menschen Licht ist. In einem übertragenen Sinn handelt sie jedoch von unserem Leben. Womit füllen wir unser Leben an? Mit den Resten der täglichen Arbeit? Mit dem was übrigbleibt?

Hallen werden zur Erntezeit gefüllt. Am Ende des Jahres sieht man dann ob sich die Arbeit gelohnt hat. So ist jede volle Scheune Symbol für Erfolg aber auch dafür, dass die Arbeit gut war. Diese Hallen sind auch Symbol für unser Leben. Bis zum Lebensabend soll es ein gutes und erfülltes Leben werden. Womit füllen wir unser Leben?

Wir tun Alltägliches in unsere Scheune, Produkte unserer täglichen Arbeit, aber auch Besonderes, z.B. Feste. Manche tun auch Extremes hinein: zum Beispiel sportlicher Art. Oder wir füllen unser Leben mit dem was abfällt, mit dem was zufällig übrigbleibt beim täglichen Leben. Man kann diese Geschichte in vielfältiger Weise auf unser Leben beziehen. Sie macht aber deutlich, dass wir vor einer großen Aufgabe stehen, Licht in unser Leben zu lassen. Das Leben mit wirklich Wichtigem zu füllen, es nicht unnütz zu vergeuden.

Ich komme noch mal auf den Vers des Paulus zurück:
"Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi."

Paulus sagt für mich zwei bemerkenswerte Dinge:
Gott, der das Licht geschaffen hat, hat einen hellen Schein in die Herzen gegeben.
Wenn wir dies auf unsere soeben gehörte Geschichte mit den beiden Söhne beziehen, dann bedeutet dies: die Kerze ist schon in der Halle. Die Halle ist schon gefüllt: mit Licht. Die Aufgabe, unser Leben zu "erfüllen", ist gelöst. Wir sind schon Erben des Königs. Jeder, Sie und ich, glauben wir fest daran. Das ist die Weihnachtsbotschaft.

Einen zweiten wichtigen Gedanken finde ich in dem Vers:
Wir sollen die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi erkennen. Gott gibt sich zu erkennen in Jesus Christus. Dass ist das Weihnachtsevangelium, das wir gehört haben: Gott wird Mensch: greifbar und sichtbar. Gottes Liebe zeigt sich in Jesus Christus: Nicht in einem abstrakten Namen, sondern ganz konkret, wie Jesus gehandelt hat: wie er Menschen getröstet hat, Menschen geheilt hat, ihnen Hoffnung gegeben hat.

Das meint Paulus sicher auch, dennoch schreibt er: wir sehen Gottes Herrlichkeit im Angesicht Jesu Christi. Wieso in einem Gesicht? Was sagt ein Gesicht? Es kann leuchten! In Jesu Angesicht spiegelt sich Gottes Herrlichkeit, seine Liebe zu uns Menschen.
Ich höre von diesem Licht in jedem Segen, mit dem unser Gottesdienst schließt:
Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir --- und sei dir gnädig
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich --- und gebe dir Frieden
Ich denke, wenn Augen und Gesichter barmherzig und friedvoll leuchten: dies sind die wahren lichtbringenden Weihnachtsboten.

Amen.

Prof. Dr. Robert Schelander, Wien
Dozent für Religionspädagogik
robert.schelander@univie.ac.at


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