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1. Sonntag nach Epiphanias,
13. Januar 2002
Predigt über Jesaja 42, 1-4, verfaßt von Joachim Goeze |
Exegetische Vorbemerkungen und Entscheidungen
Liebe Mitchristen, Schwestern und Brüder, nun sind wir also wieder in gewohnter Anzahl unter uns; die Feiertage sind gelaufen, Weihnachtsbäume abgeräumt, die Kassen klingeln schon wieder durch den Euro - und das Gezänk und Rechthabenwollen unserer Politiker zu den Treffen am Dreikönigstag, also dem Epiphaniasfest, macht die Eindrücke vom weihnachtlichen Friedensfest vergessen. Es geht weiter wie es auch vor den Festtagen war. Ja, wir stehen als einzelne ernüchtert in jeder Beziehung, vielleicht schon mit den ersten Enttäuschungen da, mit denen unsere guten Vorsätze zu Neujahr die ersten beiden Wochen nicht überstanden haben. Aber immerhin, heute sind wir in der Januarhelle des neuen Jahres hier versammelt, um etwas aus der Welt Gottes zu hören, das uns aus unserer Selbstbezogenheit und dem üblichen Gejammer über die terrorgeprägte Hoffnungslosigkeit unserer Welt herausziehen könnte. Mitten in der Hoffnungslosigkeit einer Flüchtlingsexistenz, mitten
im Elend fern der Heimat unter fremden Göttern, lässt uns ein
Profet teilhaben an seiner Hoffnung für Gottes Volk: Jes.42,1-4: Wenn das kein Gegensatz zur erbärmlichen Lage eines Volkes im Exil ist, wenn das kein Widerspruch zu der Behauptung ist, wir lebten in einem rechtlosen, terrorgeplagten Jammertal - Hoffnung oder Illusion, was kann stärker sein? Müssen wir in der Tat nicht Gott eher Pflichtvergessenheit vorwerfen, dass er soviel Leid und Rechtlosigkeit in seiner Schöpfung zulässt? Ist nicht solch ein Hoffnungslied, wie das vom Gottesknecht, das uns der Profet zumutet, eher ein Hohn, wo doch Gott versäumt, die Schutzbedürftigen zu schützen? Eine Leserbriefschreiberin geht noch einen Schritt weiter: Da haben wir´s wieder: hier die `Realisten´ vom FC Jammertal, dort die `Illusionisten´ von Opium für das Volk. Unbelehrbares Beharren auf religiösen Vorstellungen oder Hoffnung gegen den Augenschein, Hoffnung gegen alle menschliche Berechnung, Hoffnung auf einen, der nicht daherkommt, wie die Mächtigen dieser Welt und der dennoch für Orientierung sorgt und dafür, dass wir nicht untergehen in unseren selbstgemachten Leidensperspektiven. Ja, kein Ausweg aus der Frage, wo Gott sei und wie und ob er eingreift
in unsere Welt - mögen zur Zeit auch noch so viele Engelfilme in
den Fernsehserien laufen. Ja, kein Wegsehen möglich, Leid und Terror
und Ungerechtigkeit herrschen in dieser Welt. Ja, die Wegwerfgesellschaft
und die Anbetung des Rechtes der Stärkeren feiern Triumphe. Nietzsche
hat es schon vor hundert Jahren in Worte gefasst: Das ist der Wind, der heute den Menschen guten Willens ins Gesicht bläst, das sind die heimlichen Werte der Wegwerf- und Überflussgesellschaft, das sind und waren - die Werte irdischer Macht und Herrlichkeit. Aber das ist eben auch nicht alles. Ganz unscheinbar daher kommt Gott wie das Kind in unsere Wirklichkeit, zu Weihnachten wie zu Epiphanias nur von wenigen erkannt, wirkt Gott. "Er wird nicht schreien noch rufen und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen". Er sendet seine Beauftragten, begabt sie mit seinem Geist der Empathie und der Fähigkeit, mitzuleiden und schickt sie an unsere Seite. Und dennoch inmitten des Chaos dieser Welt gibt Gott durch lebendiges Beispiel wie eh und je mit seiner Liebe und seinem Recht, das gerade nicht an Stärke und Rache, sondern an mitfühlender Liebe ausgerichtet ist. Und das war so und ist so und will erkannt und gesucht werden, (Hebr.11,1)und der Weg der Hoffnung gegen allen Augenschein muß gegangen werden. Und Gott tut den ersten Schritt immer wieder - dass wir suchen und finden können, was uns menschlich bleiben und die Liebe suchen und finden lässt mitten im Leid und der Ungerechtigkeit dieser Welt. Das ist und bleibt die Logik der Liebe. Und so ein nicht ungefährdet zu gehender Weg - das ist die Hoffnung, die ` Illusion´, von der Christen nicht lassen sollten, der