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19. Sonntag nach Trinitatis,
6. Oktober 2002
Predigt über 2. Mose 34, 4-10, verfaßt von Roland Rosenstock (-> zu den aktuellen Predigten / www.online-predigten.de) |
Heilung durch Versöhnung Hinführung zum Kyrie Hinführung zum Gloria Darum danken wir Gott Tagesgebet Predigtlied EG 642 (Wir strecken uns nach dir) Fürbitten mit Vaterunser Predigt Liebe Gemeinde! Versöhnung ist weiblich und gesund! So lautet die frohe Botschaft der Oktoberausgabe von "Maxi". "Die Kunst des Verzeihens. Nicht leicht, aber sinnvoll", heißt es auf der Titelseite. "Denn: Wer vergibt, lebt länger." Wissenschaftliche Studien hätten belegt: Frauen sind besser im Versöhnen. Und: Menschen, die Wut und Ärger bewältigen können, leiden seltener unter Bluthochdruck, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen. "Auge um Auge, Zahn um Zahn? Der Körper dankt`s auf keinen Fall", weiß die Zeitschrift für die junge und modebewußte Frau. "Eine kleine Rache kann zwar einen seelischen Ausgleich schaffen, aber Herz und Kreislauf werden extrem belastet. Also los: Verzeihung!" I. Nun klappt das mit dem Verzeihen aber nicht so einfach. Auch wenn es gesünder ist. Dazu gehören ja mindestens zwei. Manchmal braucht man sogar einen dritten, der unbeteiligt ist, um wieder zueinander zu finden. Vor dem Vergeben steht ja die Verletzung. Da hat etwas weh getan. Und die Beziehung ist belastet. Und dann beginnt oft ein Spiel, ein Spiel, dass es so schwer macht mit dem Versöhnen: das Spiel mit den Schuldzuweisungen, die Möglichkeit sich selbst und anderen Vorwürfe zu machen. Wir kennen das aus den Familien: Eltern machen ihren Kindern Vorwürfe
weil sie die Tapete vollgemalt, oder weil sie das Studium abgebrochen
haben. Und Kinder machen ihren Eltern Vorwürfe, weil sie zu wenig
Zeit für sie haben, oder den Lebenspartner nicht akzeptieren wollen. Und Ehepartner beherrschen dieses Spiel mit ausgeklügelter Perfektion. Die Zahnpastatube ist sicherlich noch eine untere Spielstufe. Und eins macht dieses Spiel im Unterschied zu anderen Spielen überhaupt nicht: Spaß! Wenn dann noch der Rosenkrieg beginnt, freuen sich selbst nicht einmal mehr die Anwälte über das Honorar. Man kann dieses Spiel auch zwischen Ost- und Westdeutschen spielen, am
Tag der deutschen Einheit! Wir können denen dadrüben wieder
Ihre Nostalgie vorwerfen, die Liebe zu dem, was gewesen ist - als Maßstab
für das, was ist. Und sie werfen uns dann unsere Herablassung vor,
und dass wir den Osten nur als Markt sehen; und: Die Unfähigkeit
die 40 Jahre als gemeinsame Geschichte auf der Wanderung durch die Nachkriegswüste
zu begreifen. II. Liebe Gemeinde! Warum ist das mit der Vergebung so schwer? Weil diesem Spiel eins fehlt: es fehlt im die Gnade. Das Spiel mit den Vorwürfen spielt sich ein, wird zu einer Spirale, die sich immer weiter dreht. Irgendwann spielt der eigentliche Grund gar keine Rolle mehr. Verschwimmt, vernebelt sich, was eigentlich anliegt. Man wird das Gefühl nicht los: Da kommt man nicht mehr raus. Da kann man auch daran zerbrechen. Entweder es kommt zu einer Katastrophe. Und alle reißen sich wieder zusammen, die Folgen zu beheben. Oder es braucht jemand von außen, der die Spielregeln ändert. Ist es gut zu hören, dass da einer ist, der uns fühlen läßt, dass wir die Kränkungen tragen und überstehen können. Ein neuer Anfang möglich ist. Auch Mose und das Volk Israel waren ein Teil dieses Spiels. Schon einmal war Mose mit den Tafeln auf dem Berg, bei der Rückkehr erlebte er eine böse Überraschung. Sie erinnern sich: [Die Mosegestalt tritt auf, mit Tafeln in seiner Hand:] Ein grimmiges Spiel! Der Mann ist wirklich wütend, auf sein Volk. Er will das Beste für sie, aber die wollen das gar nicht. Halsstarrig sind sie, wie kleine Kinder, die genau das tun, was ihre Eltern nicht wollen. Das kann einen bis zur Weißglut reizen. Sich dann wieder zu fangen ..., ein Neuanfang ist gar nicht mehr einfach. Und das Volk in einer Ecke, wo es nicht mehr rauskommt, halsstarrig sind sie. Man kann sich aufreiben in diesem Spiel! Es gibt sogar Opfer, weil er die Menschen in Gute und Böse aufteilt, die Achse des Bösen