Göttinger Predigten im Internet
hg. von Ulrich Nembach und Johannes Neukirch

Exaudi (6. Sonntag nach Ostern), 12. Mai 2002
Predigt über Römer 8, 26-30, verfaßt von Jürgen Berghaus

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Liebe Gemeinde !

"Eine Predigt möchte ich hören, die uns lahmen Christen das Hüpfen beibringt," hat Rudolf Bohren, Theologieprofessor in Heidelberg, einmal zu unserem Predigttext gesagt. Gar nicht so einfach, war meine erste Reaktion darauf - denn diese Gedanken des Apostels Paulus kommen keineswegs sonderlich leichtfüßig daher. Sie sind mehr oder weniger willkürlich herausgerissen aus dem großen Zusammenhang der Kap. 6-8 des Römerbriefes. Dort wird argumentativ entfaltet, wie sich die göttliche Rechtfertigung im menschlichen Leben auswirkt. Der besondere Akzent des 8. Kapitels liegt dabei auf dem Wirken des göttlichen Geistes.

Aber ich merke schon, liebe Gemeinde, so werden wir bestimmt nicht zum Hüpfen kommen ! Die gedankliche Durchdringung eines Bibelabschnitts ist die eine Sache, sich vom Gemeinten in Bewegung setzen zu lassen eine ganz andere. Dazu braucht es Energie - es muß funkeln und knistern, wenn träge Masse aus dem bequemen Ruhesessel gelockt werden soll. Also gebe ich alle Versuche auf zu erklären, was in unserem Predigttext wohl gemeint sein könnte, und bemühe mich vielmehr, jenes Feuer zu entfachen, das durchaus eine Folge der recht verstandenen Paulusbotschaft sein kann. An drei Stellen will ich nun meine Steine aufeinander klopfen - vielleicht springt ja ein Funke über, der auch Sie ansteckt . . .

1. DIE HILFE DES GEISTES

"Hier werden Sie geholfen" : mit ganz eigener Grammatik flötete uns Verona Feldbusch diese Worte ins Ohr als Werbung für eine ganz bestimmte Telefonauskunft. Später habe ich den Satz wiedergesehen auf einer Unterkunft deutscher Sodaten, die als Friedenstruppe irgendwo in Bosnien oder im Kosovo stationiert waren. "Die Hier-werden-Sie-geholfen-Zentrale" stand da sogar zu lesen.

Eigentlich gar nicht so schlecht, solch ein Selbstverständnis bei einer militärischen Eingreiftruppe. Nur böse Zungen kämen auf die Idee zu behaupten, daß doch im Grunde jeder Krieg und jede gewalttätige Auseinandersetzung vor allem deswegen geführt wird, weil irgendjemandem zu irgendwas verholfen werden soll. Ob das aber wirklich den Betroffenen hilft, die Todesopfer und eine zerstörte Infrastruktur beklagen ?

Doch ich will mich auch an die eigene Pastorennase fassen : Eine meiner Leidenschaften gilt dem Sammeln von Ratgebern. Sie kennen sie bestimmt, diese kleinen Heftchen, die im Rathaus, der Apotheke oder sonstwo ausliegen und ihre Lösungen anbieten zu einem bestimmten Problem. Manchmal stehen wirtschaftliche Interessen dahinter, manchmal ist es auch ein gemeinnütziger Verein - jedenfalls sind die Hilfen auf wenigen Seiten knapp und in der Regel auch verständlich zusammengefaßt. Ein guter Pfarrer muß in der Lage sein, den Gemeindegliedern in allen möglichen Sorgen weiterzuhelfen - das war mein Motiv, und manchmal klappt das auch wirklich.

Kürzlich jedoch fand ich ein hübsch aufgemachtes Büchlein von Dr. med. Matthias Rath. Fortschritte im Kampf gegen Krebs und anderes wurden darin angepriesen. Am Ende stand die Einladung, hochdosierte Präparate mit Vitamin C und Aminosäuren zu kaufen - auf diesem Wege ließen sich gefährliche Krankheiten gleichsam natürlich bekämpfen. Man muß schon durch und durch von der Schlechtigkeit der medizinischen und pharmakologischen Wissenschaft überzeugt sein, um das zu glauben.