Ausweg, die Welt nur als Jammertal zu sehen. Und das sollten Christen auch andere wissen lassen. Dann werden wir auch etwas von der Solidarität Gottes mit seinem Beauftragten Jesus und dessen Leuten spüren: sich daran zu beteiligen, die Geknickten nicht zu zerbrechen, sondern aufzurichten und denen, deren Licht zu verlöschen droht, neue Glut der Liebe zu schenken. Das war und ist die Aufgabe des Volkes Gottes damals wie heute, im großen wie im kleinen, für uns selbst und für andere - selbst wenn Diakonie heute fachgerecht und highspeed organisiert werden muß. (Projekte für die Kirchengemeinde nennen, auch: EKD: Menschenrechte aktuell Nr.17 Info Dienst Dezember 2001.Tel.0511 27964348. www.ekd.de/menschenrechte/ Redaktion:Corinna Schellenberg.) Auf dem Weg, uns und andere Geknickte wieder aufzurichten, wird es uns
so ergehen wie dem Freundlichen aus Bertolt Brechts Geschichte: Und nach seiner Stelle im Alphabet wurde auch der Freundliche aufgerufen. Er erschien unten, vor dem Podium, und einen großen Türstock schleppend. -Er erstattete seinen Bericht. Dies hier, der Türstock,war, was er von seinem Haus gebaut hatte. Es entstand ein Schweigen. Dann stand der Versammlungsleiter auf.- "Ich bin erstaunt", sagte er, und ein Gelächter wollte sich erheben. Aber der Versammlungsleiter fuhr fort: "Ich bin erstaunt, daß erst jetzt die Rede darauf kommt. Dieser da war während der ganzen Zeit des Bauens überall, über dem ganzen Grund und half überall mit. Für das Haus dort baute er den Giebel, dort setze er ein Fenster ein, ich weiß nicht mehr, welches, für das Haus gegenüber zeichnete er den Grundplan. Kein Wunder weiter, daß er hier mit einem Türstock erscheint, der übrigens schön ist, daß er aber selber kein Haus besitzt. In Anbetracht der vielen Zeit, die er für den Bau unserer Häuser aufgewendet hat, ist der Bau dieses schönen Türstocks ein wahres Wunderwerk, und so schlage ich vor, den Preis für gutes Bauen ihm zuzuerteilen." Möge Gott uns im neuen Jahr an seinem Reich so bauend finden, über
unserem Mühen mit Amen. Exegetische Vorbemerkungen und Entscheidungen In diesem Gottesknechtslied treffen zwei Traditionen um Mittler-Gestalten des Alten Testaments zusammen: die des charismatischen Richters und die des Retters mit dem Auftrag, das Volk Gottes aus dem Exil zu holen, aus der Herrschaft der Herrscher zum Recht Gottes, so "daß sein Tun dem harten Gesetz der Welt, daß das Zerbrochene und Verlöschende sterben muß, widerspricht." (Westermann, ATD Jesaja z.St.). Wer ist dieser Knecht, der neues Recht proklamiert und selbstlos für die Menschenrechte eintritt? Natürlich nehme ich die Kirchenjahreszeit Epiphanias zum homiletischen Anlaß, diese Frage christologisch zu beantworten mit allen ekklesiologischen Konsequenzen. Die individuelle Deutung, der Gottesknecht sei Christus, der Bevollmächtigte, der Erlöser Gottes verbinde ich mit der ekklesiologisch kollektiven Deutung, diese Bevollmächtigten seien das Volk Gottes, die sich en christo um das Lebensrecht derer kümmern, die "geknickt und am Zerbrechen sind" .Dabei habe ich die Exegese auf meiner Seite, denn so Westermann: " Hier s o l l verbergend, verhüllend geredet werden." Die Predigt wird also von der unterschiedlichen Rechts-und Werteordnung zu reden haben und sich dabei mit unserer herrschenden Gesellschaftsreligion befassen - auf dem Hintergrund der Herrschaft des epiphanen GottKindes: der Gottesknecht macht keinen Lärm z.B. als Gegenbild des `Starken´. Gott fängt einfach an. Mit nichts als dem guten Geist bewaffnet wird er seinen und seine Bevollmächtigten daran arbeiten lassen, Leben zu erhalten und zu fördern - ein Gegenbild zu allen Weltuntergangsstimmungen und terrorgeförderten Hoffnungslosigkeiten : nicht zerbrechen, nicht Auslöschen sollt ihr, Menschenrechte fördern fängt im Kopf an. (Goldene Regel). Dafür habt ihr meinen Beistand und meinen Segen auch im neuen Jahr, verspricht Gott Hoffnung gegen alle Untergangslogik, das ist besser als alle Resignation. Dr. Joachim Goeze, Wolfsburg |
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