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13. Sonntag nach Trinitatis,
25. August 2002
Predigt über Apostelgeschichte 6,1-7, verfaßt von Dorothea Zager (-> zu den aktuellen Predigten / www.online-predigten.de) |
"In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob
sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die
hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen
Versorgung. Liebe Gemeinde, Hilflosigkeit und zugleich Solidarität ist das, was uns erfüllt. Im Stillen drücken wir den Sand-Sack-Schleppern die Daumen, dass ihr kleiner Wall den Wasserfluten standhält, wir können die Rückenschmerzen nachempfinden, die diese fleißigen Helfer haben müssen, wenn sie stundenlang die kilo-schweren Sandsäcke auffangen und an den Nächsten hinüberwerfen. Wir schauen mit den Menschen dort bedrückt auf die Pegelstände und bewundern die Kraft derjenigen, die nach dem Sinken der Fluten ihre völlig zerstörte Wohnungseinrichtung auf den Sperrmüll werfen und den Schlamm aus ihren Wohnungen schieben. Was soll uns da jetzt diese Geschichte aus der Apostelgeschichte bringen? Eine Geschichte, in der es mal wieder um einen gemeindeinternen Streit geht, um hebräische oder griechische Witwen und über das ewig ungelöste Problem der Delegierung von Aufgaben und Neuordnung der Machtverhältnisse? Sollten wir heute nicht vielmehr auf die Geschichte von der Sintflut hören? Von der Flut, die Gott über diese Welt ergossen hat aus Zorn, weil seine geliebten Menschen ihm nicht gehorchten, sondern gegen seine Gebote handelten, sich selbst bekämpften, die Gerechtigkeit, den Frieden und das Leben auf dieser Welt bedrohten? Nein, liebe Gemeinde, als eine Strafe Gottes dürfen wir diese Flut an der Elbe nicht verstehen. Es wäre zu einfach. Es wäre zynisch gegenüber den Opfern und unaufrichtig gegenüber Gott. Gott selbst hat uns verheißen, dass Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter nicht mehr aufhören sollen auf dieser Erde, und dass er das Leben der Menschen nicht mehr durch eine Flut zerstören will. Diese Flut aber - und das erkennen jetzt auch endlich diejenigen, die jahrzehntelang die Warnungen der Meteorologen und Umweltforscher in den Wind geschlagen haben - diese Flut ist "hausgemacht", eine Folge unseres gnadenlosen Umgangs mit der Schöpfung Gottes. Das Klima verändert sich; gehört haben wir es seit Jahren. Bis jetzt dachten wir aber immer: Das Ozonloch am Nordpol ist weit weg. Und wenn die Gletscher schmelzen, wird so schnell der Meeresspiegel auch nicht ansteigen, als dass er uns im Binnenland Deutschland bedroht. Jetzt sind wir erwacht, liebe Gemeinde, und ich denke, auch die letzten Zauderer und Zweifler sind jetzt erwacht. Es ist nicht mehr fünf Minuten, sondern nur noch eine Minute vor Zwölf. Und wenn wir unsere Umwelt und damit die Menschheit vor dem Untergang retten wollen, dann muss endlich damit begonnen werden, die Vereinbarungen von Kyoto nicht nur anzuerkennen, sondern auch in die Tat umzusetzen. Die Nutzung der Bodenschätze, der Energien und der Regenwäldern unserer Erde muss sofort auf ein behutsames Maß zurückgeführt werden, das Benutzen von Flugzeugen zu anderen als zu unbedingt nötigen Anlässen - also nur zum Urlaub oder zum Vergnügen muss endlich geächtet werden und die Nutzung alternativer Energien wie Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft darf nicht mehr wie zum Beispiel jetzt in Wachenheim zugunsten des so genannten sanften Tourismus zurückgestellt werden. Noch einmal die Frage: Was sollen wir da jetzt mit dieser Geschichte anfangen, der Geschichte vom Ärger in der Jerusalemer Gemeinde? Unsere Herzen sind beunruhigt und aufgeschreckt - und eigentlich suchen wir heute eher nach einer Antwort, nach einem Weg, der drohenden Katastrophe zu entkommen, die uns unausweichlich erscheint. Was ist zu tun? - fragen wir, und genau diese Frage ist es, die eine
Brücke schlägt zu unserem Predigttext aus der Apostelgeschichte. Da von der Thora die besondere Fürsorge der Witwen geboten war, organisierte die Gemeinde täglich eine spezielle Mahlzeit für sie. Im Laufe der Zeit stellte sich jedoch eine eklatante Benachteiligung der Witwen der griechischen Juden gegenüber denjenigen der hebräischen Juden heraus, die zu Unzufriedenheit und Protesten seitens der griechischen Juden führte. Der leitende Kreis der Gemeinde bestand selbstverständlich aus zwölf Mitgliedern der hebräischen Juden, die neben der Verkündigung von Jesus als dem gekreuzigten und auferstandenen Messias auch die Verteilung der Mahlzeiten an die Witwen und andere Bedürftige übernommen hatten ... Die Fülle der Aufgaben führte zur Überforderung im leitenden geistlichen Amt, so daß die Witwen der hebräischen Juden auf Grund der guten Beziehungen zum Führungsteam bei der täglichen Versorgung zunächst unmerklich, dann unübersehbar privilegiert wurden. ... Erst als die Einheit der jungen Gemeinschaft, die sowohl innerhalb