deutlich vor sich sieht. Obwohl es Mose gut meint, zerstört er, nicht nur die Tafeln. Die meisten von den Israeliten werden zwar verschont, fürchten sich aber, dass sie die Strafe Gottes doch noch ereilen wird. Um Buße zu tun, müssen sie das Gold trinken, woraus sie den Stier gefertigt hatten. Fein zerstoßen, Goldstaub mit Wasser. Alle Schmuckstücke, die sie noch besessen, legen sie ab. Schmucklos und schutzlos sehen sie sich Mose und seinem Gott ausgeliefert. Und dann wurde es gefährlich, lebensgefährlich: 3000 sollen damals umgekommen sein. Mose scharrte die Seinen um sich, bestrafte die, die er für schuld hielt, allesamt Brüder, Freunde, Nächste. Ohne Gnade! Nach seiner Vorstellungen von Gerechtigkeit und mit himmlischen Beistand, das stand für ihn außer Frage. III. Doch stand Gott im Spiel mit der Schuld wirklich auf seiner Seite? Gott bittet Mose erneut auf den Berg. Wieder soll er zwei Steintafeln ausmeißeln. Es kommt zu einer atemberaubenden Begegnung: Mose sieht Gott von Angesicht zu Angesicht. Und Gott spricht zu Mose. Und sagt: Ich bin Gott. Und: Ich heiße so wie ich bin. Und das sind meine Namen: [Stimme aus dem Off:] Ich bin Gott, Ich bewahre Treue bis ins tausendste Geschlecht. Der Name Gottes verändert die Spielregeln. Nicht mehr: Wie muss
ich Buße tun, das er mich wieder akzeptiert. Sondern: Ich habe einen
gnädigen Gott. Und der war schon immer gnädig. So hat sich Gott
bekannt gemacht, nach dem Tanz um das goldene Kalb. Und Gottes Worte fahren
Mose durch die Glieder. Er wirft sich nieder. IV. Vielleicht waren es die Namen Gottes, die Mose aufgeschrieben hat - für sein Volk. Damit klar war, was das für ein Gott ist, der hier seine tiefe Verbindung zu den Seinen mitgeteilt hat. 10 Worte auf zwei Tafeln. Schauen wir sie uns noch einmal an. Auf der ersten das Wesen Gottes. Wie können diese Worte uns entlasten? (1. Tafel) Und was verändern diese Worte der ersten Tafel? Was folgt daraus für das Spiel mit der Schuld? Es geht weiter, aber es geht nicht mehr um die Würde. Nicht mehr um Bestehen und Vergehen. Das Grimmige, das Tödliche ist heraus aus dem Spiel. Von jetzt an spielt die Gnade mit, als unsichtbare Hand. Auf der zweiten Tafel Worte, die für unsere Beziehungen wichtig sind: (2. Tafel) V. Gottes hat den Bund der Entlastung geschlossen, mit zehn Worten, die das Spiel der Schuld entlasten sollen, die Spielregeln verändern. Denn so ein Spiel kann auch sein Gutes haben. Wenn es ehrlich gemeint ist und nicht zur Bestrafung verkommt. Wenn es wirklich um den Streitpunkt geht und nicht mehr nur um den Streit. Dann können wunderbare Dinge geschehen, dass Menschen sich wieder verstehen. Von nun an spielt die Gnade mit, mitten unter den Menschen. Menschen versöhnen sich nach langer Zeit wieder, wenn der Grund für die Schuld geklärt ist. Und: Man kann persönlich bei diesem Spiel reifen. Das Spiel spielen als einer, der selbst geliebt ist und sich mit seinen Schwächen akzeptiert; weil er weiß: Gott hält zu mir! Dann braucht man auch eigene Schuld nicht von sich selbst wegzuschieben, auf die anderen, begreift, dass wir Kränkungen tragen und ertragen können. Verletzungen - mit Gottes Hilfe - auch überstehen. Rache ist dann passe. Wir setzen unsere Kraft daran, den wirklichen Konflikt zu lösen, zu vergeben. Liebe Gemeinde, Vergebung ist weiblich und gesund! So lautet die frohe Botschaft von Maxi. Und ich stimme ihr zu!: "Die Kunst des Verzeihens. Nicht leicht, aber sinnvoll". "Denn: "Wer vergibt, lebt länger." Und die Tafeln mit den Worten der Entlastung machen Hoffnung darauf, dass das möglich ist: Versöhnung, Neuanfang, Verbundenheit durch die Verletzung hindurch. Ob Frauen darin wirklich besser sind? Wir Männer sollten ihnen jedenfalls darin nicht nachstehen. Und nicht vergessen: Menschen, die Wut und Ärger bewältigen können, leiden seltener unter Bluthochdruck, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen. "Auge um Auge, Zahn um Zahn?" Nicht mit dem Gott, der so heißt wie er ist: Erbarmend und gnädig! Also los: Verzeihen wir, Versöhnung ist gesund! Amen. Dr. Roland Rosenstock, Pucheim bei München |
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