"Der Geist hilft unserer Schwachheit auf : Wir wissen nicht , was wir beten sollen; doch Gottes Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen." Paulus weiß Rat für hilfesuchende Menschen. Doch nicht sich selbst und seine Weisheit bietet er als Lösung an, sondern er lenkt unsere Hoffnungen auf den Geist Gottes. Der funktioniert keineswegs wie eine automatische Wünsche-erfüll-Maschine; aber er kann besser als wir beschränkten Menschen unsere wahren Bedürfnisse aufspüren und diese wie ein engagierter Rechtsanwalt vor Gott unserem Schöpfer vertreten. Sich Gott anzuvertrauen ist allemal besser, als von einem menschlichen Ratgeber zum nächsten zu laufen.

2. WER GLAUBT, FINDET HILFE

"Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen." Was Paulus hier als zuverlässige Wahrheit weitergibt, ist nicht so ohne weiteres mit menschlicher Klugheit nachzuprüfen. Ich merke sogar, daß sich etwas in mir dagegen sträubt, vorschnell diesem Alles-zum-Besten-Satz zuzustimmen. Ist es denn wirklich so, daß ich als Gläubiger von jetzt auf gleich alle meine Sorgen und Probleme los wäre ? Im Gespräch mit Christen, die das so sagen und vieleicht auch persönlich erlebt haben, bleibe ich in der Regel sehr auf Distanz bedacht - als würde ich mich vor einer ansteckenden Krankheit fürchten.

Aber vielleicht liegt die Pointe jenes Paulus-Gedankens in einer veränderten Perspektive. Die Sorgen und Probleme sind wohl noch da, aber sie erscheinen auf einmal in einem anderen Licht. Wo ich vorher bloß angstvoll wie das Kaninchen auf die Schlange starren konnte, da wird nun mein Horizont geöffnet, meine Dunkelheit erhellt, meine Enge aufgebrochen. Auch was es Schlechtes gibt in meinem Leben - es ist umfangen und erfüllt von der Güte Gottes, wie sie uns durch seinen Geist ganz individuell und persönlich vermittelt wird. "Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes" wird Paulus wenig später sagen. Im Glauben ist uns Gottes Hilfe ganz nah.

3. HILFE IST HERRLICH

Es war auf meiner allerersten Reise nach Siebenbürgen, Anfang der 80er-Jahre : Ich hatte Schwierigkeiten mit dem Visum, den Zwangsumtausch falsch berechnet und meinen angekündigten Zug schon lange verpaßt. Mit über zwölfstündiger Verspätung trudelte ich im wahrsten Sinne des Wortes im Bahnhof von Kronstadt ein. Was sollte ich dort machen ohne rumänische Sprachkenntnisse und ohne telefonische Erreichbarkeit meines Gastgebers ? Wie ein Häufchen Elend mochte ich am Rande des Bahnsteigs gesessen haben, als plötzlich der Freund begeistert auf mich zustürmte. Jeden Zug aus Richtung Westen hatte er abgewartet und mich so endlich gefunden.

Hilfe ist herrlich ! Darüber müßten wir jetzt eigentlich ins Gespräch kommen, liebe Gemeinde. Wo haben Sie in aussichtsloser Lage Hilfe erlebt, und wie war Ihnen danach zumute ? Meine riesige Erleichterung auf dem rumänischen Bahnhof jedenfalls werde ich nicht wieder vergessen.

"Gott hat uns bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleich zu sein; und die er so gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht." Hier finden wir den Dreh- und Angelpunkt für die Hoffnung des Paulus. Wir sind Jesus Christus gleichgestaltet - in seinem Leiden und in seinem Leben. Wir sind gerecht in Gottes Augen, und er gibt uns Anteil an seiner Herrlichkeit. Was für ein Schlußwort, liebe Gemeinde. Erst unser verzweifeltes Ausschauhalten nach verläßlichen Ratgebern, dann der Wechsel der Perspektive hin zum weiten Horizont Gottes und jetzt sogar beschenkt zu werden mit himmlischem Glanz und ewiger Freude - ein langer und beschwerlicher Weg, den ich heute in meiner Predigt mit ihnen gehen mußte. Aber nun sind wir am Ziel angelangt, über das hinaus wir nichts weiter brauchen. Gott will uns alles schenken !

"Eine Predigt möchte ich hören, die uns lahmen Christen das Hüpfen beibringt," waren meine Worte zu Beginn. Die Grundbedeutung des Wortes "Hoffnung" ist hoppen, huppen oder hüpfen - ein überraschtes In-die-Höhe-Springen als Bild für das ungeduldige Erwarten und Ausschauen nach etwas Kommendem.
Ja, liebe Gemeinde, laßt uns hüpfen in der Erwarung, von Gott selbst mit aller Herrlichkeit beschenkt zu werden ! (...)

Amen.

Pfarrer Jürgen Berghaus, Leverkusen-Manfort
berghaus@ekir.de


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