der jüdischen Gemeinde als auch durch die römischen Behörden zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt war, durch den massiven Protest der griechischen Juden bedroht schien, reagiert die Leitung. Auf einer einberufenen Versammlung wurde die Teilung der Arbeiten und Aufgaben beschlossen: Die bisherige Leitung kümmert sich primär um die Verkündigung der Botschaft Gottes, während sieben gewählte Vertreter aus der Gruppe der griechischen Juden die Versorgung der Witwen und Armen übernehmen. Die sieben Diakone erkennen den Primat der Prediger an, die in Fürbitte und Segen die Personalentscheidungen der Gemeinde bestätigen." (Werner Schneider-Quindeau, Arbeitsteilung oder Von neuer Herrschaft, in: Textspuren. Konkretes und Kritisches zur Kanzelrede, Bd. VI, hg.v. Peter Härtling, Stuttgart 1995, S. 151) Durch eine einfache Aufteilung der Funktionen wurde der Streit in der Gemeinde beigelegt. Die griechischen Juden bekamen auch eine wichtige Aufgabe - und damit auch Machtbefugnisse. Und das Gemeindeleben insgesamt wurde glaubwürdiger, weil keiner der Armen oder Witwen mehr benachteiligt wurde. Wie schön wäre es, wenn sich auch bei uns alle Probleme so leicht lösen ließen. Wir kennen es eher anders. Entweder sind es zu viele Menschen in einer Gemeinde, die sich engagieren und mitwirken wollen. Und es kommt ständig zu Reibereien und Eifersüchteleien zwischen verschiedenen Gruppen. Oder es ist eher so, wie wir es auch von hier kennen, aus Wachenheim und Mölsheim: Es sind zu wenige, die sich engagieren wollen. Viele haben Erwartungen an die Kirche. Nur wenige helfen mit. Und die Last der Aufgaben - Gottesdienst oder Kindergottesdienst, Besuchsdienst oder Seniorenarbeit, Verwaltung und Kollekte - liegt auf den Schultern von einigen, ganz wenigen. Was sollen wir da jetzt mit dieser Geschichte anfangen, der Geschichte
vom Ärger in der Jerusalemer Gemeinde? Wir haben doch nicht ein solches
Problem, oder? Tröstlich ist die Geschichte insofern: Keiner von uns muss alles können. Keiner von uns muss alles tun. Ein Kirchenvorsteher braucht keine Predigten schreiben - dafür gibt's eine Pfarrerin, Kindergarteneltern brauchen keine Blumen für die Kirche besorgen - dafür sorgt liebevoll die Küsterin, die Küsterin wiederum muss nicht auch noch dafür sorgen, dass im Pfarrbüro genug Papier vorhanden ist - dafür sorgt die Sekretärin, und die Sekretärin trägt nicht die Verantwortung dafür, dass das Kindergartensommerfest gelingt. Das wiederum ist Sache der Kindergarteneltern - und da schließt sich der Kreis! Es gibt welche, die die Kollektenkasse führen, andere die Kindergottesdienst halten, wieder welche, die sich um die musikalische Ausgestaltung der Gottesdienste Gedanken und Mühe machen. Letztendlich gibt es Menschen, die einander besuchen, einander zuhören, nach den Alten und Kranken sehen und sich gegenseitig helfen. - Es ist also ein tröstlicher Gedanke: Keiner von uns muss alles können. Keiner von uns muss alles tun. Und wenn eine Gemeinde so miteinander lebt, dann können Menschen in ihr glücklich sein. Genau dies gilt übrigens auch jetzt in unserer Hilflosigkeit und Fassungslosigkeit im Hinblick auf die Überschwemmungskatastrophe im Osten. Keiner von uns muss alles können. Keiner von uns muss alles tun. Wir hier in der Ferne können die Hände falten und darum beten, dass die bedrohten und verzweifelten Menschen dort nicht den Mut verlieren, sondern mit Hoffnung und Kraft in eine neue Zukunft gehen. Und wir können sie tatsächlich unterstützen, indem wir einen Beitrag leisten zu den enormen Wiederaufbaukosten, die jetzt nach dem Abklingen der Katastrophe auf die Menschen dort zukommen. Wir können und müssen darüber hinaus auch unser eigenes Verhältnis und unser eigenes Verhalten zum Schutz der Schöpfung überprüfen. Das alles ist genug. Mehr können wir im Moment nicht tun. Und mehr brauchen wir auch im Moment nicht tun. Aber weniger dürfen wir auch nicht tun. Gehen wir noch einmal zurück zu dem, was in einer Gemeinde zu tun ist, kommt nun neben der tröstlichen Botschaft unserer Geschichte auch die mahnende: Muss ein Mensch dies alles ganz alleine tun und erfährt er zu wenig Unterstützung aus der Gemeinde, dann geht er zugrunde. Und die Gemeindearbeit kann nicht in vollem Maße getan werden. Deshalb gilt auch die Mahnung: Keiner kann alles alleine tun. Darum seid füreinander da, helft einander mit den Gaben, die Ihr von Gott empfangen habt. Nur dann kann unser Gemeindeleben blühen. Nur dann sind wir fähig, kleinere Konflikte zu lösen, so wie die Jerusalemer Gemeinde, oder große Katastrophen bestehen, wie die, die unsere Brüder und Schwestern in Ostdeutschland getroffen hat. Keiner kann alle Aufgaben alleine erfüllen. Dorothea Zager, Wachenheim Vorschläge zur Liturgie: WOCHENSPRUCH EINGANGSSPRUCH SCHRIFTLESUNG WOCHENLIED LIED NACH DER PREDIGT FÜRBITTENGEBET SCHLUSSLIED
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